Gecko-Tape aus dem Labor
Zu den Tieren, die auch Physiker entzücken, gehört der Gecko. Die feinen Härchen an den Tatzen der Echse haften durch zwischenmolekulare Kräfte am festen Untergrund.
Zu den Tieren, die auch Physiker entzücken, gehört der Gecko. Die feinen Härchen an den Tatzen der Echse haften durch zwischenmolekulare Kräfte am festen Untergrund.
Englische und russische Physiker haben nun ein Klebeband entwickelt, das die Geckofüße nachahmt. Ihre Arbeit basiert auf einer Untersuchung amerikanischer Physiker, die in den vergangenen Jahren die Geckohaftung quantitativ untersucht haben. Diese hatten herausgefunden, dass ein einzelnes Gecko-Härchen ein Gewicht von 100 Nanonewton tragen kann. Dafür sorgen zwei Kräfte: die kurzreichweitige van der Waals-Kraft, auch zwischenmolekulare Kraft genannt, sowie die Kapillarkraft, die zwischen hydrophilen Materialien in feuchter Umgebung wirkt. Bei dem typischen Durchmesser der Gecko-Härchen von einem halben Mikrometer sind van der Waals-Kräfte und Kapillarkräfte etwa gleich groß. Millionen von Härchen tragen ein Gewicht von 10 Newton pro Quadratzentimeter. Eine mit Geckohärchen bestückte Briefmarke dürfte demnach ausreichen, um einen Ziegelstein zu tragen.
Winzige Säulen in einem Polyimid-Film sorgen für Haftung – dank van der Waals- und Kapillarkraft. (Quelle: A. Geim. University of Manchester)
In ihren ersten Experimenten brachten Andre Geim von der University of Manchester und seine Kollegen dünne Kunststoffhärchen auf ein Siliziumsubstrat auf. Dazu beschichteten sie das Substrat zunächst mit einem dünnen Film Polyimid (auch als „Kapton“ bekannt). Mithilfe von Elektronenlithographie strukturierten sie die Oberfläche und ätzten kleine Säulen in den Kunststoff (Abb.). Das Ergebnis war allerdings enttäuschend: Ein Quadratzentimeter konnte gerade mal ein Gramm halten. Doch nachdem die Physiker den behaarten Polyimid-Film von dem festen Substrat abgezogen und auf ein flexibles Klebeband aufgebracht hatten, verbesserte sich die Klebekraft fast um das tausendfache. Ein halber Quadratzentimeter reichte aus, um eine 40 Gramm schwere Spielfigur unter eine Glasplatte zu hängen.
Das Klebeband könne sich anders als das Silizium-Substrat an die mikroskopischen Unebenheiten der Platte anpassen und dadurch die Kontaktfläche vergrößern, vermuten die Forscher. Eigentlich wollten sie genug Gecko-Tape produzieren, um einen Mitarbeiter die Außenseite eines Hochhauses zu hängen, sagte Geim später. Das hätte aus wissenschaftlicher Sicht jedoch kaum einen Erkenntnisgewinn gebracht. Daher der Spiderman aus Plastik.
In der Praxis hätte Spiderman allerdings ein Problem: Nach mehrmaligem Ablösen und Anheften versagte das Wundertape seinen Dienst. Mit dem Elektronenmikroskop diagnostizierten die Forscher zahlreiche umgeknickte Härchen. Viele Polymerfäden klebten, durch die Kapillarkraft fixiert, am Tape.
Max Rauner
Quelle: Physik Journal, Juli/August 2003, S. 15