11.07.2016

Gedünstet, nicht geröstet

Zwei Supernovae vor einigen Millionen Jahren hatten nur kleinere Effekte auf Klima und Organismen unserer Erde.

Es muss ein einzigartiges Spektakel gewesen sein, dass sich unseren ent­fernten Vorfahren am Nachthimmel bot: Vor etwa 1,7 bis 3,2 Millionen Jahren, als die ersten Entwicklungs­schritte unserer Gattungsart Homo geschahen, erstrahlte plötzlich eine Supernova. Aus Unter­suchungen an Gesteins­ablagerungen lässt sich rekon­struieren, dass dieses Ereignis in recht naher Entfernung zur Erde stattgefunden haben muss. Sowohl auf der Erde als auch auf dem Mond hat diese Supernova Spuren in Form von radioaktivem Eisen-60 hinterlassen. Außerdem muss in astronomischen Maßstäben nur kurze Zeit früher eine weitere Supernovae in unserer kosmischen Nachbar­schaft explodiert sein, die ebenfalls Eisen-60 auf der Erde deponiert hat. Diese zweite Supernova hat vor rund 6,5 bis 8,7 Millionen Jahren stattgefunden. In unserer galaktischen Nachbar­schaft machen sich diese Supernova unter anderem in der lokalen Blase bemerkbar, einem Raumbereich mit deutlich verrin­gerter Staubdichte, der vermutlich durch diverse Supernovae „leergefegt” wurde.

Abb.: Hubble-Aufnahme von SN 1987A, die in wesentlich größerer Entfernung stattfand als die beiden Ereignisse vor einigen Millionen Jahren. (Bild: NASA, ESA, P. Challis, R. Kirshner)

Nun wird Eisen-60 bei Supernovae in großen Mengen freigesetzt und durch die Schockwellen im Umkreis einiger hundert Lichtjahre verteilt. Es reichert sich unter anderem in Mineralien tief im Ozean an. Aufgrund seiner langen Halbwerts­zeit von 2,6 Millionen Jahren eignet es sich zwar zur Datierung und zur ungefähren Entfernungs­bestimmung, der Effekt solch einer Supernova auf einen Planeten und seine Organismen lässt sich daraus aber nur schwer bestimmen. Ein inter­nationales Forscher­team um Adrian Melott von der University of Kansas hat deshalb nun mit Hilfe von Simula­tionen versucht, die Auswirkungen einer nahen Supernova auf die Erde und ihre Lebewesen genauer zu bestimmen. Dabei stand auch die Frage im Raum, ob die jüngere Supernova eventuell auch etwas mit einem kleineren Artensterben im Pleistozän zu tun haben könnte, das sich vor 2,59 Millionen Jahren ereignete.

Die beiden Supernovae, deren Spuren sich in irdischem Gestein finden, waren mit rund 300 Lichtjahren jedenfalls weit genug entfernt, um keine übermäßige Gefahr für die Erd­atmosphäre darzustellen. Wie frühere Simulationen ergeben hatten, kann eine nahe Supernova in bis zu 25 Lichtjahren Entfernung extrem schädliche Auswirkungen auf die Lebens­bedingungen eines Planeten haben und zu einem massiven Artensterben führen.

Die Forscher entwarfen verschiedene Modelle, um den Effekt weiter entfernter Supernovae zu ermitteln. Zum einen betrachteten sie eine Supernova in gut 900 Lichtjahren Distanz, zum anderen eine in 300 Lichtjahren, entsprechend der fossilen Befunde. Nun entfalten solche Supernova mannig­faltige Wirkungen über den gesamten Spektral­bereich. Sie reichen von der wochenlangen Erleuchtung des Nachthimmels, was zu Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus, Schlafmangel, Änderungen des Melatonin-Spiegels und dergleichen führen kann. Diese Effekte sind aber zu schwach, um bedeutenden Einfluss auf ein Ökosystem haben zu können. Auch die harte UV-Strahlung solcher Supernovae ist zu schwach und wird durch diejenige der Sonne überlagert. Zudem betrifft sie nur die oberen Schichten der Atmosphäre.

Sehr viel deutlicher sichtbar wird hingegen die Wirkung der hoch­energe­tischen Teilchen, die von einer solchen Supernova bzw. ihrem Überrest ausgehen. Für eine weiter entfernt liegende Supernova in 900 Lichtjahren Distanz kommt es hierbei darauf an, ob die Magnet­feldlinien in der inter­stellaren Materie von der Quelle zum Ziel weisen oder nicht. Tun sie es, so wird der Fluss an hochenergetischen Teilchen quasi fokussiert und steigt deutlich an. Umgekehrt die Magnet­felder aber auch diese Strahlung blockieren, so dass kein allzu starker Effekt sichtbar wird.

Diese hochener­getischen Teilchen erreichen Energien bis jenseits einiger Tera­elektronen­volt und sind damit um Größen­ordnungen durchdringender als alles, was von der Sonne kommt. Bei einer entfernten Supernova kann dies den Ionisierungs­grad der Atmosphäre bis in die untere Troposphäre fast verdoppeln, was zu erhöhtem Blitzschlag und Veränderungen im Muster der Wolkenbildung führen kann. Dies könnte auch kleinere klima­tische Auswirkungen für einige Hundert bis Tausend Jahre mit sich bringen.

Bei einer Supernova in nur 300 Lichtjahren Entfernung spitzt sich die Situa­tion bereits deutlich zu. Hier wird der Fluss an hochenergetischen Teilchen so hoch, dass nicht nur die Atmosphäre eine deutliche Ionisierung erfährt. Vor allem aufgrund der durch­dringenden Myonen und Neutronen, die als Sekundär­teilchen bei Wechsel­wirkungen der kosmischen Strahlung mit den oberen Atmosphären­schichten entstehen, erhöht sich die Strahlen­belastung auf der Erdober­fläche stark.

Die Strahlen­belastung durch Myonen steigt um rund das Zwanzig­fache. Da Myonen ungefähr ein Sechstel zur natürlichen Gesamtstrahlen­belastung beitragen, verdreifacht sich diese also auf einen Schlag. Das entspricht ungefähr einer Computer­tomographie pro Organismus und Jahr. Da Myonen sehr durch­dringend sind und dadurch über das ganze Körper­volumen wirken, sind größere Organismen stärker betroffen als kleinere. Außerdem dringen Myonen ungefähr einen Kilometer tief in Wasser sein, so dass alle Lebewesen außer denen der Tiefsee hiervon betroffen waren.

Eine solche Strahlen­dosis, die für rund 1000 Jahre anhielt, war aber wohl nicht ausreichend, um zu drastischen ökologischen Konsequenzen zu führen. Sie ging vermutlich mit einer nur leicht erhöhten Krebsrate und etwas häufigeren Mutationen einher. Die Wissen­schaftler haben deshalb auch einen anderen Effekt untersucht, der ebenfalls schädliche Wirkung gezeigt haben könnte. Durch den Beschuss mit hochener­getischen Teilchen entstehen in der Atmosphäre verschiedene Stickoxide, die die Ozon­schicht schädigen und zur Bildung von Salpeter­säure führen, die dann mit dem Regen ausge­waschen wird. Allerdings bewegten sich hier die Änderungen im unteren zweistelligen Prozentbereich, so dass dies wohl kein entscheidender Faktor war.

Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass die atmosphä­rischen Effekt in einer klimatisch instabilen Phase diese Schwankungen gesteigert haben und dadurch ein Arten­sterben verstärkt haben könnten. Um dies zu belegen, reichen die Daten derzeit aber noch nicht aus.

Dirk Eidemüller

JOL

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