16.01.2018

Gefangen im Potenzialtopf

Präzise Messung der effektiven Ladung eines einzelnen Moleküls.

Die elektrische Ladung ist eine der Kerneigenschaften, mit denen Moleküle mit­ein­ander in Wechsel­wirkung treten. Viele bio­lo­gische Prozesse beruhen auf Inter­aktionen von Mole­külen wie Proteinen, bei denen die Ladung eine ent­schei­dende Rolle spielt. Doch die Ladung eines Proteins in einer wäss­rigen Umge­ung – das normale Umfeld in einem lebenden Orga­nismus – lässt sich mit her­kömm­lichen Ansätzen kaum genau bestimmen.

Abb.: Forscher können die effektive elek­trische Ladung eines Moleküls fest­stellen, indem sie dieses in einem Potenzial­topf fangen und messen, wie lange es darin bleibt. (Bild: M. Krishnan, U. Zürich)

Im Rahmen einer SNF-Förderungsprofessur an der Uni Zürich hat Madhavi Krishnan eine Methode ent­wickelt, um die Ladung eines ein­zelnen Moleküls in Lösung zu messen. Diese Ent­deckung könnte den Weg zu neuen diagnos­tischen Werk­zeugen ebnen, da viele Krank­heiten auf mole­ku­larer Ebene damit zusammen­hängen, dass ein Protein auf­grund einer ver­änderten elek­trischen Ladung nicht mehr ein­wand­frei arbeitet.

Die Ladung eines Moleküls kann sich beträchtlich verändern, je nachdem, ob es sich in Gas­phase oder Lösung befindet. Der Grund für diesen Unter­schied liegt in den komplexen Wechsel­wirkungen mit den um­gebenden Flüssig­keits­mole­külen. Deshalb ergeben die üblichen Gas­phase­messungen keine direkten Infor­ma­tionen zum Ver­halten des Mole­küls in seinem bio­lo­gischen Umfeld.

Moleküle in Lösung sind ständig in Bewegung, da sie dauernd und rein zufällig zusammen­stoßen. Krishnan und Francesca Ruggeri nutzten diese Brown­sche Bewe­gung, um die effek­tive Ladung eines Moleküls direkt in der Lösung zu messen. Zuerst fingen sie das Molekül in einem Potenzial­topf. Durch die fort­währen­den Zusammen­stöße mit den Wasser­mole­külen droht dem Molekül ständig der Heraus­wurf aus dem Topf. Je höher die effek­tive Ladung des Moleküls, desto größer ist die Tiefe des Potenzial­topfs und desto geringer ist die Wahr­schein­lich­keit, dass das Molekül aus dem Topf gestoßen wird. Deshalb hängt die Zeit, bis das Molekül aus dem Topf fliegt, direkt mit der effek­tiven Ladung zusammen.

„Letztlich ist es ein statistisches Prinzip“, erklärt Krishnan. „Wenn wir wissen, wie lange ein Molekül im Topf gefangen bleibt, wissen wir auch, wie tief der Topf ist. Und da die Topf­tiefe wiederum direkt von der effek­tiven Ladung des Moleküls abhängt, können wir diesen Wert sehr genau bestimmen.“


Um einen Potenzialtopf zu erzeugen, komprimierten die Forscher eine Lösung mit dem Protein zwischen zwei Glas­platten, eine davon mit mikro­sko­pisch kleinen Löchern. Die in Potenzial­töpfen gefan­genen Mole­küle wurden mit einem Fluores­zenz­mittel markiert und ließen sich so mit einem optischen Mikro­skop beob­achten.

Diese Entdeckung ist für die Grundlagenforschung wichtig, sie könnte aber auch den Weg ebnen zu neu­artigen diagnos­tischen Werk­zeugen für viele Krank­heiten, die mit falsch gefal­teten Proteinen zusammen­hängen, wie Alz­heimer oder Krebs. „Wir wissen, dass die 3D-Kon­for­ma­tion die effek­tive Ladung beein­flusst“, so Krishnan. „ Unsere Methode könnte einen neuen Ansatz­punkt bieten, um fehler­hafte Proteine nach­zu­weisen.“

SNSF / RK

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