Gefangen im Potenzialtopf
Präzise Messung der effektiven Ladung eines einzelnen Moleküls.
Die elektrische Ladung ist eine der Kerneigenschaften, mit denen Moleküle miteinander in Wechselwirkung treten. Viele biologische Prozesse beruhen auf Interaktionen von Molekülen wie Proteinen, bei denen die Ladung eine entscheidende Rolle spielt. Doch die Ladung eines Proteins in einer wässrigen Umgeung – das normale Umfeld in einem lebenden Organismus – lässt sich mit herkömmlichen Ansätzen kaum genau bestimmen.
Abb.: Forscher können die effektive elektrische Ladung eines Moleküls feststellen, indem sie dieses in einem Potenzialtopf fangen und messen, wie lange es darin bleibt. (Bild: M. Krishnan, U. Zürich)
Im Rahmen einer SNF-Förderungsprofessur an der Uni Zürich hat Madhavi Krishnan eine Methode entwickelt, um die Ladung eines einzelnen Moleküls in Lösung zu messen. Diese Entdeckung könnte den Weg zu neuen diagnostischen Werkzeugen ebnen, da viele Krankheiten auf molekularer Ebene damit zusammenhängen, dass ein Protein aufgrund einer veränderten elektrischen Ladung nicht mehr einwandfrei arbeitet.
Die Ladung eines Moleküls kann sich beträchtlich verändern, je nachdem, ob es sich in Gasphase oder Lösung befindet. Der Grund für diesen Unterschied liegt in den komplexen Wechselwirkungen mit den umgebenden Flüssigkeitsmolekülen. Deshalb ergeben die üblichen Gasphasemessungen keine direkten Informationen zum Verhalten des Moleküls in seinem biologischen Umfeld.
Moleküle in Lösung sind ständig in Bewegung, da sie dauernd und rein zufällig zusammenstoßen. Krishnan und Francesca Ruggeri nutzten diese Brownsche Bewegung, um die effektive Ladung eines Moleküls direkt in der Lösung zu messen. Zuerst fingen sie das Molekül in einem Potenzialtopf. Durch die fortwährenden Zusammenstöße mit den Wassermolekülen droht dem Molekül ständig der Herauswurf aus dem Topf. Je höher die effektive Ladung des Moleküls, desto größer ist die Tiefe des Potenzialtopfs und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Molekül aus dem Topf gestoßen wird. Deshalb hängt die Zeit, bis das Molekül aus dem Topf fliegt, direkt mit der effektiven Ladung zusammen.
„Letztlich ist es ein statistisches Prinzip“, erklärt Krishnan. „Wenn wir wissen, wie lange ein Molekül im Topf gefangen bleibt, wissen wir auch, wie tief der Topf ist. Und da die Topftiefe wiederum direkt von der effektiven Ladung des Moleküls abhängt, können wir diesen Wert sehr genau bestimmen.“
Um einen Potenzialtopf zu erzeugen, komprimierten die Forscher eine Lösung mit dem Protein zwischen zwei Glasplatten, eine davon mit mikroskopisch kleinen Löchern. Die in Potenzialtöpfen gefangenen Moleküle wurden mit einem Fluoreszenzmittel markiert und ließen sich so mit einem optischen Mikroskop beobachten.
Diese Entdeckung ist für die Grundlagenforschung wichtig, sie könnte aber auch den Weg ebnen zu neuartigen diagnostischen Werkzeugen für viele Krankheiten, die mit falsch gefalteten Proteinen zusammenhängen, wie Alzheimer oder Krebs. „Wir wissen, dass die 3D-
SNSF / RK