05.08.2019

Geflochtene Fluxonen

Von japanischer Korbflechtkunst inspirierte Fluxonengitter erzielen Rekorddichte.

Die Eigenschaften von Hochtemperatur-Supraleitern lassen sich durch künstliche Defekte gezielt verändern. Einem internationalen Forschungs­team um den Physiker Wolfgang Lang an der Universität Wien ist es nun gelungen, die weltweit dichtesten komplexen Nanogitter zur Verankerung von magnetischen Flussquanten, den Fluxonen, herzustellen. Dies wurde durch Bestrahlung des Supraleiters mit einem Helium-Ionen-Mikroskop an der Universität Tübingen erreicht, eine Technologie, die erst seit Kurzem verfügbar ist. Inspiriert wurden die Forscher hierbei von einer traditionellen japanischen Korb­flechtkunst. 
 

Abb.: Das klassische japanische Korbflechtmuster diente als Inspiration für...
Abb.: Das klassische japanische Korbflechtmuster diente als Inspiration für eine Anordnung von Fluxonen-Fallen, die mit einem Helium-Ionen-Mikroskop in einem Hochtemperatur-Supraleiter hergestellt wurden. (Bild: B. Aichner, U. Wien)

Reine Supraleiter sind für die meisten technischen Anwendungen gar nicht geeignet, sondern erst nach kontrollierter Einführung von Defekten. Meistens sind diese zufällig verteilt, jedoch gewinnt die gezielte periodische Anordnung solcher Defekte immer größere Bedeutung. In einen Supraleiter kann ein Magnetfeld nur in quantisierten Portionen, den Fluxonen, eindringen. Zerstört man nun die Supraleitung in sehr kleinen Bereichen, werden die Fluxonen an genau diesen Stellen verankert. Mit periodischen Anordnungen derartiger Defekte kann man zweidimensionale „Fluxonen-Kristalle“ erzeugen, die ein Modellsystem für zahlreiche interessante Untersuchungen darstellen. Die Defekte dienen hierbei als Fallen für die Fluxonen, und durch Variation von gut zugänglichen Parametern können zahlreiche Effekte untersucht werden. „Allerdings ist es hierfür notwendig, sehr dichte Anordnungen zu realisieren, damit die Fluxonen untereinander wechselwirken können – am besten mit Abständen unter 100 Nanometer, also tausendmal kleiner als der Durchmesser eines Haares“, erklärt Bernd Aichner von der Universität Wien.

Besonders im Interesse der Forscher liegen komplexe periodische Anordnungen, wie etwa das von der aktuellen Studie untersuchte quasi-Kagomé-Defektgitter, das von einer traditionellen japanischen Korb­flechtkunst inspiriert wurde. Die Bambusstreifen eines solchen Kagomé-Musters werden hierbei durch eine Kette von Defekten mit siebzig Nanometer Abstand ersetzt. Die Besonderheit dieser künstlichen Nanostruktur ist, dass nicht nur jeweils ein Fluxon pro Defekt verankert werden kann, sondern sich annähernd kreisförmige Fluxonen­ketten ausbilden, die ihrerseits ein noch freies Fluxon in ihrer Mitte gefangen halten. Derartige Fluxonenkäfige beruhen auf der wechselseitigen Abstoßung von Fluxonen und können durch Änderung des äußeren Magnetfelds geöffnet und geschlossen werden. Sie gelten daher als ein vielversprechendes Konzept zur Realisierung von verlustarmen und schnellen supra­leitenden Schaltkreisen mit Fluxonen.

Ermöglicht wurden diese Forschungsergebnisse durch ein neuartiges Gerät an der Universität Tübingen – das Helium-Ionen-Mikroskop. Dieses hat zwar ein ähnliches Funktionsprinzip wie das Raster­elektronen­mikroskop, besitzt aber wegen der viel kleineren Wellenlänge der Helium-Ionen eine zuvor unerreichte Auflösung und Schärfentiefe. „Mit einem Helium-Ionen-Mikroskop lassen sich die supraleitenden Eigenschaften gezielt verändern, ohne hierbei das Material abzutragen oder zu zerstören. So können wir Fluxonengitter in Hoch­temperatur-Supraleitern mit einer Dichte erzeugen, die weltweit einzigartig ist“, betont Dieter Koelle von der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen. Die Wissenschafter planen nun, die Methode für noch kleinere Strukturen weiter zu entwickeln und damit verschiedene theoretisch vorgeschlagene Konzepte für Fluxonen-Schaltkreise zu erproben.

U. Wien / DE
 

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