27.02.2017

Geformter Ultraschall

Akustisches Metamaterial beeinflusst Wellenausbreitung ganz nach Wunsch.

Mit symmetrisch aufgebauten Metamaterialien lassen sich Licht- und Mikro­wellen nach Wunsch selbst um Objekte herum lenken. Erste Tarn­kappen und extrem flache Linsen wurden bereits ent­wickelt. Analog lassen sich mit speziell geformten Bau­ele­menten aus Kunst­stoff auch akus­tische Meta­materi­alien her­stellen. Wissen­schaftler der Univer­sity of Sussex und der Univer­sity of Bristol stellen jetzt ein modu­lar aufge­bautes akus­tisches Meta­mate­rial vor, mit dem sie die Aus­brei­tung von Ultra­schall­wellen nahezu nach Belieben kon­trol­lieren konnten. Mög­liche Anwen­dungen sehen die Forscher etwa in stark fokus­sierten Ultra­schall­wellen, die gezielt Tumor­gewebe zer­stören könnten.

Abb.: Prototyp eines akustischen Metamaterials, modular aus kleinen Bau­ele­men­ten aus Kunst­stoff auf­ge­baut. (Bild: Interact Lab, U. Sussex)

Gianluca Memoli und seine Kollegen entwarfen ihr Metamaterial für Ultra­schall­wellen mit einer Frequenz von vierzig Kilo­hertz. Mit einem 3D-Drucker fer­tig­ten sie verschie­dene Bau­ele­mente aus einem thermo­plas­tischen Kunst­stoff. Jedes Ele­ment war 8,66 Milli­meter hoch mit einer quadra­tischen Basis mit 4,33 Milli­meter Kanten­länge, ent­spre­chend einer ganzen und einer halben Wellen­länge. Durch die kleinen Bau­ele­mente schlän­gelten sich fili­grane, mit Luft gefüllte Kanäle. Diese geschlän­gelten Hohl­räume vari­ierten in ihrer Struktur. Insge­samt fer­tigten die Forscher 16 verschie­dene Ele­mente, die je nach innerer Struktur eine Phasen­ver­schie­bung der Ultra­schal­lwellen zwischen 0 und 2π verur­sachten.

Im Computer berechneten Memoli und Kollegen die Anordnung einzelner Bau­ele­mente in einer Fläche, um ein gewünsch­tes Schall­feld bilden zu können. Dabei ließ sich der akus­tische Fokus zwischen 3 und 47 Wellen­längen vari­ieren. Zur Demon­stra­tion der fokus­sie­renden Eigen­schaften eines flachen akus­tischen Meta­materials aus bis zu 64 ein­zelnen Modulen, rich­teten sie das mani­pu­lierte Ultra­schall­feld auf eine kleine Plastik­kugel und ließen diese durch den konzen­trierten Schall­druck schweben – eine akus­tische Levi­ta­tion.

„Unsere Elemente können einfach zusammengesetzt und wieder umge­ordnet werden, um jedes gewünschte akus­tische Feld zu erzeu­gen“, sagt Memoli. Ein großen Vor­teil sieht er in den güns­tigen, mit 3D-Druckern schnell zu fertigen Kunst­stoff­modulen. In der Medizin genutzte Ultra­schall­quellen könnten damit prinzi­piell nicht nur für die Bild­gebung, sondern mit einem fokus­sieren Meta­mate­rial auch zur geziel­ten Zer­stö­rung von krankem Gewebe einge­setzt werden.

Abb.: Einzelne Bauelemente für ein akustisches Meta­mate­rial, bei dem die Phasen von Ultra­schall­wellen beein­flusst werden, um ein belie­biges Schall­feld zu er­zeugen. (Bild: Interact Lab, U. Sussex)

Das Team ist nicht das einzige, das mit akustischen, modular aufge­bauten Meta­materi­alien experi­men­tiert. So präsen­tierten vor wenigen Monaten Sahab Babaee und seine Kollegen von der Harvard Univer­sity in den USA Meta­materi­alien, die die Schall­aus­brei­tung über die ver­schie­dene Anord­nungen von Würfeln, Hexa­edern oder Okta­edern beein­flussten. Die berech­neten Bau­pläne bil­deten die Grund­lage für Meta­materi­alien, die Schall­wellen im hör­baren Frequenz­bereich in alle drei Raum­rich­tungen fast nach Belieben um­leiten sollten.

Für die praktische Umsetzung wählten Babaee und Kollegen kleine Kunst­stoff­plätt­chen aus Poly­ethylen. Diese Plätt­chen ver­knüpf­ten sie mit vari­ablen Gelenken aus Doppel­klebe­band zu den symme­trisch aufge­bauten, akus­tischen Meta­materi­alien. Ein würfel­förmiger Proto­typ mit einer Kanten­länge von knapp dreißig Zenti­metern bestä­tigte die gute Kon­trolle über Schall­wellen, die sich zudem schnell und ein­fach über ver­schie­dene Winkel zwischen den Plätt­chen ver­ändern ließ. Dazu sendete an einer Stelle ein Laut­sprecher Schall­wellen in das Meta­material. Rund um den Proto­typ ange­ord­nete Mikro­fone zeich­neten die mehr oder weniger stark umge­lenkten Schall­wellen auf. Die Mes­sungen bestä­tigten, dass sich der Schall über einen breiten, hör­baren Frequenz­bereich in ver­schie­dene Wunsch­rich­tungen leiten ließ.

Die Versuche zeigten allerdings noch einige Unter­schiede zwischen der berech­neten und der gemes­senen Schall­aus­breitung. Dieses Problem könnte mit einer ver­bes­serten Ferti­gungs­methode, wie etwa mit einem 3D-Drucker, behoben werden. Trotz der Abwei­chungen belegen die Versuche, dass akus­tische Meta­materi­alien das Poten­zial haben, die Schall­aus­brei­tung mit grö­ßerer Vari­abi­lität zu beein­flussen als es andere Werk­stoffe bis­her ermög­lichten. Da die Dimen­sionen dieser Meta­materi­alien von wenigen Zenti­metern bis zu einigen Metern ver­änder­bar sind, sind Anwen­dungen in der Unter­haltungs­elek­tronik oder auch für das Geräusch­design von Gebäuden vor­stell­bar.

Jan Oliver Löfken

RK

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