Geisterbilder mit Heliumatomen
Neues Abbildungsverfahren nutzt atomare Korrelationen.
Forscher der Australian National University ANU in Canberra haben ein Verfahren entwickelt, bei dem Atome ein Objekt abbilden, ohne ihm dabei nahe zu kommen. Es ähnelt dem bekannten „Ghost Imaging“ mit Photonen, indem es anhand der Teilchenkorrelationen ein Bild des Objekts rekonstruiert. Andrew Truscott und seine Mitarbeiter haben eine kleine Metallmaske, in der die etwa fünf Millimeter großen Buchstaben „ANU“ ausgespart waren, mit paarweise korrelierten Heliumatomen abgebildet. Ein Atom eines jeden Paares flog dabei auf die Maske zu und wurde, falls es sie passieren konnte, von einem Teilchendetektor zeit- aber nicht ortsaufgelöst registriert. Das andere Atom flog, weit entfernt von der Maske, direkt zu einem orts- und zeitauflösenden Detektor.
Abb.: Schema des atomaren Geisterabbildungsverfahrens. Nach der Kollision fällt das eine Atom auf einen ort- und zeitauflösenden Detektor M, während das andere Atom die abzubildende Maske passiert und anschließend seine Ankunftszeit vom Detektor B registriert wird. Ein Korrelator C rekonstruiert ein Bild der Maske. (Bild: R. I. Khakimov et al. / NPG)
Aus den gemessenen Ankunftsorten und -zeiten ließ sich ein detailliertes Bild der Maske gewinnen. Allerdings mussten die Forscher dazu einige Probleme überwinden. Dies gelang ihnen mit Hilfe eines bemerkenswerten Versuchsaufbaus, der auch neue Möglichkeiten eröffnet, die Grundlagen der Quantenphysik mit Atomen zu testen. Zunächst stellten Truscott und seine Kollegen ein Bose-Einstein-Kondensat aus etwa einer Million Heliumatomen 4He* her, die im energiereichen megastabilen Zustand 23S1 präpariert waren, sodass man sie mit einem Detektor besonders gut nachweisen konnte. Zudem waren die Atome zunächst im Unterniveau mit der magnetischen Quantenzahl mJ=1 und konnten deshalb magnetisch festgehalten werden.
Mit Laserpulsen einer bestimmten Frequenz wurde das Abbildungsexperiment in Gang gesetzt. Durch den Raman-Effekt brachten die Laserphotonen die Atome in den unmagnetischen Zustand mJ=0, sodass diese nicht mehr von der Falle festgehalten wurden und sich frei bewegen konnten. Weitere Photonen, die mit den Atomen kollidierten, veränderten deren Impuls in vertikaler Richtung: Es trat der Kapitza-Dirac-Effekt auf, bei dem die Atome an einer stehenden Lichtwelle gebeugt werden und je nach Beugungsordnung unterschiedlich große Impulsänderung erfahren.
Da die Atome nun unterschiedliche Impulse hatten, konnten sie paarweise kollidieren und dadurch ihre Bewegungen miteinander abstimmen. Nach der Kollision der Atome expandierte die Atomwolke und bildete mehrere kugelförmige Halos, die sich durch die vom Kapitza-Dirac-Effekt hervorgerufene Beugungsordnung unterschieden. Zwei Atome, die miteinander zusammengestoßen waren, befanden sich auf diametral gegenüberliegenden Punkten der jeweiligen Halbkugel.
Abb.: Das rekonstruierte Bild der Maske wird umso besser, je mehr Halos, bestehend Atomen von unterschiedlicher Beugungsordnung, verwendet werden. (Bild: R. I. Khakimov et al. / NPG)
Unter dem Einfluss der Schwerkraft fielen die Atome etwa 85 Zentimeter tief zu einem Atomdetektor herab, der in zwei gleichgroße Bereiche geteilt war. Im einen Bereich wurden die Atome nach Ort und Ankunftszeit registriert. Über dem anderen Bereich befand sich die abzubildende Metallmaske, die die Atome passieren mussten, bevor sie den Detektor erreichten, der dann nur ihre Ankunftszeit feststellte.
Durch Koinzidenzmessung wurden diejenigen Atompaare ermittelt, bei denen ein Atom die Maske passierte hatte, das andere hingegen nicht. Da die atomaren Impulse korreliert waren, ließ sich aus dem Ankunftsort des Atoms, das der Maske nicht nahegekommen war, Information über die Form der Maske entnehmen. Indem diese Information für Halos mit verschiedenen Beugungsordnungen gesammelt wurde, entstand nach und nach ein „Geisterbild“ der Maske, auf dem submillimetergroße Details sichtbar waren. Die Forscher verwendeten insgesamt neun Halos, wodurch die Sichtbarkeit der abgebildeten Buchstaben schließlich 35 Prozent erreichte.
Insgesamt benötigte die Datenaufnahme drei Wochen, wobei das Experiment fast 70.000 Mal wiederholt wurde. Damit stellt sich die Frage nach der praktischen Nutzbarkeit des Verfahrens. Die Forscher glauben, dass es in verbesserter und abgewandelter Form dazu genutzt werden könnte, die Deposition von Atomen bei der Atomstahllithographie in Echtzeit zu kontrollieren. Und auch für Grundlagenexperimente in der Quantenphysik sehen sie neue Möglichkeiten. Doch dazu müssten die Atome nicht nur paarweise in ihren Bewegungen korreliert, sondern zudem auch quantenmechanisch verschränkt sein.
Rainer Scharf
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