01.12.2016

Geisterbilder mit Heliumatomen

Neues Abbildungsverfahren nutzt atomare Korrelationen.

Forscher der Austra­lian National Uni­versity ANU in Canberra haben ein Verfahren entwickelt, bei dem Atome ein Objekt abbilden, ohne ihm dabei nahe zu kommen. Es ähnelt dem bekannten „Ghost Imaging“ mit Photonen, indem es anhand der Teilchen­korrelationen ein Bild des Objekts rekonstruiert. Andrew Truscott und seine Mitarbeiter haben eine kleine Metall­maske, in der die etwa fünf Millimeter großen Buchstaben „ANU“ ausgespart waren, mit paarweise korre­lierten Helium­atomen abgebildet. Ein Atom eines jeden Paares flog dabei auf die Maske zu und wurde, falls es sie passieren konnte, von einem Teilchen­detektor zeit- aber nicht ortsaufgelöst registriert. Das andere Atom flog, weit entfernt von der Maske, direkt zu einem orts- und zeit­auflösenden Detektor.

Abb.: Schema des atomaren Geisterabbildungsverfahrens. Nach der Kollision fällt das eine Atom auf einen ort- und zeitauflösenden Detektor M, während das andere Atom die abzubildende Maske passiert und anschließend seine Ankunftszeit vom Detektor B registriert wird. Ein Korrelator C rekonstruiert ein Bild der Maske. (Bild: R. I. Khakimov et al. / NPG)

Aus den gemessenen Ankunfts­orten und -zeiten ließ sich ein detail­liertes Bild der Maske gewinnen. Allerdings mussten die Forscher dazu einige Probleme überwinden. Dies gelang ihnen mit Hilfe eines bemerkens­werten Versuchs­aufbaus, der auch neue Möglich­keiten eröffnet, die Grundlagen der Quanten­physik mit Atomen zu testen. Zunächst stellten Truscott und seine Kollegen ein Bose-Einstein-Kondensat aus etwa einer Million Helium­atomen 4He* her, die im energie­reichen mega­stabilen Zustand 23S1 präpariert waren, sodass man sie mit einem Detektor besonders gut nachweisen konnte. Zudem waren die Atome zunächst im Unter­niveau mit der magne­tischen Quanten­zahl mJ=1 und konnten deshalb magnetisch fest­gehalten werden.

Mit Laserpulsen einer bestimmten Frequenz wurde das Abbildungs­experiment in Gang gesetzt. Durch den Raman-Effekt brachten die Laserphotonen die Atome in den unmagnetischen Zustand mJ=0, sodass diese nicht mehr von der Falle fest­gehalten wurden und sich frei bewegen konnten. Weitere Photonen, die mit den Atomen kollidierten, veränderten deren Impuls in vertikaler Richtung: Es trat der Kapitza-Dirac-Effekt auf, bei dem die Atome an einer stehenden Licht­welle gebeugt werden und je nach Beugungs­ordnung unter­schiedlich große Impuls­änderung erfahren.

Da die Atome nun unter­schiedliche Impulse hatten, konnten sie paarweise kollidieren und dadurch ihre Bewegungen mit­einander abstimmen. Nach der Kollision der Atome expandierte die Atomwolke und bildete mehrere kugel­förmige Halos, die sich durch die vom Kapitza-Dirac-Effekt hervor­gerufene Beugungs­ordnung unter­schieden. Zwei Atome, die miteinander zusammen­gestoßen waren, befanden sich auf diametral gegenüber­liegenden Punkten der jeweiligen Halbkugel.

Abb.: Das rekonstruierte Bild der Maske wird umso besser, je mehr Halos, bestehend Atomen von unterschiedlicher Beugungsordnung, verwendet werden. (Bild: R. I. Khakimov et al. / NPG)

Unter dem Einfluss der Schwerkraft fielen die Atome etwa 85 Zentimeter tief zu einem Atom­detektor herab, der in zwei gleichgroße Bereiche geteilt war. Im einen Bereich wurden die Atome nach Ort und Ankunfts­zeit registriert. Über dem anderen Bereich befand sich die abzu­bildende Metall­maske, die die Atome passieren mussten, bevor sie den Detektor erreichten, der dann nur ihre Ankunfts­zeit feststellte.

Durch Koinzidenz­messung wurden diejenigen Atom­paare ermittelt, bei denen ein Atom die Maske passierte hatte, das andere hingegen nicht. Da die atomaren Impulse korreliert waren, ließ sich aus dem Ankunftsort des Atoms, das der Maske nicht nahegekommen war, Information über die Form der Maske entnehmen. Indem diese Information für Halos mit verschiedenen Beugungs­ordnungen gesammelt wurde, entstand nach und nach ein „Geisterbild“ der Maske, auf dem submilli­metergroße Details sichtbar waren. Die Forscher verwendeten insgesamt neun Halos, wodurch die Sicht­barkeit der abgebildeten Buchstaben schließlich 35 Prozent erreichte.

Insgesamt benötigte die Daten­aufnahme drei Wochen, wobei das Experiment fast 70.000 Mal wiederholt wurde. Damit stellt sich die Frage nach der praktischen Nutz­barkeit des Verfahrens. Die Forscher glauben, dass es in verbesserter und abge­wandelter Form dazu genutzt werden könnte, die Deposition von Atomen bei der Atomstahl­lithographie in Echtzeit zu kontrollieren. Und auch für Grundlagen­experimente in der Quanten­physik sehen sie neue Möglich­keiten. Doch dazu müssten die Atome nicht nur paarweise in ihren Bewegungen korreliert, sondern zudem auch quanten­mechanisch verschränkt sein.

Rainer Scharf

JOL

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