30.08.2007

Gemeinsam tunnelt sich's besser

Forscher aus Mainz haben erstmals Atome beim Paartunneln im Lichtpotential beobachtet.



Forscher aus Mainz haben erstmals Atome beim Paartunneln im Lichtpotential beobachtet.

Der quantenmechanische Tunneleffekts ermöglicht es einem Teilchen, eine unüberwindlich scheinende Potentialbarriere kurzerhand zu durchqueren. Darauf beruht der α-Zerfall eines Atomkerns ebenso wie die Funktionsweise der Tunneldiode. Zwei wechselwirkende Teilchen können auch gemeinsam tunneln, wie etwa Cooper-Paare an Josephson-Kontakten oder Elektronenpaare in Quantenpunkten. Jetzt haben Immanuel Bloch und seine Kollegen von der Universität Mainz erstmals beobachtet, wie Paare von Atomen tunneln.

Zunächst stellten die Forscher ein Bose-Einstein-Kondensat aus etwa 80.000 Rubidiumatomen her, die einem räumlich periodischen Lichtpotential ausgesetzt waren. Das Potential wurde von zwei stehenden Lichtwellen mit 765 nm und 1530 nm Wellenlänge gebildet, wobei die Atome die Bereiche hoher Lichtintensität mieden. Das Lichtpotential hatte die Form eines dreidimensionalen Gitters von symmetrischen Doppelmulden, in denen sich jeweils ein oder zwei Atome befanden. Hohe Potentialbarrieren zwischen den Doppelmulden verhinderten, dass die Atome von einer Doppelmulde zur nächsten gelangten.

Indem die Forscher die beiden stehenden Lichtwellen gegeneinander verschoben, gaben sie den Doppelmulden eine asymmetrische Form. Das führte dazu, dass sich überall die Atome in der jeweils tieferen Mulde sammelten. Dann wurden die Doppelmulden wieder symmetrisch gemacht und die Potentialbarriere zwischen den beiden Mulden soweit abgesenkt, dass die Atome bequem zwischen ihnen tunneln konnten. Nach einer bestimmten Wartezeit schauten die Forscher nach, wo sich die Atome aufhielten. Das Experiment wiederholten sie für unterschiedliche Wartezeiten. So konnten sie über einige Millisekunden hinweg lückenlos verfolgen, wie die Atome zwischen den beiden Vertiefungen der Doppelmulde tunnelten.

In etwa 40 % der Doppelmulden befand sich nur jeweils ein Atom, dessen Tunnelfrequenz im Bereich von einigen kHz lag. Die übrigen Doppelmulden enthielten zwei Atome, die in folgender Weise auf die linke und die rechte Mulde verteilt sein konnten: (2,0), (1,1) und (0,2). Da die Atome einander abstießen, hätte man erwartet, dass sie sich gemäß (1,1) auf beide Mulden verteilten. Doch die anfangs in einer Mulde lokalisierten Atome konnten sich trotz Abstoßung nicht voneinander trennen. Dass die Atome in einem periodischen Lichtpotential durch abstoßende Kräfte aneinander gebunden werden können, hatten Forscher um Rudi Grimm und Peter Zoller im vergangenen Jahr entdeckt. Die Atompaare können demnach nicht zerfallen, weil sie aufgrund der Bandstruktur des Gitters ihre überschüssige Energie nicht abgeben können.

Die Atompaare im Doppelmuldengitter standen vor demselben Problem. Sie mussten zusammenbleiben und konnten nicht einzeln von einer Mulde zu anderen wechseln. Im symmetrischen Doppelmuldenpotential hatten die beiden Atomkonfigurationen (2,0) und (0,2) dieselbe – gegenüber (1,1) deutlich erhöhte – Energie. Diese Resonanz erleichtert das gemeinsame Tunneln der beiden Atome. Tatsächlich konnten Bloch und seine Kollegen beobachten, wie sich die Atome paarweise zwischen den beiden Mulden hin und her bewegten. Die gemessene Frequenz für dieses Paartunneln, die zwischen 0,1 kHz und 10 kHz lag, hing viel stärker von der Barrierenhöhe ab als die Tunnelfrequenz der Einzelatome. Es gab noch einen weiteren Unterschied. Während die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für die Einzelatome wie erwartet sinusförmig zwischen den beiden Mulden oszillierte, zeigte sie für die Atompaare ein wesentlich komplizierteres zeitliches Verhalten. Die Forscher konnten dieses Verhalten mit einem Zweimoden-Bose-Hubbard-Modell zufriedenstellend beschreiben.

In einem hinreichend asymmetrischen Doppelmuldenpotential führte die abstoßende Wechselwirkung zwischen den Atomen dazu, dass die Anwesenheit des einen Atoms den Tunnelprozess des anderen „anschaltete“. Nur wenn sich in der tieferen Mulde schon ein Atom befand, konnte aus der höheren Mulde ein Atom in die tiefere hinübertunneln. Das unterste Energieniveau in der tieferen Mulde wurde durch das anwesende Atom soweit angehoben, dass es mit dem untersten Energieniveau in der höheren Mulde in Resonanz geriet. Eine starke Zunahme der Tunnelwahrscheinlichkeit war die Folge. Mit solch einem „Tunnelschalter“ könnten man gezielt Atome in verschränkte Zustände bringen, auch über verschiedene Gitterplätze des Lichtpotentials hinweg.

Rainer Scharf

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