Geometriefreiheit im Glas
Lasergefertigte 3D-Mikrostrukturen für komplexe photonische Komponenten.
Glas ist ein faszinierender Werkstoff: Er ist transparent und ermöglicht die Bearbeitung im Volumen. Die materialdurchdringende Laserstrahlung ermöglicht dabei eine weitgehende Geometriefreiheit in 3D und die Bearbeitung unterschiedlicher transparenter Materialien. Die Herausforderung steckt im Detail: Um riss- und bruchfreie Ergebnisse zu bekommen sind genaue Kenntnisse der Materialeigenschaften und Bearbeitungsprozesse nötig. Im Projekt „LAR3S – Lasergenerierte dreidimensionale photonische Komponenten“ wollen jetzt das MPI für die Physik des Lichts, das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik und das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ihr spezielles Know-how einsetzen, um gemeinsam das Prozesswissen zu erweitern und neue Technologien für die Fertigung verschiedener 3D-Strukturen mit dem Laser zu entwickeln.
Vor dreißig Jahren wurde die Idee, Glasfasern mit Löchern über die ganze Länge zu produzieren, noch belächelt. Ein Team unter der Leitung des inzwischen emeritierten Direktors des MPL, Philip Russell, hat dafür eine Technologie entwickelt, bei der Glasstäbe oder -rohre zusammengelegt und in die Länge gezogen werden. So lassen sich heute Glasfasern mit bestimmten Querschnitten ziehen, auch Stack-and-draw Verfahren genannt. Mit strukturierten Hohlkern-Fasern können unter anderem sehr intensive Laserstrahlen übertragen werden, die Vollfasern zerstören würden.
Der Aufbau strukturierter Fasern ist mit dem Stack-and-draw-Verfahren meist auf eine hexagonale Geometrie beschränkt. Am Fraunhofer-ILT wird ein patentiertes Verfahren weiterentwickelt, mit dem komplexere und damit möglicherweise vorteilhaftere Strukturen völlig automatisiert gefertigt werden können: das Inverse Laserstrahlbohren. Dabei wird die Laserstrahlung durch ein transparentes Bauteil hindurch auf die Rückseite fokussiert und mittels eines Scanners über die abzutragende Fläche bewegt. Der Laser bohrt also rückwärts ein Loch in das Glas. So lassen sich fast beliebige Strukturen mit großen Aspektverhältnissen in den Faserrohling einbringen, auch andere transparente Materialien stellen kein Problem dar. In Zukunft sollen die Strukturen mit künstlicher Intelligenz am Computer berechnet und mit dem Laser direkt umgesetzt werden.
Vom Fraunhofer-ISC kommt dabei eine wesentliche Kompetenz für die Prozessführung: Das Entfernen der abgetragenen Reststoffe aus den Bohrlöchern. Hierfür werden zusammen mit den Projektpartnern die Laserparameter optimiert sowie physikalische oder chemische Methoden zur Prozessoptimierung entwickelt. Ziel sind Strukturen mit maßgeschneiderten dispersiven Eigenschaften in über zweihundert Millimeter langen Faservorformen.
Ein anderes Verfahren für die Mikromaterialbearbeitung ist das selektive laserinduzierte Ätzen. Dabei wird ein transparenter Werkstoff mithilfe von fokussierter ultrakurz gepulster Laserstrahlung im Volumen und an den Oberflächen rissfrei strukturiert und dadurch die chemischen Eigenschaften so verändert, dass er selektiv ätzbar wird. Durch die Auslenkung des Fokus im Werkstück werden zusammenhängende Bereiche modifiziert. Diese können im zweiten Prozessschritt durch nasschemisches Ätzen entfernt werden. Auch dieser zweigeteilte Prozess ermöglicht eine hohe Geometriefreiheit.
Die Projektpartner wollen das Verfahren vor allem für neue Geometrien in der Herstellung von Laser-Mikroresonatoren optimieren. Solche Submillimeter-Strukturen lassen sich beispielsweise in der Telekommunikation und der Quantentechnologie anwenden. Als Koppler, Konverter oder Sensoren ermöglichen sie die weitere Miniaturisierung und Integration optischer Komponenten.
Fh.-ILT / RK
Weitere Infos
- Mikrophotonik, Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, Erlangen
- Oberflächen, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung, Würzburg
- Abt. Festkörperlaser, Fraunhofer-Institut für Lasertechnik, Aachen