02.10.2020 • Energie

Geothermie: Ein Teststand für Bohrsimulationen

Neue Anlage kann alle Prozesse einer Bohrung bis fünftausend Meter Tiefe physisch simulieren und untersuchen.

Zur Erschließung unterirdischer Heiß­wasser­reservoire dringen Bohr­werk­zeuge tief in die Erd­kruste ein. Wegen der extremen Druck- und Temperatur­bedingungen sind diese Verfahren aufwändig und kosten­intensiv. Ein Forschungs­team der Fraunhofer-Gesell­schaft hat jetzt einen Teststand entwickelt, der eine Simulation der Bedingungen in mehreren Tausend Metern Tiefe erlaubt. Die Analyse der Daten hilft, Bohrungen schon bei der Planung zu optimieren, neuartige Bohrtools zu testen und ökonomische Risiken zu minimieren. Geothermie-Anwendungen werden noch effizienter – ein wichtiger Beitrag zur Energiewende.

Abb.: Wie verhält sich ein Gestein bei extremem Druck? Mit diesem Test­stand...
Abb.: Wie verhält sich ein Gestein bei extremem Druck? Mit diesem Test­stand können Forscher diese Frage nun deut­lich schneller und öko­no­mischer beant­worten. (Bild: Fh.-IEG)

Schon bei einer Bohrtiefe von drei­tausend Meter kann die Temperatur gut einhundert Grad Celsius betragen. Hinzu kommen unter­schied­liche Gesteins­arten wie Granit, Quarzsand, Sandstein, Kalk- oder Tonstein. Deren jeweilige Eigen­schaften wie Härte und Dichte lassen jedes Gestein anders reagieren, wenn der Bohrmeißel darauf trifft. All diese Faktoren machen die Bohrung und Förderung aufwändig und erfordern eine sorgfältige Planung. Die Fraun­hofer-Einrich­tung für Energie­infra­strukturen und Geothermie IEG hat dafür die Lösung „match.BOGS“ entwickelt und in Betrieb genommen. Dabei handelt es sich um einen In-situ-Teststand, der aus drei Modulen besteht: dem Autoklav i.BOGS, dem Bohrmodul drill.BOGS und dem Modul fluid.BOGS zur Herstellung synthetischer Fluide. Die Anlage kann alle Prozesse einer Bohrung bis fünf­tausend Meter Tiefe physisch simulieren und unter­suchen. Eine Reihe von Sensoren, beispiels­weise akustische, thermische und optische, messen die Vorgänge im Inneren des Autoklavs und liefern zahl­reiche Daten.

Deren Analyse wiederum ermöglicht Rück­schlüsse über die optimale Ein­stellung und Kontrolle der Bohr­werk­zeuge. „Die Bohrungen lassen sich damit besser planen und Ein­stellungen wie Wahl des Bohr­werk­zeugs, Umdrehungszahl oder Druck schon im Vorhinein optimieren“, erklärt Volker Wittig, Leiter Advanced Drilling Techno­logies an der Fraunhofer-IEG. Probe­bohrungen am Standort werden überflüssig.

Der Autoklav i.BOGS wurde exklusiv für das Forscher­team am IEG nach dessen Vorgaben entwickelt und gebaut. Er nimmt Gesteins­proben mit einer Länge von drei Metern und einem Durch­messer von bis zu 25 Zenti­metern auf. Im Inneren wird ein Druck von bis zu 1250 bar aufgebaut, die Temperatur steigt auf 180 Grad Celsius. Damit simuliert der Druck­behälter Bedingungen wie sie auch in fünf­tausend Metern Tiefe herrschen. Insgesamt 25 Schrauben mit jeweils 9 Kilo und eine Wand­stärke von 20 Zentimeter sorgen dafür, dass der Behälter den enormen Belastungen standhält. Bei Bedarf können auch spezielle Bohrloch-Tools oder Pumpen integriert und getestet werden.

Im Bohrmodul liefern zwei Hydraulik­zylinder eine Vorschub­kraft von bis zu 400 kN. Ein Elektro­motor treibt die Bohr­stange mit einem Dreh­moment von 12 kNm ins Gestein. Die Mess-, Steuer- und Regelungs­technik sorgt dafür, dass der Vorgang voll­auto­matisch verläuft. Das Modul lässt sich mit unter­schied­lichen Werk­zeugen bestücken. So können die Forscher neben den herkömm­lichen Meißeln, die mit mechanischer Zerstörung arbeiten, auch neuartige Tools testen. Diese tragen beispiels­weise das Gestein mit Hoch­spannungs­impulsen ab, beschießen es mit Lasern oder erhitzen die Gesteins­ober­fläche, damit es leichter bricht. „Das kontakt­lose Bohren schont die hoch­wertigen Werkzeuge und verlängert deren Lebens­dauer“, sagt Wittig. Die Tests an der Fraunhofer-IEG leisten damit einen Beitrag zur Weiter­entwick­lung der Bohr­werk­zeuge.

Das Wasser aus unter­irdischen Reservoirs wird in der Geothermie in einem geschlossenen Kreislauf an die Ober­fläche gefördert, dient hier als Heiß­wasser zur Wärme­gewinnung oder treibt Dampf­turbinen für die Strom­erzeugung an. Die abgekühlte Flüssigkeit fließt danach wieder in ein unter­irdisches Reservoir zurück, um sich da wieder aufzu­heizen. „Deshalb muss auch das Verhalten von Flüssig­keiten beim Hoch­pumpen im Test simuliert werden“, erklärt Tilman Cremer, wissen­schaftlicher Mitarbeiter an der Fraunhofer-IEG. Dabei können aus diesen Geofluiden parallel zur geothermischen Anwendung möglicher­weise wert­volle Rohstoffe abge­schieden und gewonnen werden. Dement­sprechend sorgt das Modul fluid.BOGS für die Zufuhr von synthetischen Fluiden. Deren Strömungs­verhalten im Zusammen­spiel mit den Gesteins­proben wird ebenfalls im i.BOGs unter­sucht.

Die Wissen­schaftler der Fraunhofer-IEG untersuchen dabei authen­tische Fluid­proben aus Reservoiren der Wahl und stellen diese Fluide auch selbst her. Es wird dazu beispiels­weise ein genau berechnetes Gemisch aus Wasser und Bestand­teilen wie Chlor, Kalzium, Magnesium und diversen Mineralien in den i.BOGS geleitet. So kann das Team die Durch­strömungs­prozesse im Autoklav studieren und auswerten. Auch für den eigent­lichen Bohrbetrieb sind spezielle Flüssig­keiten, die Drill Muds, unver­zichtbar. „Die Fluide dienen einerseits zur Schmierung, Spülung und Kühlung der Werkzeuge, anderer­seits aber zentral als Transport­mittel für das gelöste Gestein“, erklärt Wittig.

Die Verknüpfung der drei Module und die vielen Konfigura­tions­möglich­keiten machen den Teststand einzig­artig. Druck, Temperatur, Strömungs­geschwin­dig­keit, die Zusammen­setzung der Gesteins­proben, das Mischungs­verhältnis der Fluide – die Wissen­schaftler können jeden Parameter unabhängig von den anderen ein­stellen. So lassen sich unter­schied­lichste Bedingungen simulieren und daraus exakte Planungs­daten für reale Bohr­vor­haben generieren.

Für das Forscherteam an der Fraunhofer-IEG sind die Arbeiten für den Testbetrieb aufwändig. Zunächst muss der Autoklav mit Gesteins­proben befüllt werden. Dann werden Druck und Temperatur schritt­weise hoch­ge­fahren, die Bohr­werk­zeuge einge­stellt und die Fluide vorbereitet. In der Regel dauert es einen ganzen Tag, bis die Simulation startet. Doch der Aufwand lohnt sich, denn für die Bohr­industrie entstehen viel­fältige Vorteile. Sind die spezi­fischen Bedingungen an einem Standort erst einmal in der Simulation ausge­testet, erhalten die Betreiber höhere Planungs­sicher­heit. Der Bohr­betrieb wird effizienter, da alle Werkzeuge von vorn­herein optimal einge­stellt sind. Die Betreiber können so letztlich Millionen Euro einsparen. Diese Optimierungs­maßnamen bei der Geothermie tragen dazu bei, die Energie­wende insgesamt noch ökonomischer und effizienter zu gestalten.

FG / RK

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