08.01.2019

Geschmolzen, nicht gefräst

Fortschritte bei additiver Fertigung dank neuer Lasertechnik.

Wo gehobelt wird, fallen Späne. Und wo Metalle geformt werden, fliegen die Funken. Letzteres verändert sich jedenfalls nicht, wenn neue Produktions­methoden Einzug halten in die Fabrik­hallen der Welt. Nur der Maß­stab, in dem es funkt, wird etwas kleiner. Denn statt heißer Roh­masse oder gehärteten Werk­stoffen führt der Laser Regie. Und der schichtet Ebene um Ebene, Mikro­meter um Mikro­meter an Metall- oder Kunst­stoff­pulver aufeinander und verschmilzt diese – bis zum fertigen Produkt.

Abb.: Additive manufacturing (Bild: Porsche AG)
Abb.: Additive manufacturing (Bild: Porsche AG)

Das „additive manufacturing“ – umgang­sprachlich gern als 3D-Druck bezeichnet – ist auf dem Weg, die Ideen der digitalen Welt greifbar zu machen. Christian Thönes, Vorstands­vorsitzender des Werk­zeug­maschinen­herstellers DMG Mori, sieht in diesem Verfahren den physikalischen Arm der Digitalisierung: „Additive manufacturing materialisiert die Ideen der Ingenieure und macht optimale Entwürfe aus der digitalen Welt in der realen Welt her­stellbar.“ So müssten additiv gefertigte, komplexe Bauteile zum Beispiel nicht mehr aus achtzig Einzel­teilen bestehen, sondern könnten als ein einziges, zusammen­hängendes Stück produziert werden. Und die Form spielt dann auch keine Rolle mehr. Der Natur entlehnte Strukturen könnten den Weg weisen zu einer effektiveren Gestaltung von Kühlern, die beispiels­weise Batterie­packs oder Brenn­stoff­zellen umgeben und die trotz eines viel kleineren Bau­volumens den doppelten Wirkungs­grad traditionell gefertigter Komponenten bieten.

Geometrie und Physik setzen der konventionellen, „zerspanenden“ Fertigung mit Drehen oder Fräsen klare Grenzen. Zum Beispiel lässt sich eine Hohl­welle mit innen­liegender Verrippung als reines Dreh­teil gar nicht – und mit der Kombination aus Drehen und Fräsen nur sehr eingeschränkt – herstellen. Dafür ist mindestens die Kombination mehrerer Einzel­teile nötig. Additive Fertigungs­methoden erzeugen aus Metall- oder Kunst­stoff­pulver und Laser­energie neue, hoch belast­bare und ebenso komplexe Bauteile. Im Entwicklungs­zentrum Weissach erforschen Porsche-Ingenieure genau solche Verfahren, zum Beispiel um die Rotor­welle eines Elektro­motors herzustellen.

Wie das im Detail funktioniert? Aktuell gibt es zwei Methoden: Beim Pulver-Düse-Verfahren wird Metall­pulver über einen Gas­strom einer Düse zugeführt. Die Düse und ein Laser­strahl fokussieren denselben Punkt, an dem das Metall­pulver vom Laser geschmolzen wird – dabei lässt sich der Produktions­kopf aus Düse und Laser in bis zu fünf Achsen steuern. Beim Pulver­bett­verfahren schmilzt ein Laser das flächig aus­gebrachte Metall­pulver punktuell, wodurch das Bau­teil in mehreren Schichten von zwanzig bis hundert Mikro­metern Stärke in die Höhe wächst. So lassen sich nahezu alle erdenk­lichen Formen produzieren.

Die Vorteile von additiv gefertigten Werkzeugen: Dank exakt berechneter und umgesetzter Anforderungen sind sie dauer­haft belast­bar und außerdem sorten­rein im Recycling am Ende ihres Lebens­zyklus. Kein Wunder also, dass auch DMG Mori-Chef Thönes von dieser neuen Technologie begeistert ist. Denn additiv gefertigte Teile bieten noch einen weiteren großen Vorteil: Sie ermöglichen die im Fahrzeug­bau entscheidende Gewichts­ersparnis. „Es kommt ja zunehmend darauf an, Bau­teile leichter zu machen“, führt Thönes aus. „Das hilft den Auto­mobil­herstellern, den Treib­stoff­verbrauch zu reduzieren und den Kohlen­dioxid-Ausstoß zu senken.“

Allerdings weist er auf beide Seiten der Medaille hin: „Einer­seits sind die Möglich­keiten nahezu grenzenlos. Wir können viel Gewicht einsparen, Funktionen optimal gestalten und absolut individuelle Bau­teile realisieren. Anderer­seits stellt die Produktivität noch eine der großen Heraus­forderungen dar.“ Wenn es um die Produktions­geschwindigkeit geht, haben klassische Pressen, Fräsen oder Guss­verfahren nämlich derzeit noch die Nase vorn. Diese Erfahrung haben auch die Porsche-Ingenieure in Weissach gemacht: „Noch dauert es bis zu 13 Stunden, um solch eine Rotor­welle auszudrucken“, weiß Frank Ickinger, Vor­entwicklung Motor.

Doch auch daran arbeiten die Ingenieure. Zum einen forschen sie mit Hoch­druck daran, den additiven Aufbau von Werk­stücken zu beschleunigen. Zum anderen optimieren die Entwickler permanent das Zusammen­wirken von Teilen aus klassischer Produktion mit solchen, die mit den innovativen Methoden produziert werden. Und dank der neuen Technologie lassen sich unter­schiedliche Materialien häufig leichter miteinander verbinden. „Eine Laser­leistung, die fokussiert einige Tausend Grad Celsius erzeugt, kann zum Beispiel Edel­stahl und Kunst­stoff mit­einander verschmelzen“, erläutert Thönes.

Die enge Verzahnung innovativer Produktionstechniken mit moderner Informations­technik ist für den Manager ein Bau­stein für die Fabrik der Zukunft. Die Art und Weise, wie Werk­stücke und letztlich komplette Fahrzeuge künftig produziert werden, wird unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ zusammen­gefasst. Gemeint ist damit, dass die Kontrolle der Produktion durch Computer weit über die Ansteuerung von Fräs­maschinen oder Industrie­robotern hinaus­geht und letztlich alle Maschinen und Stationen der Produktion mit­einander vernetzt. Davon profitieren nicht nur Fahrzeug­hersteller wie Porsche, auch den Kunden bietet die zukünftige vernetzte Produktion hand­feste Vorteile. So können beispiels­weise individuelle Kunden­wünsche direkt in der Produktion erfüllt werden – und nicht erst in nach­gelagerten Ver­edelungs- oder Manufaktur­prozessen. Zudem werden Änderungen von Sonder­ausstattungen, Farben, Felgen und Materialien durch den Kunden künftig bis unmittel­bar vor Produktions­beginn möglich sein.

Für Christian Thönes steht jedoch fest: „Bei allen Vorteilen des additive manufacturing ist klar: Traditionelle Fertigungs­verfahren wie Drehen oder Fräsen bleiben auch in Zukunft bestehen.“ Genauig­keiten unter 0,1 Millimeter werden weiter von klassischen, hoch­präzisen Werkzeug­maschinen gewährleistet.

Porsche AG / DE

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