13.11.2018

Gespiegelte Moleküle

Optische Zentrifugen könnten maßgeschneiderte Spiegelmoleküle erzeugen.

Die Erforschung der Chiralität führt nicht nur zu einem noch besseren Verständnis der Natur, sondern kann auch neuartigen Materia­lien und Methoden den Weg ebnen. Viele Moleküle existieren in zwei Versionen, die Spiegel­bilder voneinander sind. Nun haben Wissen­schaftler eine neue Methode entwickelt, um maßge­schneiderte Spiegelmoleküle herzu­stellen. „Aus unbekannten Gründen bevorzugt das Leben, wie wir es auf der Erde kennen, fast aus­schließlich linkshändige Proteine, während die berühmte Doppel­helix des Erbguts rechtsherum gewunden ist“, erläutert Andrey Yachmenev, der diese theo­retische Studie in Küppers Gruppe am Center for Free-Electron Laser Science CFEL geleitet hat.

Abb.: Durch schnelle Rotation verlieren symmetrische Molekül ihre Symmetrie: Bindungen entlang der Rotationsachse sind dann kürzer als andere. Je nach Drehrichtung entstehen zwei spiegelbildliche Formen. (Bild: A. Yachmenev, DESY)

„Seit mehr als einem Jahr­hundert enträtseln Forscher Stück für Stück die Geheimnisse dieser Händigkeit in der Natur, die nicht nur die belebte Welt betrifft: Spiegel­versionen mancher Moleküle können auch chemische Reaktionen oder Material­eigenschaften verändern“, sagt Yachmenev. So gibt beispiels­weise die rechts­drehende Form der orga­nischen Verbindung Carvon Kümmel seinen charak­teristischen Geschmack, die links­drehende Form dagegen der Minze. Die Chiralität tritt nur in einigen Molekül­arten natürlich auf. „Sie lässt sich jedoch künstlich in kreisel­symmetrischen Molekülen induzieren“, sagt Alec Owens vom Center for Ultrafast Imaging (CUI). „Lässt man diese Moleküle schnell genug rotieren, verlieren sie ihre Symmetrie und bilden je nach Dreh­richtung eine von zwei Spiegel­formen. Über dieses Phänomen der Rotations­chiralität ist bisher nur sehr wenig bekannt, da es kaum experi­mentell umsetzbare Verfahren gibt, sie zu erzeugen."

Küppers Team hat nun rech­nerisch einen Weg gefunden, diese rotations­induzierte Chiralität mit realis­tischen Parametern im Labor zu erzeugen. Dabei kommen korkenzieher­förmige Laserpulse zum Einsatz, die als optische Zentri­fugen fungieren. Am Beispiel von Phosphin zeigen die quanten­mechanischen Berechnungen, dass bei Drehraten von einigen Billionen Mal pro Sekunde diejenige Phosphor-Wasserstoff-Bindung, um die sich das Molekül dreht, kürzer wird als die beiden anderen Bindungen. Je nach Drehrichtung entstehen dabei zwei chirale Formen – Enan­tiomere – von Phosphin. „Mit einem starken statischen elek­trischen Feld kann die links- oder rechts­händige Version des rotierenden Phosphins ausgewählt werden“, erläutert Yachmenev.

Diese Methode verspricht einen völlig neuen Weg in die Spiegelwelt, da sie im Prinzip auch mit anderen, schwereren Molekülen funktionieren würde. Um bei diesen eine Rotations­chiralität zu induzieren, würden sogar schwächere Laser­pulse und schwächere elek­trische Felder genügen. Für die erste Phase der Studie wählten die Forscher Phosphin, weil schwerere Moleküle zunächst noch zu komplex für die exakten quanten­mechanischen Berechnungen waren. Da Phosphin sehr giftig ist, würden solche schwereren und auch lang­sameren Moleküle für Experimente jedoch bevorzugt werden.

Das vorge­schlagene Verfahren könnte maßge­schneiderte Spiegelmoleküle liefern. Die Untersuchung ihrer Wechsel­wirkungen mit der Umwelt, zum Beispiel mit pola­risiertem Licht, kann helfen, die Geheim­nisse der Händigkeit in der Natur weiter zu lüften und mögliche Anwen­dungen zu erforschen, wie Küpper betont: „Die so ermöglichte genauere Erforschung der Händigkeit kann zur Entwicklung maßge­schneiderter chiraler Moleküle und Materialien, zu neuen Materie­zuständen und zu einer möglichen Nutzung der rotations­induzierten Chiralität in neuartigen Meta­materialien oder optischen Geräten beitragen.“

DESY / JOL

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