23.08.2017

Gesunde Superposition

Physikalische Eigenschaften von Vitaminen über Abfolge von Gittern vermessen.

In der Quantenphysik breiten sich unbeobachtete Teilchen wie ausgedehnte Wellen im Raum aus. Dieses Phänomen ist sowohl philosophisch spannend als auch von technologischer Relevanz: Ein Forschungsteam der Universität Wien um Markus Arndt konnte an einer Reihe von Vitaminen zeigen, dass die Kombination von experimenteller Quanten­interferometrie und Quanten­chemie erlaubt, Informationen über die optischen und elektronischen Eigenschaften von Bio­molekülen zu gewinnen – mittels eines „Quantenlineals".

Abb.: Natürlich vorkommende Vitamine lassen sich in spezifischen Quantenzuständen präparieren, die dann die Messung molekularer elektronischer Eigenschaften erleichtern. (Bild: C. Knobloch, QNP Group, U. Wien)

Obwohl Vitamine eine zentrale Rolle in der Biologie spielen, sind ihre physikalischen Eigenschaften in der Gasphase noch wenig untersucht. Lukas Mairhofer, Sandra Eibenberger und Kollegen in der Forschungs­gruppe um Markus Arndt zeigen das Potenzial quanten­basierter Methoden zur Untersuchung von Biomolekülen. Sie erzeugten dafür Molekül­strahlen aus den (Pro)Vitaminen A, E und K1 – also β-Carotin, α-Tocopherol und Phyllochinon. Diese Moleküle fliegen im Hochvakuum durch eine Anordnung von drei Nanogittern. Das erste Gitter zwingt jedes Molekül durch einen von tausenden Spalten, die nur 110 Nanometer breit sind. Die Einengung der Position des Moleküls sorgt nach Heisenbergs Unschärferelation für eine große Unbestimmtheit seiner Ausbreitungs­richtung – das Molekül wird räumlich „delokalisiert". Der Bewegungs­zustand jedes einzelnen Moleküls wird so präpariert, dass es prinzipiell nicht mehr möglich ist, seinen Weg durch das Experiment zu verfolgen.

Das zweite Gitter ist der Strahl eines grünen Hochleistungs­lasers, der von einem Spiegel in sich selbst reflektiert wird. Dadurch bildet sich eine stehende Lichtwelle, bei der sich periodisch Regionen hoher Licht­intensität mit Dunkelheit abwechseln. Jedes Molekül ist am zweiten Gitter schon so weit delokalisiert, dass seine Wellenfunktion mehrere Hell- und Dunkelzonen überstreicht, obwohl diese hundert Mal weiter auseinander­liegen, als das Molekül groß ist. In den Zonen mit mehr und weniger Licht wird das Molekül mehr oder weniger abgelenkt und die ausgedehnte quanten­mechanische Wellenfront wird moduliert. Da das Molekül nicht nur einen Pfad nimmt, sondern in einer Überlagerung von möglichen Wegen durch die Apparatur läuft, entsteht ein Interferenz­muster, d.h. eine periodische Verteilung der Wahrscheinlichkeit, das Molekül an einem bestimmten Ort anzutreffen. Dieses wird mit dem dritten Gitter verglichen, das wie das erste aus Silizium-Nitrid gefertigt ist.

Die ultra-feine Struktur des Interferenzmusters wird als eine Art Quanten­lineal verwendet, das es erlaubt, winzige Ablenkungen von wenigen Nanometern auszulesen. Die Modulation und Position des Interferenz­musters lässt Schlüsse auf die Wechselwirkung der Biomoleküle mit äußeren Feldern zu. Das gilt für die Wechselwirkung sowohl mit dem beugenden Laserstrahl als auch mit einem kontrollierten elektrischen Feld, welches das molekulare Dichte­muster verschiebt. Die Wissenschaftler nutzen das Quantenlineal zur Bestimmung elektronischer und optischer Eigenschaften biologisch relevanter Moleküle der (Pro)Vitamine A, E und K1. Pro-Vitamin A spielt beispielsweise eine wichtige Rolle in der Photosynthese. „Wir haben hiermit ein universelles Werkzeug, das uns hilft, die Eigenschaften von Biomolekülen besser zu vermessen", so der Erstautor der Studie, Lukas Mairhofer.

Die experimentellen Ergebnisse wurden mit Berechnungen elektronischer Molekül­eigenschaften verglichen. Dafür wurde klassische Molekül­dynamik, in der die zeitliche Entwicklung der Molekül­struktur verfolgt wird, mit der Dichte­funktional­theorie kombiniert, in der die elektronischen Eigenschaften berechnet werden. Dieses Vorgehen ergibt eine gute Übereinstimmung von Experiment und Theorie. Die Kombination von Molekülinterferometrie und Quantenchemie ist somit ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Zusammen­arbeit an der Schnittstelle zwischen Quanten­optik und Physikalischer Chemie.

U. Wien / DE

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