Getarnte Wasserwellen
Metamaterialien und ausgeklügelte Strukturen zeigen verblüffende Tarnkappen-Effekte.
Mit Tarnkappen unterschiedlichster Bauart lassen sich Schall-, Mikro- und Lichtwellen bereits wirkungsvoll abschirmen. Meist jedoch nur in einem stark begrenzten Wellenlängenbereich. Möglich ist dies mit symmetrisch aufgebauten Metamaterialien aus filigranen Strukturen im Mikro- und Nanometerbereich. Eine weitere Wellenart nahmen nun gleich zwei Forschergruppen in China und Südkorea ins Visier. Sie entwickelten zwei verschiedene Tarnkappenkonzepte für Wasserwellen. Damit konnten Abschirmungseffekte erstmals mit einem passiven System erreicht werden. Bisher waren aktive Elemente wie etwa Mikropumpen dazu nötig. Die Wissenschaftler konnten auf der Basis aufwendiger Computersimulationen beide Ansätze im Laborexperiment praktisch umgesetzen. Die möglichen Anwendungen reichen von der Mikrofluidik und Lab-on-Chip-Systemen bis hin zu wellenfreien Liegeplätzen im Hafen.
Auf Wasserströmungen im Mikromaßstab fokussierten sich Jae Ryoun Youn von der Seoul National University und seine Kollegen. Analog zu den symmetrisch aufgebauten Tarnkappen für elektromagnetische Wellen konzipierten die Wissenschaftler eine winzige Tarnkappe für Wasserwellen. Nach ausgiebigen theoretischen Abschätzungen und Berechnungen im Computer entwickelten sie ihren Tarnkappen-Bauplan, abgestimmt auf die Viskosität von Wasser: Gut 500 nur einige Mikrometer kleine Säulen ordneten sie dazu in zehn konzentrischen Kreisen um einen abzuschirmenden Bereich an. In ersten Experimenten überprüften die Forscher, wie sich Wasserwellen inner- und außerhalb der Säulenkreise ausbreiteten oder gedämpft wurden.
Die Versuche bestätigten die Computersimulationen und zeigten, dass einströmende Wasserwellen sich vielfach an den Säulenkreisen brachen. Dank des symmetrischen Aufbaus überlagerten sich die Wellen vor allem zwischen den Säulen. Bis in den inneren Bereich jedoch konnte sich keine einzige Welle ausbreiten und der Wasserspiegel blieb dort bewegungslos. Zudem wirkten sich die Säulenringe auf die Ausbreitung der Wellen außerhalb aus: Die Wellen breiteten sich um die Säulenringe aus als ob diese überhaupt nicht vorhanden wären, die Fortpflanzung der Wellen wurde von den zahlreichen Säulen überhaupt nicht gestört. Darin liegt der wesentliche Unterschied zu einer simplen Abschirmung mit einer starren, durchgehenden Wand. Diese würde zwar auch Wellen vom inneren Bereich abhalten, doch parallel auch die Wellenausbreitung außerhalb stark beeinflussen.
Auf große Wasserwellen etwa in Häfen wirkt dagegen das Tarnkappen-Konzept von Zhenyu Wang und sein Team von der Zhejiang University in Hangzhou. Wie ihre koreanischen Kollegen simulierten auch die chinesischen Forscher in vielen Berechnungen, wie sich Wasserwellen effektiv abschirmen ließen. Ihr Resultat: Anstelle von Säulen nutzten sie zwei lang gestreckte Stahlstrukturen, die eine abzuschirmende Zone in der Mitte flankierten. Die Strukturen ähnelten einer doppelten Rampe, wodurch sich die Tiefe des Wassers über ihnen gezielt variieren ließ. Bewegten sich nun in einem sechzig Meter langen Versuchstank Wasserwellen entlang dieser flankierenden Doppelrampen, verstärkte sich die Wellenbewegung an den Rändern. Doch im mittleren Bereich blieb die Wasserfläche dagegen weitestgehend wellenfrei. Diesen verblüffenden hydrodynamischen Effekt konnten Wang und Kollegen mit einem Modellboot eindrucksvoll demonstrieren. Verantwortlich dafür waren nach Aussage der Forscher „gefangene Zustände“ (trapped modes) analog zu ähnlichen Zuständen in optischen Metamaterialien.
Mögliche Anwendungen sehen Wang und Kollegen im Hafenbau. Bei bekannten Dimensionen und Wellenhöhen könnte eine im Wasser versenkte Doppelrampe die Liegeplätze für Schiffe an der Kaimauer wellenfrei halten. Das Konzept der filigranen Säulenkreise von Jae Ryoun Youn eignet sich im Vergleich eher für winzige Flüssigkeitsströme wie sie in Lab-on-Chip-Systemen vorkommen. Zudem halten die Forscher auch eine Anwendung für die Verringerung des Fließwiderstands bei Schiffen für möglich. Beide Ansätze funktionieren bisher jedoch nur für gleichmäßige Wellenbewegungen in laminaren Strömungen.
Jan Oliver Löfken
Weitere Infos
- Originalveröffentlichungen
J. Park et al.: Hydrodynamic Metamaterial Cloak for Drag-Free Flow, Phys. Rev. Lett. 123, 074502 (2019); DOI: 10.1103/PhysRevLett.123.074502 -
Dept. of Materials Science and Engineering, Seoul National University, Seoul
-
College of Civil Engineering and Architecture, Zhejiang University, Hangzhou
JOL