Gezupfte Bindungen
Physiker regen einzelne chemische Bindungen eines Moleküls mit einem Rasterkraftmikroskop an.
Es bietet atemberaubende Bilder von Molekülen und Oberflächen auf atomarer Ebene – das Rasterkraftmikroskop. Darüber hinaus kann es zur Anregung molekularer Systeme verwendet werden. Eine energetische Anregung ist der entscheidende Schritt für die Herstellung und das Aufbrechen chemischer Bindungen und tritt bei allen chemischen Reaktionen auf. Physiker der Universität Regensburg haben nun ein einzelnes Kohlenstoffmonoxid-Molekül an der Spitze ihres Rasterkraftmikroskops befestigt und die Spitze parallel über ein größeres Molekül bewegt.
Die Forscher um Jay Weymouth konnten zeigen, dass das Kohlenstoffmonoxid-Molekül an der Spitze mit den chemischen Bindungen des größeren Moleküls wechselwirkt – und zwar jeweils nur mit einer einzelnen Bindung. Diese neue Methode erlaubt es den Wissenschaftlern, Paare von aneinander gebunden Atomen mechanisch anzuregen und die zur Anregung nötige Energie zu bestimmen.
Bereits im Jahr 2009 berichteten Wissenschaftler von IBM in der Schweiz, dass durch das gezielte Anfügen eines Kohlenstoffmonoxid-Moleküls an die Spitze eines Rasterkraftmikroskops die innere Struktur von Molekülen abgebildet werden kann. Für die Anregung chemischer Bindungen ist jedoch eine Variation dieser Methode notwendig. Die Regensburger Wissenschaftler bewegten die Kohlenstoffmonoxid-terminierte Spitze in lateraler Richtung. Sie fanden heraus, dass das Kohlenstoffmonoxid-Molekül an der Spitze sich vor einer chemischen Bindung zunächst wie eine Feder biegt und dann zur anderen Seite der Bindung überspringt.
„Ich stelle mir das Kohlenstoffmonoxid-Molekül wie ein Plektrum vor, das anstatt an einer Gitarrensaite an einer chemischen Bindung zupft“, sagt Weymouth, „Im Gegensatz zu anderen Techniken regen wir jedoch nicht das gesamte Molekül, sondern vielmehr eine bestimmte Bindung an“. Diese einzigartige Entwicklung erlaubt die gezielte Anregung individueller Bindungen mit einer bestimmten Energie. Weymouth geht davon aus, dass künftige Anwendungen die optische Detektion von Molekülschwingungen beinhalten könnten. Das Verständnis über das Verhalten der molekularen Komponenten in chemischen Reaktionen könnte dadurch verbessert werden und eine bessere Kontrolle derselben ermöglichen.
U. Regensburg / JOL