02.11.2005

Gigantisches Auge

Am 9. und 10. November 2005 wird das South African Large Telescope (SALT) eingeweiht.




Am 9. und 10. November 2005 wird das South African Large Telescope (SALT) eingeweiht

Göttingen/Sutherland (Südafrika)- Über 90 Prozent der Materie und Energie im Weltall ist dunkel, leuchtet nicht, strahlt nicht und ist trotzdem da. Astronomen des Instituts für Astrophysik der Universität Göttingen erforschen mit ihrem Blick ins All auch das, was nicht zu sehen, und das, was längst vergangen ist. Denn das Licht der fernsten Sterne braucht Milliarden von Jahren, bevor es SALT erreicht, das "South African Large Telescope". Nach fünf Jahren Bauzeit kann das neue Großteleskop der 10-Meter-Klasse jetzt in Betrieb genommen werden. SALT ist das größte optische Einzelteleskop auf der Südhalbkugel der Erde und wird in seinen Dimensionen nur erreicht vom - weitgehend baugleichen - Hobby-Eberly-Teleskop (HET) in Texas. Damit bleiben jetzt 70 Prozent des Himmels sowohl auf der Südhalbkugel (SALT) als auch auf der Nordhalbkugel (HET) im Laufe einer Nacht astronomischen Beobachtungen zugänglich.

Die feierliche Einweihung durch den südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki am 9. und 10. November 2005 erfolgt im Beisein des Generalsekretärs der VolkswagenStiftung Dr. Wilhelm Krull und von Professor Dr. Horst Kern als Vertreter des Präsidiums der Universität Göttingen. Die VolkswagenStiftung hat den Bau des "gigantischen Auges" mit rund 1,15 Millionen Euro aus dem Niedersächsischen Vorab unterstützt; weiterer Förderer auf deutscher Seite ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Universität Göttingen ist als einzige deutsche Forschungseinrichtung direkt an SALT beteiligt und einer der Hauptnutzer. Neben den Niedersachsen partizipieren noch Hochschulen aus Polen, Neuseeland und Großbritannien sowie mehrere Spitzenuniversitäten der USA.

Hintergrund SALT
Das "Southern African Large Telescope" steht in der Nähe des kleinen Ortes Sutherland in der Karoo-Wüste. Dort, 400 Kilometer nordöstlich von Kapstadt, waren die Sterne schon immer wichtig. Der leuchtende Himmel half dem hier seit vermutlich mehr als 25.000 Jahren lebenden Volk der Buschleute bei ihrer Orientierung in der weglosen Wüste; die "/Xam" nutzten die Sternbilder, um die Saison zu bestimmen für die Nutzung von Pflanzen und das jeweils jagdbare Wild. Noch heute ist die Karoo-Wüste äußerst schwach besiedelt, außerdem sehr trocken. Dementsprechend dunkel und klar sind die Nächte. Ideale Bedingungen für den Blick ins All. "Der Anblick des Südhimmels von dort mit dem Kreuz des Südens, mit dem riesigen Zentralbereich der Milchstrasse, unserer Heimatgalaxie, und ihren beiden nahe gelegenen Begleitgalaxien, den Magellanschen Wolken, ist schon mit dem bloßen Auge überwältigend", schwärmt Astrophysiker Kollatschny, der Mitglied im Board of Directors bei SALT ist. Das Großteleskop soll künftig Einzelobjekte und Sternsysteme sichtbar machen, die bis zu einer Milliarde Mal schwächer sind. "Es könnte eine Kerzenflamme auf dem Mond entdecken", sagt der Wissenschaftler.

Forschung:
Die Entfernung der Sternsysteme erahnen wir oft schon aus ihrer Farbe. Unzweifelhaft bestimmen lässt sie sich aber über die Rotverschiebung der Linien in dem spektral - zu kleinen "Regenbögen" - zerlegten Licht. Denn die Lichtwellen werden mit der Expansion des Universums, das sich gemäß derzeit vorherrschender Urknalltheorie seit etwa 15 Milliarden Jahren in alle Richtungen ausdehnt, ebenfalls gedehnt. Je weiter nun ein Objekt entfernt ist beziehungsweise je früher es sein Licht ausgesandt hat, umso mehr werden Farben und Spektren in Richtung der roten Wellenlängen verschoben. Das Licht von Objekten mit den bisher größten beobachteten Rotverschiebungen ist schon beinahe das ganze Weltalter unterwegs: Es wurde ausgesandt, als das Universum erst ein Alter von fünf Prozent des heutigen hatte - nur einige 100 Millionen Jahre nach dem Urknall. Das heißt, mit SALT blicken wir in das frühe Universum, als sich die sichtbaren Strukturen unter dem Einfluss der oben erwähnten Dunklen Materie und Energie aus der "Ursuppe" der Materie bildeten und nach einer anfangs dunklen Epoche alsbald den Kosmos zum Leuchten brachten.

Technik:
Wie leisten diese Teleskope all das? SALT und HET besitzen Spiegel von elf Metern Durchmesser. Diese sind jedoch nicht aus einem Stück geformt, sondern bestehen aus 91 identischen, sphärisch geschliffenen Sechsecken von je einem Meter Durchmesser - alles in allem ein sphärischer Mosaikspiegel. Der Hauptspiegel ist zu einer vertikalen Drehachse geneigt installiert: im Falle von SALT um 37 Grad. So lassen sich zum Beispiel die Magellanschen Sternwolken gut beobachten. Bis zu zwei Stunden Belichtungszeit pro Objekt sind möglich. Da ist es verständlich, dass das Forschungsinteresse der Astronomen nahezu unbegrenzt ist: Raum-zeitliche Orientierung im Universum, neue Erkenntnisse über unsere Umwelt im weitesten Sinne - auch hier finden sich Fragen, bei deren Beantwortung SALT und HET hilfreich sein könnten. "Jetzt können die beteiligten Wissenschaftler hoffen, aus den von ihnen gesammelten Daten Antworten auf ungelöste Rätsel wie die Entstehung einer Galaxie und damit die Geschichte unserer kosmischen Heimat zu erhalten", meint Kollatschny.

Ausblick:
Für die südafrikanische Republik liegt die Bedeutung von SALT nicht nur in den Sternen. Es ist ein Ereignis von nationaler Bedeutung für den Weg des Landes in eine neue Moderne. "Auch deshalb haben wir uns an dem Vorhaben beteiligt", betont Dr. Wilhelm Krull und lenkt den Blick zurück aus den Tiefen des Alls. "Wir wollen mit dem SALT-Projekt die Aufmerksamkeit und das Interesse junger Menschen an Wissenschaft und Technologie wecken und auf unserem Gebiet zu deren Ausbildung beitragen." Denn letztlich geht es um nicht weniger als mit dieser Forschung den Menschen einzuordnen in Zusammenhänge, aus denen er hervorgegangen ist und die ihn überdauern werden.

Quelle: idw

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