Glasfaser überwachen Ätna
Sensorfeld erfasst vulkanische Ereignisse mittels faseroptischer akustischer Messungen.
Um vulkanische Ereignisse noch besser verstehen und vorhersagen zu können, ist ein besseres Verständnis der diversen unterirdischen Prozesse erforderlich, die damit verbunden sind. Einen neuen Weg, solche Prozesse zu detektieren, auch wenn sie sehr subtil sind, bietet der Einsatz von Glasfaserkabeln als Sensoren. Die Analyse von Licht, das in ihnen zurückgestreut wird, wenn die Kabel beispielsweise durch Erschütterungen deformiert werden, ermöglichte es nun erstmals, die vulkanische Signatur des sizilianischen Vulkans Ätna sehr genau zu bestimmen. Darüber berichtet ein internationales Team um Philippe Jousset vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) und Gilda Currenti vom italienischen Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia (INGV). Die als faseroptische akustische Messungen (Distributed Acoustic Sensing, DAS) bekannte Methode konnte seismo-akustische vulkanische Aktivität aus der Ferne identifizieren und verborgene oberflächennahe vulkanische Strukturmerkmale abbilden. Mit ihrer hohen Empfindlichkeit und Genauigkeit erweist sie sich als Grundlage für eine verbesserte Vulkanüberwachung und Gefahrenabschätzung.
Das Verständnis der physikalischen Prozesse vor und während eines Vulkanausbruchs hat sich in den letzten Jahren stark verbessert. Allerdings ist es nach wie vor schwierig, mit den herkömmlichen Beobachtungsmethoden wie Seismometern sehr subtile Auslösemechanismen vulkanischer Phänomene zu erkennen. Zum einen reicht die Genauigkeit der Messverfahren nicht aus, um alle Prozesse innerhalb des Vulkans zu detektieren und zu identifizieren, zum anderen verzerren unbekannte unterirdische Strukturen die beobachtete Messsignale. Das Wissen auch um schwache Aktivitäten kann aber entscheidend sein, wenn es um die Vorhersage und Einschätzung der Gefährdung durch Vulkanausbrüche geht, zum Beispiel am sizilianischen Vulkan Ätna, der größte, aktivste und meistbesuchte Vulkan Europas, an dessen Flanken und in dessen unmittelbarer Nähe mehr als eine Million Menschen leben. Die vulkanische Aktivität des Ätna ist durch häufige explosive Eruptionen mit Lavaaustritt gekennzeichnet.
Philippe Jousset vom GFZ und Gilda Currenti vom INGV und ihre Kollegen haben untersucht, inwiefern sich Glasfaserkabel zur Messung sehr schwacher seismischer und vulkanischer Aktivität eignen. Hierfür verlegten sie in einem gemeinsamen Experiment am Vulkan Ätna in rund zwei Kilometer Entfernung von den Gipfelkratern ein 1,3 Kilometer langes Glasfaserkabel, gut zwanzig Zentimeter tief in einer Schlackenschicht, und maßen die Dehnungsänderungen des Kabels, die von den verschiedenen Aktivitäten verursacht wurden. Über ein Abfragegerät werden mit einem Laser aufeinanderfolgende Lichtpulse in eine Glasfaser gesendet. Das an den natürlichen Unvollkommenheiten der Faser teilweise zurückgestreute Licht wird dann analysiert. Die Laufzeit des Lichts ändert sich, wenn sich die Faser deformiert oder dehnt – zum Beispiel aufgrund winziger Bodenbewegungen, akustischer Wellen oder Temperaturänderungen. So lassen sich solche Ereignisse jeden Meter entlang einer Faser detektieren und sehr genau vermessen.
Es war bereits bekannt, dass Telefonleitungen aus Glasfaser zur Aufzeichnung von Erdbeben verwendet werden können: Seit dies 2018 von GFZ-Forschenden in Island demonstriert wurde, ist die Technik an verschiedenen Orten weltweit, unter anderem in den USA, der Schweiz und in Japan, zur Überwachung seismischer Aktivität eingesetzt worden, aber auch im Rahmen anderer geowissenschaftlicher Anwendungen, bei denen Bodenbewegungen oder Vibrationen gemessen werden sollen. Nun haben die Forschenden demonstriert, dass sich die Methode auch für die genaue Analyse und Überwachung von Vulkanen eignet. „Das in einer Schlackenschicht verlegte Kabel war in der Lage, Dehnungsänderungen zu messen und zu lokalisieren, die mit vulkanischer Aktivität im Ätna verbunden sind, wie zum Beispiel vulkanische Explosionen, kleine vulkanische Entgasungen, lokale vulkanisch-tektonische Erdbeben sowie atmosphärische Phänomene wie Hagel und Gewitter“, erläutert Philippe Jousset.
Die Messungen wurden mit herkömmlichen Sensoren – Geophone, Breitbandseismometer, Infraschallsensoren – validiert. Die räumlich sehr dichten Messungen, die so mit anderen Methoden nicht durchführbar sind, ermöglichen es, sowohl vulkanische Explosionen zu erkennen und zu charakterisieren, als auch Resonanzphänomene im Untergrund. Letztere werden ausgelöst, wenn sich infolge der Explosionen akustische Wellen ausbreiten und mit den oberflächennahen Schlackenablagerungen in nichtlineare Wechselwirkung treten. Um aus den gemessenen Daten verborgene strukturelle Merkmale im Untergrund zu quantifizieren und vulkanische Ereignisse mit Genauigkeit zu erkennen und zu lokalisieren, wurden Standardanalysen der Vulkanseismologie, Modellierungswerkzeuge für die Wellen- und Dehnungsausbreitung und Techniken wie die Trennung und Rekonstruktion von Wellenfeldern eingesetzt.
GFZ-Wissenschaftler Benjamin Schwarz sagt: „Die bisher nicht dagewesene räumliche Auflösung der Aufnahmen, die durch faseroptische Dehnungsmessungen ermöglicht wird, erlaubt es in dieser Form zum ersten Mal, schwache und bisher kaum praktisch nutzbare Signale gezielt zu trennen und auszuwerten.“ „Unsere Studie zeigt, dass DAS mit seiner hohen Empfindlichkeit und Genauigkeit zur effizienten Überwachung vulkanischer Aktivitäten eingesetzt werden kann“, sagt Jousset. „Dies ist ein neuer Beitrag, der das Verständnis vulkanischer Prozesse voranbringt. Und wir sind überzeugt, dass die Technik in den kommenden Jahren zu einem Standard für die Vulkanüberwachung werden wird“, erwartet Gilda Currenti.
Dank ihrer Fähigkeit, große Entfernungen zu messen – derzeit mindestens mehrere zehn Kilometer –, kann ein Abfragegerät an einem abgelegenen Ort aufgestellt werden, was die Beobachtung mit Glasfasern einfacher und sicherer macht als herkömmliche Sensorarrays, die Telemetrie, Stromversorgung vor Ort und regelmäßige Wartung erfordern. „Glasfaserkabel, die vom Vulkangipfel zu abgelegenen Orten verlaufen, würden einzigartige Möglichkeiten bieten, das Verständnis der Bodenreaktion zu vertiefen, einschließlich der Abschätzung von Laufwegeffekten, und den Ursprung vulkanischer Phänomene besser zu verstehen“, sagt Lotte Krawczyk, Sprecherin des Helmholtz-Forschungsprogramms PoF IV. Darüber hinaus wird die Verfügbarkeit von Unterwasser-Glasfaserkabeln in der Nähe von Vulkaninseln auch eine große Hilfe bei der Untersuchung von ansonsten weitgehend unzugänglichen submarinen magmatischen Prozessen sein.
GFZ / JOL