07.01.2004

Glasperlenspiel mit Membranen

Mit Hilfe von winzigen Glaskugeln lassen sich Proteine sehr genau nachweisen: Anfangs vorhandene Kolloidkristalle lösen sich auf.



Winzige Proteinmengen haben US-Forscher mit Hilfe von mikroskopisch kleinen Glaskugeln nachgewiesen. Die mit einer Lipidmembran überzogenen Kugeln bildeten im Wasser Kolloidkristalle, die sich bei Zugabe der Proteine auflösten.

Gibt man mikroskopisch kleine Kügelchen in einen Behälter mit Wasser, so sinken sie nach einer Weile zum Boden des Gefäßes. Dort können sie, je nach der Stärke der zwischen ihnen wirkenden Kräfte, zweidimensionale Kolloidkristalle bilden oder sich völlig regellos verteilen. Der Phasenübergang vom geordneten Kristall zum ungeordneten „Gas“ aus einzelnen Kugeln lässt sich in diesem Fall bequem unter dem Mikroskop beobachten.

Der Ordnungszustand des Kolloids ist ein empfindlicher Indikator für die Kräfte, die zwischen den Kugeln wirken. Diese Tatsache haben sich Michael M. Baksh und seine Kollegen vom Lawrence Berkeley Laboratorium in Kalifornien zunutze gemacht, um winzige Proteinmengen nachzuweisen, die sie der Kolloidlösung hinzufügten.

Dazu überzogen sie die 5 μm großen Glaskugeln jeweils mit einer 5 nm dicken Lipidmembran, wie sie in ähnlicher Form auch die lebende Zelle umschließt. In diese Membran betteten sie spezielle Moleküle oder Liganden ein, an die sich Proteine anlagern konnten. Ligand und Protein verhielten sich dabei wie Schlüssel und Schloss: Nur wenn sie zusammenpassten, wurde das Protein an den Liganden und damit auch an das Glaskügelchen gebunden.

Die Kolloidkristalle lösen sich mit der Zeit auf, wenn man das richtige Protein in die wässrige Lösung gibt. (Quelle: Baksh/LBL)

Die mit Proteinen besetzten Kugeln konnten einander nicht mehr so nahe kommen wie die „nackten“ Kugeln. Dadurch verringerte sich ihre wechselseitige Anziehungskraft, die im Wesentlichen auf der van der Waals-Kraft beruhte. Hatte diese Anziehungskraft zunächst ausgereicht, um winzige Kolloidkristalle entstehen zu lassen, so war sie nach Anlagerung der Proteine an die Kugeln zu schwach, um die Kristalle zusammenzuhalten. Die Kolloidkristalle lösten sich innerhalb einer Minute auf, nachdem das Protein zugegeben worden war.

Mit einem automatisierten Verfahren haben die Forscher den Auflösungsprozess der Kristalle verfolgt. Dazu wurden im Abstand von mehreren Sekunden mikroskopische Bilder des Kolloids aufgenommen, auf denen jeweils rund 7000 Kugeln zu sehen waren. Anhand der Bilder wurden für alle möglichen Kugelpaare die jeweiligen Abstände zwischen den Kugeln ermittelt. Wenn die Kugeln in winzigen Kristallen angeordnet waren, so traten bestimmte Abstände besonders häufig auf. In dem Maße wie sich die Kristalle auflösten, verschwanden diese charakteristischen Abstände und die Entfernungen zwischen den Kugeln waren gleichmäßig über alle möglichen Werte verteilt.

Die Forscher zeigten eindrucksvoll, wie leistungsfähig und wie spezifisch ihr Verfahren ist. Gaben sie ein Protein zum Kolloid hinzu, das nicht zu den in die Membran eingebauten Liganden passte, so blieben die Kolloidkristalle stabil. Auf diese Weise ließen sich zum Beispiel Cholera- von Tetanustoxinen unterscheiden. Mit Hilfe von Glaskugeln, deren Membranen unterschiedliche Liganden enthalten, ließe sich ein automatisches Verfahren entwickeln, mit dem man gezielt nach Toxinen oder nach Viren suchen könnte. Außerdem lassen sich auch die Eigenschaften der Membranen und die auf sie wirkenden Kräfte genauer zu studieren, indem man die Stabilität der Kolloidkristalle untersucht.

Rainer Scharf

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