Glitzernde Elektronik
Diamantbasierte Mikroelektrodenplatte soll Forschung an Nervenzellen voranbringen.
Am Institut für Nanostrukturtechnologie und Analytik (INA) der Universität Kassel sind Forscher mit der Entwicklung einer neuen Mikroelektrodenplattform mit Diamantoberfläche beschäftigt. Diese soll bei Experimenten im Labor eine Untersuchung der Netzwerkbildung von Nervenzellen über mehrere Tage hinweg ermöglichen, ohne die Zellen zu beschädigen oder sie Stress auszusetzen. Das langfristige Ziel der Forschungsarbeiten ist die Entwicklung eines leistungsfähigen Instruments für den Einsatz in der Hirnforschung. Die neue Trägerstruktur mit ihren besonderen Materialeigenschaften könnte die Erforschung neuronaler Netzwerkorganisationen in Zukunft bedeutend voranbringen und kann damit letztlich auch der Bekämpfung degenerativer Erkrankungen des Gehirns dienen.
Abb.: Cyril Popov vor der Anlage für die Abscheidung von Diamantschichten. (Bild: U. Kassel)
Die diamantbasierte Mikroelektrodenplatte wird von Cyril Popov, wissenschaftlicher Assistent im Fachgebiet Technische Physik der Universität Kassel, und Doktorandin Alexandra Voss, entwickelt und in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Tierphysiologie, Leitung Monika Stengl, an Modellorganismen erprobt. Nach einer Startfinanzierung durch die Zentrale Forschungsförderung der Universität Kassel konnten die Forscher erfolgreich ein Projekt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beantragen. Dieses Projekt ist auf drei Jahre angelegt und umfasst eine Förderung von 192.000 Euro. Sowohl das Center for Interdisciplinary Nanostructure Science and Technology (CINSaT) der Universität Kassel als auch das Joint Research Center der Europäischen Kommission unterstützen die Arbeit.
Um Nervenzellen in Netzwerken zu erforschen, muss man ihre elektrische Aktivität und die Kommunikation untereinander beobachten. Dies geschieht mit Hilfe kleiner Elektroden, die in so genannten Mikroelektroden-Anordnungen eingelassen sind. Auf diesen Mikroelektrodenplatten trägt man die zu untersuchenden Nervenzellen auf; jede soll sich anschließend auf einer Elektrode befinden. Eines der großen Probleme dabei: Mögen Zellen die verwendeten Materialien nicht, wandern sie weg oder sterben. Zudem kann eine geringe Haftung zwischen Nervenzelle und Untergrund die Messung stören. Daher ist es bislang schwierig, viele Nervenzellen gleichzeitig über einen längeren Zeitraum bei der Netzwerkbildung zu beobachten.
Die neue Trägerplattform der Kasseler Physiker funktioniert im Prinzip genauso wie bereits existierende Mikroelektrodenplatten. Neu ist aber, dass ein dünner Diamantfilm als Isolationsschicht dient: „Neuronen mögen Diamantoberflächen“, erklärt Popov. Die spezielle Nanostruktur der Diamantschicht böte den Zellen mehr Oberfläche, an die sie sich binden könnten. Außerdem sei Diamant nicht toxisch und es können sich keine Stoffe lösen und die Zelle beschädigen, erklären die Forscher. Teil des Projektes ist auch zu erforschen, wie sich die Oberflächenchemie durch plasma- oder photochemische Behandlung verändern lässt. Dieses Wissen ließe sich für die Positionssteuerung der Zellen nutzen. Zudem ist Diamant mechanisch und chemisch sehr beständig, sodass die Platten länger haltbar und häufiger wiederverwendbar sein werden als die bisherigen Plattformen. Bei dem verwendeten Diamant handelt es sich um ein Verbundmaterial aus ultrananokristallinem Diamant und amorphem Kohlenstoff.
Als Modellkulturen für die Tests der Mikroelektrodenplatten verwenden die Forscher Zellen, die ohne Einwirkung von Außen elektrische Signale erzeugen. Dazu dienen Schrittmacherneuronen der Schabe Rhypharobia maderae. Diese liefert die Abteilung Tierphysiologie der Universität Kassel. Sollte sich die diamantbasierte Mikroelektrodenplatte in der Erprobung mit den Modellorganismen bewähren, könnte das neue Verfahren in Zukunft auch in anderen Gebieten der Medizintechnik Anwendung finden und sich bei der Bekämpfung neuronaler Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer einsetzen lassen.
U. Kassel / DE