24.04.2023 • Energie

Grubenwasser für Wärmenetze

Erfolgreiche geothermische Erschließung eines ehemaligen Steinkohlenbergwerks.

Die umfang­reichen Pumptests auf dem Gelände MARK 51°7 in Bochum waren erfolgreich. Aus dem alten Grubengebäude kann aus rund 300 und 800 Metern Tiefe genug warmes und kaltes Grubenwasser gefördert werden. Das geothermische Potenzial unter dem geplanten Gewerbe­gebiet ist damit ausreichend, um rund 70 bis 75 Prozent des Wärme- und Kältebedarfs der Unternehmen und Forschungs­einrichtungen auf dem Areal mit klima­freundlicher Wärme und Kälte zu decken. Damit steht dem Aufbau einer energiesparenden Wärme- und Kälte­versorgung der 5. Generation nichts mehr im Wege.

Abb.: Diese Anlage erschließt Grubenwasser eines alten Bergwerks in 820 Meter...
Abb.: Diese Anlage erschließt Grubenwasser eines alten Bergwerks in 820 Meter Tiefe. (Bild: F. Jagert, Fh.-IEG)

„Die geothermische Erschließung eines ehemaligen Steinkohlen­bergwerks ist eine besondere bohr­technische Herausforderung. Der Untergrund gleicht hier zuweilen einem Schweizer Käse. Mit dem erfolgreichen Pumptest haben wir erstmalig in NRW gezeigt, dass Geothermie ihren Beitrag leisten kann, die Großstädte an Rhein und Ruhr nachhaltig mit Energie zu versorgen. Das Bochumer Geothermie- und Speicher­projekt ist zugleich das modernste Konzept zur kommunalen Wärme- und Kälteversorgung in Deutschland“, sagt Rolf Bracke, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energie­infrastrukturen und Geothermie IEG. 

Das Institut berät die Stadtwerke Bochum beim energetischen Gesamt­konzept eines Wärme- und Kältenetzes der 5. Generation. Wärme- und Kältenetze der 5. Generation, auch kalte Nahwärme­netze genannt, sind besonders effizient, weil sie nur eine sehr geringe Arbeitstemperatur des umlaufenden Arbeits­mediums aufweisen. Wärmepumpen in den einzelnen Gebäuden können dadurch je nach Bedarf Wärme oder Kälte aus dem Netz entnehmen. Zudem verantwortete das Institut die unter­irdischen Aktivitäten im Projekt. Dazu gehören auch die Bohrungen durch einen in bis zu acht Abbau­horizonten mit alten Bergwerks­stollen durchsetzen Untergrund oder die Logistik der umfangreichen Pumptest des Grubenwassers. Die Erschließung der Erdwärme in Bochum gilt mit 820 Metern Tiefe als derzeit größtes Projekt der Tiefengeothermie in NRW. Im aktuellen Projekt bringt Fraunhofer IEG die Vorteile von Geothermie, Wärmenetze, Untergrund­speicher und Großwärmepumpen zusammen.

Vergangenen Monat ließen die FUW, eine Tochter­gesellschaft der Stadtwerke Bochum, und Fraunhofer IEG spezielle Tauchkreiselpumpen auf rund 300 Meter in die Bohrpfade ab. Über 17 Tage sammelten verschiedene Sensoren und Messeinrichtungen sowohl Daten zu Temperatur, Druck­verhältnissen, Fördervolumen und Zusammensetzung des Grubenwassers als auch Leistungsdaten der Förderpumpen und mögliche seismische Auswirkungen. Dabei konnten die erwarteten Parameter weitestgehend bestätigt werden. Einzig die Grubenwasser­temperatur in der 8. Sohle (-820 m) lag, anders als vorab erwartet, nicht bei dreißig Grad Celsius, sondern lediglich bei 27 bis 28 Grad Celsius. Hier wird nun überprüft, ob und inwiefern die niedrigeren Temperaturen eine Anpassung der Anlagenkonfiguration erfordern.

Nun starten die vorbereitenden Arbeiten zur Errichtung der Energiezentrale Ost. Dort soll die im Grubenwasser enthaltene Wärme- und Kälte­energie mit Wärmepumpen auf das Temperatur­niveau gebracht werden, das für die Versorgung der Kunden erforderlich ist.Für die Wärme­versorgung soll das warme Grubenwasser des ehemaligen Steinkohl­ebergwerks Dannenbaum über Wärmepumpen auf etwa 48 Grad Celsius erwärmt und anschließend in das Netz abgegeben werden. Auch für die Kälte­versorgung der entstehenden Immobilien wird das Grubenwasser genutzt. Dafür wird aus einer Tiefe von etwa 340 Metern etwa 17 Grad Celsius kaltes Wasser gefördert.

Fh.-IEG / JOL

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