Grüne Echos aus der Vergangenheit
VLT-Beobachtungen identifizieren neue und seltene Galaxienart – die „Grüne-Bohnen-Galaxie“.
Durch Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO, dem Gemini South-Teleskop, und dem Canada-France-Hawaii Telescope (CFHT) ist es gelungen, eine neue Galaxienklasse zu identifizieren. Ihr ungewöhnliches Aussehen hat diesen Galaxien den Spitznamen „Grüne-Bohnen-Galaxien“ eingebracht. Ihre Leuchtkraft wird durch intensive Strahlung aus der Umgebung gigantischer Schwarzer Löcher in ihrem Zentrum verursacht. Diese Galaxien gehören damit zu den seltensten Objekten im Universum.
Abb.: Diese Aufnahme vom Canada-France-Hawaii Telescope zeigt eine detaillierte Ansicht der Himmelsregion um das ungewöhnlich grüne Objekt J224024.1−092748 oder kurz J2240. (Bild: CFHT/ESO/M. Schirmer)
Viele Galaxien haben in ihrem Zentrum ein riesiges Schwarzes Loch, und häufig regen energiereiche Prozesse das Gas in dessen unmittelbarer Umgebung zum Leuchten an. Bei den Grüne-Bohnen-Galaxien leuchtet jedoch die gesamte Galaxie, nicht nur der Zentralbereich. Die Beobachtungen haben gezeigt, dass es sich dabei um die größten und am hellsten leuchtenden Galaxienregionen handelt, die jemals gefunden wurden. Das neue Objekt trägt die Bezeichnung J224024.1−092748, kurz J2240. Es liegt im Sternbild Aquarius (der Wassermann), und sein Licht hat etwa 3,7 Milliarden Jahre gebraucht um die Erde zu erreichen.
Nach der Entdeckung überprüfte Schirmers Team eine Datenbank mit fast einer Milliarde Galaxien und fand dabei 16 weitere Objekte mit ähnlichen Eigenschaften, die dann durch Nachbeobachtungen mit dem Gemini South-Teleskop tatsächlich als Grüne-Bohnen-Galaxien bestätigt wurden. Diese Objekte sind so selten, dass es durchschnittlich nur eines von ihnen in jedem gedachten Würfel mit einer Kantenlänge von 1,3 Milliarden Lichtjahren gibt. Der Spitzname mit den Grünen Bohnen stammt von ihrer Farbe und der Tatsache her, dass sie oberflächlich betrachtet den sogenannten „Grüne-Erbsen-Galaxien“ ähneln, die jedoch deutlich kleiner sind.
In vielen Galaxien gibt die Materie in der Umgebung des supermassereichen zentralen Schwarzen Lochs intensive Strahlung ab und ionisiert so das Material in seiner Umgebung. Die so zum Leuchten angeregten Regionen sind typischerweise klein im Vergleich zum Rest der Galaxie und nehmen selten mehr als 10 Prozent ihres Durchmessers ein. Bei J2240 und den anderen ähnlichen Objekten, die das Team gefunden hat, zeigten die Beobachtungen jedoch, dass der leuchtende Bereich riesig ist und sich quasi über die gesamte Galaxie erstreckt. Im Fall von J2240 handelt es sich um eine der größten und hellsten derartigen Regionen, die je gefunden wurden. Das grüne Leuchten, das ursprünglich Schirmers Aufmerksamkeit erregt hatte, stammt von ionisiertem Sauerstoff.
Weitere Auswertungen der Beobachtungsdaten enthüllten allerdings noch ein Rätsel: Das Schwarze Loch im Zentrum von J2240 scheint viel weniger aktiv zu sein, als man an Hand der Größe und Helligkeit der leuchtenden Region erwarten würde. Das Astronomenteam nimmt daher an, dass es sich bei dem Leuchten um das Echo einer vergangenen aktiveren Phase des Schwarzen Lochs handelt. In diesem Fall sollten die leuchtenden Regionen nach und nach schwächer werden, während die Strahlung durch sie hindurch läuft und schließlich die Galaxie verlässt.
Das Aussehen der Grüne-Bohnen-Galaxien ist also ein Symptom eines gerade verlöschenden aktiven Galaxienkerns und markiert damit eine sehr kurze Phase im Leben einer Galaxie. Im frühen Universum waren Galaxien allgemein viel aktiver als heute. Massereiche Schwarze Löcher bildeten sich in ihren Zentren und verschluckten Sterne und Gas aus der unmittelbaren Umgebung. Die dadurch erzeugte Leuchtkraft war oft mehr als hundertmal so groß wie die Helligkeit aller Sterne in der Galaxie zusammen.
Lichtechos, wie man sie nun bei J2240 entdeckt hat, ermöglichen es den Astronomen, den Abschaltprozess der aktiven Galaxienzentren zu untersuchen. So wird es vielleicht möglich sein herauszufinden wie, wann und warum die Aktivität der Galaxienkerne aufhört – und warum wir bei heutigen Galaxien so viel weniger Aktivität sehen. Genau in dieser Richtung plant das Team nun mit Röntgenbeobachtungen und Spektroskopie weiter zu forschen.
ESO / PH