30.06.2016

Haarfein und haarscharf

Femtosekunden-3D-Druck erlaubt den Bau komplexer Mikro-Objektive.

3D-Druck hat in den letzten Jahren die Herstellung von komplizierten Formen revolutioniert. Mithilfe von serieller Auftragung, bei der Punkt für Punkt oder Linie für Linie geschrieben wird, lassen sich auch die komplexesten Bauteile schnell und einfach realisieren. Diese Methode steht jetzt auch für optische Bauteile zur Verfügung: Forscher der Universität Stuttgart haben einen Kurzpulslaser in Kombination mit optischem Fotolack benutzt, um optische Linsen herzustellen, die kaum größer sind als ein menschliches Haar.

Abb.: Komplexe Triplett-Linse, hergestellt durch Femtosekunden-3D-Druck auf einer Monomoden-Glasfaser (Bild: U. Stuttgart)

Dabei fokussieren die Forscher den Femtosekunden­laser, der eine Pulsdauer von weniger als 100 Femto­sekunden besitzt, mithilfe eines Mikroskops auf einen flüssigen Fotolack, der vorher zum Beispiel auf einem Glas­plättchen oder auf einer Glas­faser aufgebracht wurde. Zwei Photonen des roten Laser­strahls mit der Wellenlänge 785 Nanometern werden im Brenn­punkt gleichzeitig absorbiert und belichten ihn. Dadurch härtet der Fotolack.

Der Laserstrahl kann mit einem Scanner oder durch Verfahren des Substrates in alle drei Raum­richtungen die gewünschte Form abfahren. Dadurch lassen sich mit einer Sub­mikrometer-Genauigkeit optische Freiform­flächen herstellen. Die große Präzision erlaubt es, nicht nur kugel­förmige Linsen herzustellen, sondern auch die idealeren Flächen wie Paraboloide oder Asphären höherer Ordnung. Auch mehr­linsige Objektive für Abbildungen in höchster Qualität werden erstmals möglich.

Doktorand Timo Gissibl aus der Arbeits­gruppe von Harald Giessen am 4. Physikalischen Institut druckte solche Mikro­objektive auch auf Glasfasern. Damit lassen sich ganz neuartige und kleinste flexible Endo­skope verwirklichen, die dazu geeignet sind, auch in kleinste Öffnungen des Körpers oder in Maschinen Untersuchungen vorzunehmen. Das Optikdesign, also der Bauplan dazu, stammte im Rahmen einer Zusammen­arbeit im Stuttgarter Zentrum für Photonic Engineering (SCoPE) vom Doktoranden Simon Thiele aus der Arbeitsgruppe von Alois Herkommer am Institut für Technische Optik.

Abb.: Komplexes 3D gedrucktes Objektiv auf einer optischen Faser neben einer Fliege (Bild: U. Stuttgart)

Gissibl druckte seine optischen Freiform­flächen und seine Miniatur-Mikroskop-Objektive auch direkt auf CMOS-Chips, die somit einen extrem kompakten Sensor darstellten. Mit einer solchen Optik könnte man Kameras für Drohnen realisieren, die nicht viel größer als eine Biene wären, oder auch kleinste Sensoren für selbst­fahrende Autos, autonome Roboter oder für Maschinen der Industrie 4.0. Auch kleinste Körper­sensoren und Rundum-Kameras für Handys sind vorstellbar.

Die Forscher konnten ihre Optiken auch mit Beleuchtungs­systemen kombinieren. Dadurch lässt sich die Optik einer LED, die das Licht in eine bestimmt Richtung konzentriert, extrem verkleinern. Die Stuttgarter Forscher glauben, dass mithilfe des 3D-Drucks eine ganz neue Ära in der Fertigung von Miniatur­optiken anbricht. „Der Zeitraum von der Idee über das Optikdesign zum CAD-Modell und zum fertigen, gedruckten 3D-Mikro-Objektiv verkürzt sich auf unter einen Tag“ sagt Harald Giessen. „Damit eröffnen wir ähnliche Möglichkeiten, wie sie seit einigen Jahren beim Computer-Integrated Manufacturing im Maschinenbau und in der Metall­verarbeitung bestehen.“

Das Projekt, das im Rahmen der „Spitzenforschungs-Initiative“ der Baden-Württemberg-Stiftung gefördert wurde, arbeitet eng mit der Industrie zusammen. Das Startup-Unternehmen Nanoscribe, eine Ausgründung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Karlsruhe, baut die hochpräzisen 3D-Drucker mit integriertem Femtosekunden-Laser. Die Firma Carl Zeiss aus Oberkochen berät die Forscher in allen Fragen der Optik. Und die Welt­markt­führer im Bereich der Endoskopie sitzen ebenfalls in Baden-Württemberg.

U. Stuttgart / DE

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