Hafteffekt erstarrender Tropfen
Verhältnis thermischer Eigenschaften erklärt Adhäsion auf glatten Oberflächen.
Mit speziellen Beschichtungen oder Nanostrukturen können Oberflächen vor einer Benetzung mit Flüssigkeiten oder auch Eiskristallen geschützt werden. Doch bereits die richtige Materialwahl kann zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Eine Forschergruppe aus den USA untersuchte nun im Detail, wie Tropfen aus geschmolzenem Zinn auf verschiedenen Oberflächen erstarren und danach fest haften oder auch leicht abrutschen können. Dieser Effekt könnte für optimierte Druckverfahren mit einem Tintenstrahldrucker, für aufgesprühte Beschichtungen oder auch für ein selbstständiges Enteisen von Flugzeugtragflächen genutzt werden.
Abb.: Blick auf die Unterseite eines erstarrenden und danach haftenden Zinntropfens auf einer Glasfläche. (Bild: K. K. Varanasi et al., MIT)
Kripa Varanasi und seine Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge schmolzen für ihre Experimente das weiche Metall Zinn. Die etwa 240 Grad Celsius heiße Metallschmelze pressten sie durch eine feine Düse. Aus dieser traten kleine Zinntropfen aus, die auf eine auf glatte, 25 Grad Celsius warme Oberflächen aus Glas und Silizium fielen. Mit einer Aufprallgeschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde zerlief der Tropfen fladenförmig auf der Oberfläche und erstarrte binnen einiger Millisekunden.
Diesen Prozess verfolgten die Wissenschaftler mit einer Hochgeschwindigkeitskamera. Zusätzlich beobachteten sie die Struktur der Kontaktfläche zwischen Zinn und Glas oder Silizium mit einem Mikroskop. Dabei stellten sie trotz gleicher Randbedingungen einen fundamentalen Unterschied zwischen der Glas- und der Siliziumoberfläche fest. Zwar kühlte das flüssige Metall auf beiden Flächen innerhalb einer Zehntelsekunde ab und kristallisierte. Doch nur auf der Glasfläche blieb der kristallisierte Zinntropfen fest haften. Von der etwas geneigten Siliziumfläche jedoch rutschte er problemlos ab, ohne Rückstände zu hinterlassen.
Die Aufnahmen von Kamera und Mikroskop halfen, die Ursache dieses Phänomens zu erkennen. An beiden Grenzflächen – Zinn-
Verantwortlich für diesen Unterschied machten die Forscher zwei thermische Eigenschaften der genutzten Substanzen: die Wärmeleitfähigkeit und die volumetrische Wärmekapazität, einen Wert für die Speicherfähigkeit von Wärme. In der Materialforschung werden diese beiden Parameter durch die Effusivität eines Materials beschrieben. So gibt die Effusivität an, wie gut Wärme in ein Material eindringen kann.
Nun ist die Effusivität für Glas deutlich geringer als für Zinn, so dass die Hitze des Tropfens an der Grenzschicht länger gespeichert werden konnte und sich der Tropfen gleichmäßig verfestigte. Silizium dagegen hat eine deutlich höhere Effusivität als Zinn, so dass die Wärme schnell an die Umgebung abgegeben wurde. Dadurch wölbte sich der Tropfen beim Erstarren und konnte wegen verkleinerter Kontaktfläche keine großen Haftkräfte zur Oberfläche aufbauen.
Varanasi und seine Kollegen sind davon überzeugt, dass dieser Zusammenhang nicht nur für geschmolzene Metalle, sondern auch für flüssige Polymere, Wasser oder auch Wachs gelte. Je nach Wahl der Unterlage müssten diese Tropfen abhängig von ihrer Effusivität mehr oder weniger gut haften bleiben. Weitere Versuche mit unterschiedlichen Materialkombinationen müssen nun zeigen, ob dieser Effekt tatsächlich für optimierte Druck- oder Sprühverfahren, für Beschichtungen oder auch für ein selbstständiges Enteisen von Flugzeugtragflächen Anwendungen finden kann.
Jan Oliver Löfken
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