11.09.2017

Hafteffekt erstarrender Tropfen

Verhältnis thermischer Eigenschaften erklärt Adhäsion auf glatten Ober­flächen.

Mit speziellen Beschichtungen oder Nanostrukturen können Ober­flächen vor einer Benetzung mit Flüssig­keiten oder auch Eis­kristallen geschützt werden. Doch bereits die richtige Material­wahl kann zu ver­gleich­baren Ergeb­nissen führen. Eine Forscher­gruppe aus den USA unter­suchte nun im Detail, wie Tropfen aus geschmol­zenem Zinn auf ver­schie­denen Ober­flächen erstarren und danach fest haften oder auch leicht abrut­schen können. Dieser Effekt könnte für opti­mierte Druck­ver­fahren mit einem Tinten­strahl­drucker, für auf­ge­sprühte Beschich­tungen oder auch für ein selbst­ständiges Ent­eisen von Flug­zeug­trag­flächen genutzt werden.

Abb.: Blick auf die Unterseite eines erstar­renden und danach haften­den Zinn­tropfens auf einer Glas­fläche. (Bild: K. K. Varanasi et al., MIT)

Kripa Varanasi und seine Kollegen vom Massachusetts Institute of Techno­logy in Cambridge schmolzen für ihre Experi­mente das weiche Metall Zinn. Die etwa 240 Grad Celsius heiße Metall­schmelze pressten sie durch eine feine Düse. Aus dieser traten kleine Zinn­tropfen aus, die auf eine auf glatte, 25 Grad Celsius warme Ober­flächen aus Glas und Silizium fielen. Mit einer Aufprall­geschwin­dig­keit von zwei Metern pro Sekunde zerlief der Tropfen fladen­förmig auf der Ober­fläche und erstarrte binnen einiger Milli­sekunden.

Diesen Prozess verfolgten die Wissenschaftler mit einer Hochge­schwin­dig­keits­kamera. Zusätz­lich beob­ach­teten sie die Struktur der Kontakt­fläche zwischen Zinn und Glas oder Silizium mit einem Mikro­skop. Dabei stellten sie trotz gleicher Rand­bedin­gungen einen funda­men­talen Unter­schied zwischen der Glas- und der Silizium­ober­fläche fest. Zwar kühlte das flüs­sige Metall auf beiden Flächen inner­halb einer Zehntel­sekunde ab und kristal­li­sierte. Doch nur auf der Glas­fläche blieb der kristal­li­sierte Zinn­tropfen fest haften. Von der etwas geneigten Silizium­fläche jedoch rutschte er problem­los ab, ohne Rück­stände zu hinter­lassen.

Die Aufnahmen von Kamera und Mikroskop halfen, die Ursache dieses Phänomens zu erkennen. An beiden Grenz­flächen – Zinn-Glas und Zinn-Silizium – bildeten sich Rillen­muster aus, die kleine Luft­kammern ein­schlossen. Beim Silizium waren jedoch deut­lich mehr Rillen in engen Abständen zu beob­achten als bei Glas. Binnen einer Zehntel­sekunde härtete der Tropfen gleich­mäßig aus und das feste Zinn haftete an der Glasfläche. Auf Silizium dagegen kühlte die obere Hälfte des Tropfens schneller ab als die untere. Dadurch wölbte sich der erstar­rende Zinn­fladen an den Seiten etwas und ver­klei­nerte seine Kontakt­fläche. Die Folge: Die Adhäsions­kräfte waren so gering, dass der Zinn­fladen schon bei geringer Neigung leicht und rück­stands­los abrutschte.

Verantwortlich für diesen Unterschied machten die Forscher zwei thermische Eigen­schaften der genutzten Sub­stanzen: die Wärme­leit­fähig­keit und die volu­metrische Wärme­kapa­zität, einen Wert für die Speicher­fähig­keit von Wärme. In der Material­forschung werden diese beiden Para­meter durch die Effusi­vität eines Materials beschrieben. So gibt die Effusi­vität an, wie gut Wärme in ein Material ein­dringen kann.

Nun ist die Effusivität für Glas deutlich geringer als für Zinn, so dass die Hitze des Tropfens an der Grenz­schicht länger gespei­chert werden konnte und sich der Tropfen gleich­mäßig ver­festigte. Silizium dagegen hat eine deut­lich höhere Effusi­vität als Zinn, so dass die Wärme schnell an die Um­ge­bung abge­geben wurde. Dadurch wölbte sich der Tropfen beim Erstarren und konnte wegen ver­klei­nerter Kontakt­fläche keine großen Haft­kräfte zur Ober­fläche auf­bauen.

Varanasi und seine Kollegen sind davon überzeugt, dass dieser Zusammen­hang nicht nur für geschmol­zene Metalle, sondern auch für flüssige Poly­mere, Wasser oder auch Wachs gelte. Je nach Wahl der Unter­lage müssten diese Tropfen abhängig von ihrer Effusi­vität mehr oder weniger gut haften bleiben. Weitere Versuche mit unter­schied­lichen Material­kombi­na­tionen müssen nun zeigen, ob dieser Effekt tat­säch­lich für opti­mierte Druck- oder Sprüh­ver­fahren, für Beschich­tungen oder auch für ein selbst­stän­diges Ent­eisen von Flug­zeug­trag­flächen Anwen­dungen finden kann.

Jan Oliver Löfken

RK

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