30.03.2022

Hagelkörner aus dem 3D-Drucker

Künstlicher Hagel im Windkanal hilft bei der Vorhersage von Starkregen, Hagel- und Graupelniederschlag.

Das Tief „Bernd“ hat im Sommer 2021 die Gefahren extremer Nieder­schlags­ereignisse mit katastrophalen Über­schwemmungen besonders drastisch demonstriert. Und Wetter­aufzeichnungen zeigen, dass in unseren Breiten Extremereignisse wie Trockenheit, aber auch Starkregen oder Hagel im Zusammenhang mit dem Klima­wandel häufiger und ihre Auswirkungen heftiger werden. So können Hagelkörner schwere Schäden in der Landwirtschaft, an Gebäuden und Fahrzeugen hinterlassen sowie für Mensch und Tier gefährlich werden. Umso wichtiger ist es, dass Wettermodelle das Auftreten und das Ausmaß von Niederschlägen bestmöglich vorhersagen. Diese Computermodelle müssen allerdings die relevanten wolken­physikalischen Prozesse mathematisch präzise formuliert enthalten.

 

Abb.: Ein bereiftes Eis­partikel oder Graupel, hergestellt für die...
Abb.: Ein bereiftes Eis­partikel oder Graupel, hergestellt für die Experimente im Mainzer vertikalen Wind­kanal­labor (Bild: A. Theis / JGU)

Hier liefert der weltweit einmalige vertikale Windkanal der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) essenzielle Ergebnisse durch neue Experimente, die mit künstlichen Hagelkörnern aus einem 3D-Drucker durchgeführt werden. „Wir haben beispielsweise herausgefunden, dass die Form der Hagelkörner entscheidend für ihre Geschwindigkeit vor dem Aufschlag ist“, sagt Miklós Szakáll vom Institut für Physik der Atmosphäre (IPA) der JGU. Die Forscher um den Atmosphären­physiker konnten zeigen, dass genoppte Hagelsteine eine geringere kinetische Energie und somit weniger Zerstörungskraft besitzen als ungleichmäßig geformter glatter Hagel.

Hagel und Graupel entstehen, wenn Wassertropfen in Gewitter­wolken gefrieren. Turbulenzen und komplexe physikalische Prozesse innerhalb dieser sehr hoch reichenden Wolken führen zum Gefrieren des Wassers. Erreichen diese Eisteilchen beim Herunter­fallen wärmere Schichten, schmelzen sie. So entstehen große, kalte Regentropfen, die den häufig extremen Nieder­schlag bilden. Reicht die Fallzeit der Eisteilchen bis zum Boden nicht aus, um sie vollständig zu schmelzen, so besteht der Niederschlag aus Graupel oder Hagel.

Je nach Bedingungen in der Wolke erhalten die gefrorenen Teilchen ihre charakteristische Form, Größe und Masse. „Wir konnten in unseren Experimenten mit echten Hagelkörnern zeigen, wie sie beim Schmelzen zu Regentropfen werden, die mehrere Millimeter groß sind. Auch zerplatzen große Hagelsteine während des Schmelz­prozesses, wobei zahlreiche kleine Wassertröpfchen entstehen“, erläutert Szakáll. Der Wissenschaftler leitete aus den Messungen Para­metrisierungen als wesentliche Bestandteile für die numerische Simulation von Wolken und Niederschlag in Computer­modellen ab.

Für die Experimente stellte das Mainzer Team echte Hagel- und Graupelkörner im Labor her und analysierte im vertikalen Wind­kanal unter realen Temperatur- und Feuchtigkeits­bedingungen, wie genau die Körner fallen beziehungsweise schmelzen. Zusätzlich erzeugten die Wissenschaftler nach Vorlagen realer Körner mit einem 3D-Drucker künstliche Hagel- und Graupel­körner, bei denen sogar die Material­dichte mit Eis übereinstimmte. Hiermit können die Strömungs­eigenschaften der fallenden Objekte gemessen werden, was für die mikro­physikalischen Prozesse der Extrem­niederschläge besonders wichtig ist.

In dem sechs Meter hohen Windkanal schwebten die Hagel- und Graupelkörner frei in einem künstlich erzeugten, vertikalen Luftstrom. Dabei wurden sie mithilfe von Hochgeschwindigkeits- und Infrarotkameras sowie einem speziell entwickelten holografischen Bildaufzeichnungssystem beobachtet.

„Wendet man unsere durch diese Experimente gewonnene mikrophysikalische Beschreibung des Niederschlags auf Modelle zur Berechnung von Gewitterwolken an, kann man ihre Folgen besser voraussagen“, sagt Stephan Borrmann, Professor am IPA und Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie. „Dies ist besonders in Hinblick auf die infolge des Klimawandels auch in unseren Breiten zu erwartende Zunahme von Extremereignissen wie Trockenheit und Starkregen sehr wichtig“, ordnet Borrmann die Ergebnisse ein.

Die Mainzer Experimente wurden im Rahmen des HydroCOMET-Projektes der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) durchgeführt. Die wissen­schaftlichen Gutachter, die die Ergebnisse von HydroCOMET abschließend evaluierten, kommentierten die Mainzer Labor­experimente und Publikationen sehr positiv, betonten aber auch die Relevanz der zugrunde liegenden Infrastruktur, also des Vertikal­windkanals.

JGU / DE
 

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