21.12.2016

Halbe Quantenwirbel mit topologischem Dreh

Neue Phase in supraflüssigem Helium-3 ermöglicht Quantenwirbel mit halbem Fluss-Quantum.

Wie nicht allein der dies­jährige Nobelpreis beweist, stehen topo­logische Eigen­schaften von Materia­lien gerade hoch im Kurs. Aufgrund topo­logischer Bedingungen geschützte oder ermög­lichte Materie­zustände sind auf der einen Seite von Bedeutung für die künftige Informations­technologie, auf der anderen Seite ermög­lichen sie auch Tests funda­mentaler Quanten­eigen­schaften. Ein interes­santes Phänomen hierbei sind Quanten­wirbel mit halb­zahligem Fluss­quantum in Supra­flüssig­keiten. Quanten­wirbel mit ganz­zahligem Fluss­quantum sind schon lange bekannt: Seit den 1960er Jahren gab es hierzu Experimente an supra­flüssigem Helium-4 und einige Jahre später dann auch an Helium-3.

Abb.: In supraflüssigem Helium-3 können unterschiedliche Arten von Quantenwirbeln entstehen: Links ein normaler, ganzzahliger Wirbel mit verschwindendem Spinstrom; rechts ein halbzahliger Wirbel. (Bild: APS / A. Stonebraker)

Bereits seit den 1970er Jahren gibt es aller­dings auch die Vorher­sage, in Helium-3 sollten halb­zahlige Quanten­wirbel auf­treten können. Ein Team um Wissen­schaftler der finnischen Univer­sität Aalto ist diesen Wirbeln nun nach­gegangen. Möglich wurde dies durch die Entdeckung einer neuen Phase in Helium-3. Denn normaler­weise ist Helium-3 wenig geeignet für die Heraus­bildung solcher halb­zahliger Quanten­wirbel, weil sich Spin und Bahn­drehimpuls nicht von selbst entsprechend ausrichten. Schließt man Helium-3 aller­dings in einem passenden Material ein, ändert sich die Situation: So kann sich in Nafen, einem hoch­gradig porösen Aero­gel mit langen, paral­lelen Strängen, unter den passenden Bedingungen eine neue, polare Phase von Helium-3 herausbilden.

Auf den ersten Blick würde man von Helium-3 gar keine Supra­flüssig­keit erwarten. Denn in einer Supra­flüssig­keit konden­sieren die Atome in einem einzigen Quanten­zustand – was nur möglich ist, wenn alle Atome wie etwa bei Helium-4 Bosonen sind. Helium-3 besteht nun aus Fermionen. Aller­dings können sich, wie bei einem Supra­leiter, Helium-3-Atome zu Cooper-Paaren zusammen­schließen – nur dass sich hier Atome statt Elektronen paaren. Die Tempe­raturen hierfür liegen entsprechend niedrig: Helium-3 wird erst bei gut zwei Milli­kelvin supra­flüssig, Helium-4 schon bei rund zwei Kelvin.

Dement­sprechend mussten auch die Wissen­schaftler um Samuli Autti ihre Probe in den Milli­kelvin-Bereich herunter­kühlen. Hierzu gaben sie Helium-3 in Nafen. Die typische Poren­breite in diesem Aerogel betrug neun Nanometer, bei einem Poren­abstand von rund 35 Nano­metern. Die Probe ließen die Forscher dann mit bis zu 2,75 rad pro Sekunde rotieren. Außerdem legten sie ein Magnet­feld an und beobach­teten dabei die magne­tische Kern­resonanz.

Abhängig von Para­metern wie der Rotations­geschwindig­keit, Temperatur und der Orien­tierung des magne­tischen Feldes fanden die Forscher dabei ein Soli­tonen-Signal, das sich eindeutig halb­zahligen Quanten­wirbeln zuordnen ließ. Diese Vortizes beruhen dabei auf fol­gendem Effekt: Wenn sich in einer Supra­flüssig­keit Wirbel heraus­bilden, müssen diese stets einen Dreh­impuls in Einheiten des Planck­schen Wirkungs­quantums haben, genauer gesagt von h m, wobei m der Masse eines supra­flüssigen Teilchens entspricht. Dies liegt daran, dass entlang eines geschlos­senen Weges um einen Wirbel eine Quan­tisierungs­bedingung herrscht, die vorschreibt, dass die Wellen­funktion ihren Wert nach einer Rund­reise nicht ändert.

In Helium-3 mit seinen Cooper-Paaren ändert sich diese Bedingung zu h 2m, was aber noch keinem halb­zahligen Quanten­wirbel entspricht. Nun haben die Cooper-Paare in Helium-3 aber sowohl einen Bahn­dreh­impuls wie einen Kernspin, der sich aus den Komponenten der beiden Helium-3-Atome zusammen­setzt. Während sich bei normalem Helium-3 der Bahn­dreh­impuls und die Kernspins nicht so einfach passend aus­richten, ist dies in der räum­lich eng struk­turierten polaren Phase durchaus der Fall.

Wenn sich nun ein Spin­strom aus­bildete, konnte dieser sich mit dem Bahn­dreh­impuls die Quantisierungs­bedingung „teilen”, so dass letzt­lich ein halb­zahliger Quanten­wirbel mit dem Fluss­quantum h 4m entstand, wie ihn die Wissen­schaftler messen konnten. Dies ist – nach gut vierzig Jahren Suche – der erste Nachweis von halb­zahligen Quanten­wirbeln in supra­flüssigem Helium-3. Aus anderen Materia­lien sind bereits solche halb­zahligen Quanten­wirbel bekannt, etwa aus Bose-Einstein-Konden­saten oder aus Spin-Triplett-Supra­leitern.

Die Wissen­schaftler unter­suchten auch, was passiert, wenn man weniger dichtes Nafen mit weniger eng begrenzten Poren nimmt. Das Helium-3 ist dann nicht sauber einge­schlossen, es bildet sich eine polare Phase mit axialer Verzer­rung heraus. Aber auch hier scheinen sich halb­zahlige Quanten­wirbel heraus­bilden zu können. Offenbar sind die topo­logischen Eigen­schaften der polaren Phase stark genug, um gegen gewisse Verzer­rungen Schutz zu bieten.

Dirk Eidemüller

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