18.01.2022 • HalbleiterQuantenphysik

Halbleiter erreichen die Quantenwelt

Quanteneffekte in Supraleitern könnten der Halbleiter-Technologie eine neue Wendung geben.

Die derzeitige elektronische Infrastruktur basiert vor allem auf Halbleitern. Zu den derzeit wichtigsten Heraus­forderungen in der Halbleiter­elektronik gehören Verbesserungen, die die Bandbreite der Daten­über­tragung, die Energie­effizienz und die Informations­sicherheit erhöhen würden. Quanteneffekte einzu­beziehen könnte hierbei einen Durchbruch bewirken. Denkbar sind dabei vor allem Quanteneffekte, die in supraleitenden Materialien auftreten können. Dass sich in Supraleitern auch Quanteneffekt ausnutzen lassen, hat sich bereits in ersten Quanten­computern gezeigt.

Abb.: Die „Land­karte“ der Elek­tronen zeigt, dass die...
Abb.: Die „Land­karte“ der Elek­tronen zeigt, dass die ent­schei­den­den Elek­tronen in den beiden Mate­ri­alien sich nicht gegen­seitig stören. (Bild: T. Yu, PSI)

Um mögliche Nachfolger für die heutige Halbleiter­elektronik zu finden, untersuchen Forscher unter anderem Hetero­strukturen, also Strukturen aus zwei verschieden­artigen Materialien. Genauer gesagt geht es um Schicht­systeme aus supra­leitenden und halb­leitenden Materialien. „Es ist schon länger bekannt, dass man dafür Materialien mit sehr ähnlichen Kristall­strukturen auswählen muss, damit es an der Kontakt­fläche nicht zu Spannungen im Kristall­gitter kommt“, erklärt John Wright, der an der Cornell University in den USA Hetero­strukturen hergestellt hat.

Zwei in dieser Hinsicht passende Materialien sind der Supraleiter Niobnitrid sowie der Halbleiter Galliumnitrid. Letzterer spielt schon jetzt eine wichtige Rolle in der Halbleiter­elektronik und ist daher bereits gut erforscht. Bislang war jedoch unklar, wie genau sich die Elektronen an der Kontakt­fläche dieser beiden Materialien verhalten – und ob womöglich die Elektronen aus dem Halbleiter die Supraleitung stören und damit die Quanteneffekte auslöschen.

„Als ich auf die Forschung der Gruppe in Cornell stieß, wusste ich: Hier am PSI können wir mit unseren spektro­skopischen Methoden an der ADRESS-Strahllinie die Antwort auf diese grundlegende Frage finden“, erklärt Vladimir Strocov, Forscher an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz des Paul-Scherrer-Instituts. So kam es zu einer Zusammen­arbeit zwischen den beiden Gruppen. In ihren Experimenten fanden die Forscher heraus, dass die Elektronen in beiden Materialien „für sich“ bleiben: Es finden keine unerwünschten Wechsel­wirkungen statt, die die Quanten­effekte behindern könnten.

Die PSI-Forscher nutzten eine an der ADRESS-Strahllinie der SLS etablierte Methode: Winkel­auf­ge­löste Photo­elektronen­spektro­skopie mittels weicher Röntgen­strahlung – auf Englisch abgekürzt SX-ARPES. „Mit dieser Methode können wir die kollektive Bewegung der Elektronen im Material sichtbar machen“, erklärt Tianlun Yu vom PSI. Die SX-ARPES-Methode liefert eine Art Landkarte, deren räumliche Koordinaten in eine Richtung die Energie der Elektronen zeigt und in die andere Richtung so etwas wie ihre Geschwin­dig­keit; genauer gesagt ihren Impuls.

„In dieser Darstellung zeigen sich die elektro­nischen Zustände als helle Bänder“, erläutert Yu. Das entscheidende Forschungs­ergebnis: An der Material­grenze zwischen Niobnitrid und Galliumnitrid sind die jeweiligen Bänder klar vonein­ander getrennt. Daran konnten die Forscher ablesen: Die Elektronen bleiben in ihrem ursprüng­lichen Material und interagieren auch nicht mit den Elektronen im Nachbar­stoff.

„Die für uns wichtigste Schluss­folgerung ist, dass die Supraleitung im Niobnitrid ungestört bleibt, selbst wenn dieses Atom für Atom passend auf eine Schicht Galliumnitrid aufgesetzt wird“, sagt Vladimir Strocov vom PSI. „Damit konnten wir ein weiteres Puzzlestück liefern, das bestätigt: Dieses Schichtsystem könnte tatsächlich eine neue Form der Halbleiter­elektronik hervorbringen, welche die Quanten­effekte in Supraleitern einbindet und nutzt.“

PSI / RK

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