Harte «ballistische» Sojus-Landung
Mit einer schmerzhaft harten Landung weitab vom Ziel in der kasachischen Steppe sind drei Raumfahrer in einer russischen Sojus-Kapsel zur Erde heimgekehrt.
Harte «ballistische» Sojus-Landung
Moskau (dpa) - Mit einer schmerzhaft harten Landung weitab vom Ziel in der kasachischen Steppe sind drei Raumfahrer in einer russischen Sojus-Kapsel zur Erde heimgekehrt. Der russische Kosmonaut Juri Malentschenko (46), die US-Astronautin Peggy Whitson (48) und die südkoreanische Forscherin Yi So Yeon (29) wurden am Samstag kurzzeitig mit der bis zu neunfachen Erdbeschleunigung in ihre Konturensitze gepresst. Auf Fernsehbildern glich die Sojus-Kapsel nach der Landungstortur einem verkohlten Altglascontainer - nichts Ungewöhnliches wegen der gewaltigen Reibungshitze beim Eintritt in die Erdatmosphäre.
Ein technischer Fehler verursachte die ungesteuerte («ballistische») Landung des Sojus-Trios, bei dem erstmals Frauen in der Mehrzahl waren. Ein ähnliches Landeproblem gab es bereits bei der Rückkehr der vorherigen Langzeitbesatzung von der Internationalen Raumstation ISS im Oktober 2007. Am Sonntag traf die Sojus-Crew noch etwas wacklig auf den Beinen in Moskau ein.
«Jemand sollte mal klären, was da eigentlich los ist», sagte Malentschenkos erleichterte Ehefrau, Jekaterina, nach der glücklichen Landung. Gut 20 Minuten mussten Angehörige und Ingenieure am Samstag im Flugleitzentrum bei Moskau auf die beruhigende Nachricht aus der Steppe warten. In der Nähe der zentralkasachischen Stadt Arkalyk, 420 Kilometer vom eigentlichen Zielpunkt entfernt, entdeckten Hubschrauber die Sojus-Kapsel. Um 10.51 Uhr MESZ kam der erlösende Funkspruch: «Die Sojus ist gefunden. Alle Raumfahrer sind wohlauf.»
Im Normalfall soll die Sojus-Kapsel vom Kommandeur bei der Landung gesteuert werden. Das wird im monatelangen Astronautentraining mit Hilfe einer Zentrifuge geübt. Bis zu zweimal pro Woche müssen die Weltraum-Aspiranten in die Foltergeräte steigen, die auch den Kinohelden James Bond im Film «Moonraker» in Bedrängnis brachten.
Die russische Raumfahrt ist Extremsituationen gewohnt. Bei der seit Jahrzehnten bewährten Technik kommt es noch immer sehr auf die Fähigkeiten der Kosmonauten an. Doch selbst eine Landung wie am Samstag bringt die Russen nicht aus der Ruhe. Nicht von einer «Notlandung», sondern von einer «Reserve-Variante» war die Rede. Ungesteuert gingen Sojus-Kapseln auch schon im Mai 2003 und im Oktober 2007 nieder.
Der medizinische Leiter der russischen Flugleitzentrale, Anatoli Grigorjew, bezeichnete am Samstag den Gesundheitszustand des Trios als zufriedenstellend. Nach der Landung habe die Herzschlagfrequenz wieder bei 90 Schlägen pro Minute gelegen, auf die mancher Erwachsener schon im Ruhezustand kommt. Dabei war die Landung besonders heftig. Üblicherweise sind die Sojus-Insassen in der Extremphase einer bis zu vierfachen Erdbeschleunigung ausgesetzt. Zum Vergleich: Auf der Kirmes bringt es manches Karussell auf die 2,5-fache Erdbeschleunigung. Hilfreich sind in der Sojus-Kapsel Spezialsitze, die den Konturen der Raumfahrer angepasst wurden.
Wesentlich bequemer haben es die Raumfahrer an Bord der US- Shuttle, die wie Flugzeuge landen. Sie können sich auf dem Flug sogar frei bewegen, was in der Sojus-Kapsel, eng wie eine Sardinenbüchse, unmöglich ist. Der deutsche Astronaut Thomas Reiter hat beide Arten der Landung erlebt. «Beides hat seinen Reiz. Bei den Russen geht es auf jeden Fall etwas sportlicher zu», sagte der ausgebildete Kampfjetpilot vor Jahren in Moskau.
Für die Raumfahrt-Profis Whitson und Malentschenko bedeutete die stressige Rückkehr nur die Krönung eines ohnehin anstrengenden Langzeiteinsatzes auf der ISS. «Das war einer der intensivsten Einsätze in der Geschichte der Weltraumstationen», lobte ein Sprecher der russischen Raumfahrtbehörde. Die Crew empfing drei Space Shuttles und führte drei Außeneinsätze unter US-Führung durch. Auch das europäische Raumlabor «Columbus» musste an die ISS angeschlossen werden. Zudem führten die Raumfahrer eine Vielzahl von Experimenten in der Schwerelosigkeit durch.
Whitson und Malentschenko waren am 10. Oktober 2007 vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan gestartet. Als erste Frau übernahm Whitson später das Kommando der ISS. Es war ihr zweiter Einsatz im All. Insgesamt hat Whitson 377 Tage im Orbit verbracht - mehr als jeder andere US-Raumfahrer.
Malentschenko hatte bereits bei einem früheren Weltraumeinsatz Geschichte geschrieben. Vor fünf Jahren heiratete er als erster Mensch im All. Per Videoübertragung gab er 2003 seiner Frau Jekaterina das Jawort. Die erwartete nun mit der gemeinsamen Tochter auf dem Arm den Heimkehrer. Die Nanotechnologie-Expertin Yi So Yeon, die am 8. April 2008 zur Raumstation aufgebrochen war, geht als erste Südkoreanerin im All in die Annalen ein.
Stefan Voß, dpa