Harte Brocken, intelligent geknackt
Produktionsfehler und drohende Havarien lassen sich buchstäblich heraushören.
Kilian Wasmer von der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA kann die Erfolgsgeschichte selbst kaum glauben: Zusammen mit seinem Team hat er ein System zur Überwachung komplexer Produktionsprozesse patentiert, das sich in unterschiedlichsten Situationen einsetzen lässt. Und das, obwohl es anfangs für die Idee nicht gut aussah. „Ich sagte unserem Partner, ich schätze die Erfolgsaussichten auf etwa fünf Prozent. Aber wir werden es trotzdem versuchen“, berichtet Wasmer von den Anfängen des Projekts.
Abb.: Additive Manufacturing erlaubt es, kleinste Metallstrukturen mit komplexer Geometrie herzustellen. (Bild: EMPA)
Bei dem Partner handelt es sich um die Firma Selfrag aus Kerzers bei Bern, die Hochvoltgeneratoren herstellt, die mittels Blitzentladung Beton zertrümmern können. Der Vorteil: im Gegensatz zum Vorschlaghammer, der scharfkantige Betonbrocken mit gespaltenen Kieselsteinen erzeugt, zerlegt die Blitzentladung den Beton in seine Grundbausteine Kiesel, Sand und Zement – wodurch er komplett wiederverwertet werden kann. Doch bislang gab es keine geeignete Kontrollmöglichkeit, um zu bestimmen, ob der Blitz den Betonklumpen oder den Gesteinsbrocken auch getroffen hatte. Wasmer und sein Team sollten solch eine Methode entwickeln.
Die Forscher begannen, kleine Probekörper aus Plexiglas mit Hochvolt-
Der Erfolg bei der Blitz-Analyse in Echtzeit brachte das Team auf die Idee, auch andere, extrem laute Prozesse zu analysieren: quietschende, ratternde Maschinen. Wenn Wälzlager und andere bewegliche Metallteile unzureichend geölt sind, können sie festfressen. Das Problem verursacht weltweit beträchtliche Schäden. Doch gute Vorwarnsysteme gab es bislang nicht: Temperatursensoren, integriert in gefährdete Bauteile, erkennen eine Temperaturerhöhung leider erst, wenn das Fressen bereits begonnen hat und die Bauteile zerstört sind.
Wenn irgendetwas an einer Maschine quietscht, muss das nicht immer Grund für eine Totalrevision sein. Wer seine Produktionsmaschinen häufiger zerlegt und wartet als notwendig, verursacht unnötige Kosten. Wer zu lange wartet, riskiert aber, dass ein bewegliches Bauteil festfrisst und in der Folge weitere Teile der Maschine zerstört. Es gilt also, aus der Fülle von Geräuschen das entscheidende Quietschen herauszuhören – und zwar rechtzeitig, um die Maschine noch stoppen zu können.
Wasmers Team ließ auf einem Tribometer eine Walze aus gehärtetem Stahl auf einer gusseisernen Unterlage schaben, zeichnete die Geräusche auf, stoppte den Versuch in unterschiedlichen Phasen und untersuchte die Schäden unter dem Mikroskop. Es gelang den Forschern, aus dem Geräuschchaos, das die Stahlwalze auf dem Gusseisen erzeugte, die entscheidenden Hinweise herauszuhören. Die Forscher erkennen das Fressen nun mit achtzigprozentiger Sicherheit. Noch wichtiger: Die entscheidende Phase des Vorfressens kann mit einer Sicherheit von 65 Prozent erkannt werden, und zwar einige Minuten vor dem katastrophalen Ende. Das würde genügen, um viele Industriemaschinen rechtzeitig zu stoppen und vor schweren Schäden zu bewahren.
Das jüngste Projekt des Teams widmet sich dem „Additive Manufacturing“, dem Herstellen von metallischen Bauteilen aus Metallpulver, das von einem Laserstrahl aufgeschmolzen wird. Dieses neuartige Herstellungsverfahren kommt ohne Gussformen aus und eignet sich perfekt für geometrisch komplexe Einzelstücke. Doch bis heute ist es nötig, die Prozessparameter für eine bestimmte Legierung oder Anwendung genauestens einzuhalten. Jede Abweichung kann zu Poren, Rissen oder Eigenspannungen im Werkstück führen und es unbrauchbar machen.
Wasmer und seine Kollegen kombinierten akustische Sensoren mit maschinellem Lernen und analysierten die Messdaten mit einem erst 2016 beschriebenen Algorithmus. Mit dieser maschinellen Lernmethode gelang es ihnen, mit einer Trefferquote von über 83 Prozent zu unterscheiden, ob das Laserschmelzen zu heiß oder zu kalt ablief und damit unerwünschte Poren erzeugte. Die Forscher sind zuversichtlich, dass sich die Methode nicht nur auf Laser-
Schon jetzt hat ein Industriepartner vom Know-how der Gruppe profitiert: Die Firma Coherent Switzerland mit Sitz in Belp stellt seit nunmehr 44 Jahren Laserquellen und Bearbeitungsköpfe für Lasermaschinen her. Dank der Arbeit des EMPA-
EMPA / RK