Hauchdünn und leitfähig
Nanometerdünne Domänenwände in nicht-oxidischem Material zeigen hohe Leitfähigkeit.
Ein essenzieller Baustein der technologischen Weiterentwicklung ist die Reduktion der Größe elektronischer Bauteile. Die bisher verwendeten Methoden zur Produktion von elektronischen Bauteilen und Schaltkreisen wird jedoch in naher Zukunft an ihre Grenzen stoßen. Daher widmen sich Forscher der Entdeckung und Entwicklung grundlegend neuer Konzepte zur Umsetzung elektronischer Kleinst-Bauteile.
Als ferroelektrisch wird ein Material bezeichnet, wenn es eine spontane elektrische Polarisation aufweist. Diese Polarisation entsteht durch eine parallele Ausrichtung elektrischer Dipole. Ferroelektrische Materialien bestehen meist aus verschiedenen polaren Regionen, Domänen, welche sich in der Orientierung ihrer Polarisation unterscheiden.
Domänenwände wiederum sind nanometerdünne, im Grunde genommen zweidimensionale Schnittstellen, die zwei benachbarten Domänen voneinander trennen. Seit einigen Jahren werden diese Domänenwände intensiv untersucht, da sie physikalische Eigenschaften aufweisen können, die in den Domänen verboten sind und weil sie in Zukunft zur Realisierung von nanometergroßen elektronischen Komponenten beitragen können.
Faszinierenderweise zeigen die Domänenwände in einigen oxidischen, isolierenden Ferroelektrika eine ungewöhnlich hohe Leitfähigkeit. Diese leitfähigen Domänenwände könnten in Zukunft beispielsweise als nanometerdünne leitfähige Kabel in elektronischen Bauteilen Anwendung finden. Kristallographische Defekte und Sauerstofffehlstellen in diesen Oxiden erschweren jedoch deren mögliche Anwendung.
Forschungsgruppen unter der Leitung von István Kézsmárki (Universität Augsburg) und Manfred Fiebig (ETH Zürich) berichten nun erstmals über die Entdeckten hochleitfähige Domänenwände in einem nicht-oxidischen Material (GaV4S8) , also in einem Material, das keine Sauerstoffatome enthält.
Obwohl der Volumenanteil der Domänenwände verschwindend klein ist, dominieren sie die gesamte Leitfähigkeit des Materials. Die Domänenwände zeigen faszinierende geometrische Anordnungen, die zu quasi-eindimensionalen leitfähigen Kanälen und zweidimensionalen gefalteten leitfähigen Flächen führen. Die zick-zack-förmigen Domänenwände zeigen zudem sowohl Kopf-zu-Kopf- als auch Fuß-zu-Fuß-Anordnungen der Polarisation in den angrenzenden Domänen. Dies könnte auf alternierende Kanäle mit Elektronen- und Lochleitfähigkeit, also Leitfähigkeit von negativ und positiv geladenen Ladungsträgern, in unmittelbarer Nähe hinweisen.
Die leitfähigen Domänenwände in diesem nicht-oxidischen Material zeigen einzigartiges Verhalten mit vielversprechenden Funktionalitäten. Besonders hervorzuheben ist die starke Änderung ihrer Leitfähigkeit unter Einwirkung eines Magnetfelds und die Möglichkeit, die Domänenwände mit einem Magnetfeld zu bewegen und sogar ganz aus der Probe zu entfernen. Diese Annihilation der Domänenwände führt zu einer Änderung des Widerstandes einer makroskopischen Probe um einen Faktor von 108.
„Diese bemerkenswerten Entdeckungen sollten dazu beitragen, die reichhaltige Physik von Domänenwänden besser zu verstehen und könnten den Weg für die Nutzung von Domänenwänden in zukünftigen elektronischen Bauelementen, wie beispielsweise nanometergroßen Datenspeicherelementen mit hoher Datenkapazität, ebnen“, erklärt Somnath Ghara, der als Postdoktorand am Lehrstuhl für Experimentalphysik V an der Forschung beteiligt war.
U. Augsburg / DE