11.11.2010

Hawking-Strahlung nachgewiesen?

Mit intensiven Laserpulsen haben italienische Forscher in einem Glasblock zwei Ereignishorizonte hergestellt und die davon ausgehende Strahlung beobachtet.

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Mit intensiven Laserpulsen haben italienische Forscher in einem Glasblock zwei Ereignishorizonte hergestellt und die davon ausgehende Strahlung beobachtet.

Nichts kann dem Gravitationsfeld eines Schwarzen Loches entrinnen – weder Materie noch Licht – wenn es ihm einmal zu nahe gekommen und in seinen „Ereignishorizont“ geraten ist. Doch 1974 sagte Stephen Hawking vorher, dass Schwarze Löcher nicht völlig schwarz sind sondern aufgrund von Quanteneffekten am Ereignishorizont Strahlung abgeben sollten. Diese Hawking-Strahlung ist allerdings derart schwach, dass ein direkter Nachweis als äußerst unwahrscheinlich gilt. Doch seit einigen Jahren bemühen sich zahlreiche Forscher, künstliche Ereignishorizonte herzustellen und die an ihnen spontan entstehende Strahlung nachzuweisen. Jetzt scheint dies italienischen Physikern gelungen zu sein.

 

 

Abb.: Die mutmaßliche Hawking-Strahlung um 850 nm: Ihre Bandbreite nimmt linear mit der Intensität der Laserpulse zu, durch die die Ereignishorizonte entstehen. (Bild: F. Belgiorno et al., Phys. Rev. Lett. 105, 203901 (2010), The American Physical Society)

 

Daniele Faccio an der Università dell’Insubria in Como und seine Kollegen haben mit intensivem gepulstem Laserlicht von 1055 nm Wellenlänge in einem 2 cm langen Glasblock den Brechungsindex so verändert, dass mit jedem Puls zwei mobile Ereignishorizonte entstanden. Jeder Laserpuls erzeugte im Glas ein infrarotes Lichtfilament, das sich durch den Glasblock bewegte und längs seiner Ausbreitungsrichtung ein Intensitätsprofil mit einem ausgeprägten Maximum hatte. Aufgrund des Kerr-Effekts erhöhte sich der Brechungsindex des Glases umso stärker, je größer die Lichtintensität war. Es entstand im Glas ein Brechungsindexprofil, das die Form des pulsförmigen Intensitätsprofils des Lichtfilaments hatte und sich mit ihm mitbewegte.

Breiteten sich im Glasblock andere Lichtwellen aus, die eine kürzere Wellenlänge hatten als das infrarote Lichtfilament, so wurden sie dabei durch das Brechungsindexprofil stark beeinflusst. Und zwar wurden die Lichtwellen umso langsamer je näher sie dem Maximum des Profils kamen. Für Licht eines bestimmten Wellenlängenbereichs gab es an der Vorderfront und an der Rückseite des Profils jeweils einen Punkt, an dem die Lichtwellen dieselbe Phasengeschwindigkeit hatten wie das Lichtfilament. Diese beiden Punkte spielten die Rolle von Ereignishorizonten.

Kam eine Lichtwelle dem Filament zu nahe und geriet dabei zwischen die beiden Horizonte, so bewegte sich die Welle langsamer als das Filament und wurde von ihm überholt. Der Horizont an der Vorderfront des Lichtpulses entsprach dem Ereignishorizont eines Schwarzen Loches: Lichtwellen vor ihm konnten dem Filament entfliehen, Lichtwellen hinter ihm jedoch nicht. Der andere Horizont an der Rückseite des Lichtpulses entsprach dem eines hypothetischen Weißen Loches, in das nicht eindringen kann: Lichtwellen hinter dem Filament konnten es nicht einholen sondern sich ihm nur asymptotisch annähern.

Diese beiden künstlichen Ereignishorizonte haben natürlich nichts mit Gravitationsfeldern zu tun. Doch es scheint, als sei es für die Entstehung der Hawking-Strahlung nebensächlich, ob ein Ereignishorizont durch die Gravitation oder durch eine andere Ursache zustande kommt. Entscheidend ist, dass Paare von virtuellen Teilchen auf unterschiedlichen Seiten eines Horizonts durch Quanteneffekte entstehen. Durch den Einfluss des Horizonts können sie zu zwei realen Teilchen werden, die sich dann in entgegen gesetzte Richtungen davon bewegen.

Die italienischen Forscher haben untersucht, ob die Lichtfilamente mit ihren beiden Ereignishorizonten Strahlung im Bereich zwischen 850 nm und 900 nm erzeugen, die sich nicht auf herkömmliche Weise erklären lässt, etwa durch Streuung, Fluoreszenz oder durch den Tscherenkow-Effekt. Mit einem Spektrometer und einem CCD-Detektor haben sie das Licht analysiert, das aus dem Glasblock senkrecht zur Richtung des Laserstrahls entwich und im Gegensatz zu diesem unpolarisiert war. Tatsächlich beobachteten sie eine sehr schwache Strahlung, die etwa einem Photon auf hundert Laserpulse entsprach. Die Wellenlängen der registrierten Strahlung langen in einem Bereich, für den auch wirklich zwei Horizonte auftraten. Wurde die Intensität der Laserpulse erhöht, so wurde die gemessene Strahlung breitbandiger, wie es ihre Erzeugung durch die Horizonte erwarten ließ.

Die Forscher sind davon überzeugt, dass das es sich bei dem von ihnen nachgewiesenen Licht tatsächlich um Hawking-Strahlung handelt, die von den beiden Horizonten der Lichtfilamente abgegeben wurden. Doch es bleiben noch viele Fragen offen. So würde man nicht erwarten, dass die Hawking-Strahlung senkrecht zur Laserstrahlrichtung und damit parallel zu den Horizonten abgegeben wird. Auch die paarweise Entstehung der Photonen an einem Horizont durch Spontanemission müsste man genauer untersuchen, indem man die Korrelation und die Verschränkung der Photonen misst. Dies ist mit dem vorliegenden experimentellen Aufbau jedoch nur schwer möglich. Stattdessen könnte man auch in Glasfasern mit Laserpulsen Ereignishorizonte herstellen, wie das andere Forscher schon getan haben. Hier ließen sich die Photonen der Hawking-Strahlung besser analysieren.

RAINER SCHARF

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