08.09.2021

Heißblütiger topologischer Isolator

Robustes topologisches Material ist ferromagnetisch bis knapp fünfzig Kelvin.

Quanteneffekte machen sich vor allem bei extrem tiefen Temperaturen bemerkbar, was ihren Nutzen für technische Anwendungen einschränkt. Dünnschichten aus MnSb2Te4 zeigen jedoch neue Talente, weil sie zu einem kleinen Überschuss an Mangan neigen. Offenbar sorgt die entstehende Unordnung für spektakuläre Eigenschaften: Das Material erweist sich als topologischer Isolator und ist ferro­magnetisch bis zu vergleichsweise hohen Temperaturen von fünfzig Kelvin, zeigen Messungen an BESSY II. Damit kommt diese Materialklasse für Quantenbits in Frage, aber auch generell für die Spintronik oder Anwendungen in der Hoch­präzisions-Metrologie.

Abb.: Der Dirac-Kegel ist typisch für topologische Isolatoren und auf allen...
Abb.: Der Dirac-Kegel ist typisch für topologische Isolatoren und auf allen Bildern praktisch unverändert (ARPES-Messungen an BESSY II). Der blaue Pfeil zeigt zusätzlich die Valenz­elektronen im Volumen. (Bild: HZB)

Quanteneffekte wie der anomale Quanten-Hall-Effekt ermöglichen Sensoren mit höchster Empfindlichkeit, sind die Grundlage für spintronische Bauelemente in künftigen Informations­­technologien und auch für Qubits in Quanten­computern der Zukunft. Doch in der Regel zeigen sich die dafür relevanten Quanten­effekte nur bei sehr tiefen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und in besonderen Material­systemen deutlich genug, um nutzbar zu sein.

Nun hat ein internationales Team um Oliver Rader, Helmholtz-Zentrum Berlin, und Gunther Springholz, Universität Linz, in Dünnschichten von MnSb2Te4 zwei besonders wichtige physikalische Eigenschaften beobachtet: Solche Strukturen sind robuste topologische Isolatoren und außerdem ferromagnetisch bis zu knapp fünfzig Kelvin. „Den bislang publizierten theoretischen Betrachtungen zufolge, sollte das Material weder ferro­magnetisch noch topologisch sein“, sagt Rader. „Wir haben genau diese beiden Eigenschaften nun aber experimentell nachgewiesen.“

Die Gruppe kombinierte Messungen von spin- und winkel­aufgelöster Photo­emissions­spektroskopie (ARPES) und magnetischen Röntgen­­zirkular­dichroismus (XMCD) an BESSY II, untersuchte die Oberflächen mit Raster­tunnel­­mikroskopie (STM) und -spektroskopie (STS), und führte weitere Untersuchungen durch. „Dadurch ist nun auch klar, warum in diesem Fall die theoretische Betrachtung zu einem anderen Resultat gekommen ist – die Theorie ging von einer ideal geordneten Struktur aus, aber wir sehen, dass die zusätzlichen Mangan-Atome zu einer gewissen Unordnung geführt haben. Das erklärt den Unterschied“, so Rader.

Die Eigenschaften sind außerordentlich robust und treten bis zu einer Temperatur von knapp fünfzig Kelvin auf, das liegt dreimal höher als bei den besten ferro­magnetischen Systemen zuvor. Damit ist dieses Material ein interessanter Kandidat für die Spintronik und sogar für Qubits.

HZB / DE

 

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