Heiße Physik im Yellowstone-Park
Die Farbspiele der heißen Quellen im Yellowstone-Nationalpark lassen sich physikalisch erklären. Aber die Pracht des Morning Glory Pools ist Folge einer „Münzenverstopfung“.
Neben seiner spektakulären Tierwelt ist der Yellowstone-Park vor allem für seine geothermalen Quellen und Geysire berühmt. Besonders eindrucksvoll ist das intensive Farbspiel vieler heißer Quellen (Abbildung 1 links). Wie kommt diese faszinierende Farbenpracht zustande?
Abb. So bunt wie heute war der Morning Glory Pool (links) nicht immer, die Simulation rechts zeigt sein historisches Aussehen mit einem weiß-blauen Farbübergang.
Seit Jahrzehnten untersuchen Biologen die Lebensformen in diesen heißen Quellen, thermophile Bakterien und Algen. Diese bilden auf den Felswänden der Quelltöpfe Biofilme und sollen so deren Farbenpracht verursachen. Die Art der jeweils siedelnden Bakterien und Algen hängt stark von der Wassertemperatur ab. Allerdings ist der Zusammenhang zwischen Farbe und Temperatur, wie er den Parkbesuchern anhand von Tabellen erklärt wird, nicht eindeutig und versagt bei tiefen Quellen. In diesen Fällen muss man zusätzlich die Lichtabsorption und Streuung am Wasser berücksichtigen, die das Spektrum des beobachteten Lichts deutlich verändern.
Im Prinzip kennen wir den Effekt aus dem Alltag: Wenn wir ein farbiges Objekt, zum Beispiel in intensivem Gelb, ins Wasser werfen, so verändert es beim Versinken in tieferes Wasser seine Farbe. Dabei passieren zwei Dinge: Erstens verschiebt sich der Farbeindruck durch die Lichtstreuung an den Wassermolekülen zwischen Oberfläche und Objekt zunehmend ins Blaue. Das Gelb wird zunächst grünlich und letztlich in großer Tiefe bläulich. Zweitens sinkt die Objekthelligkeit und damit der Kontrast zur Umgebung durch Lichtabschwächung im Wasser immer weiter, bis das Objekt in großer Tiefe vollständig in blauer Umgebung verschwindet.
Mit unseren Messungen und Simulationsrechnungen konnten wir zeigen, wie die Farbspiele in den heißen Quellen genau entstehen. Das Simulationsmodell berücksichtigt alle wesentlichen direkten Lichtreflexe und diffuse Lichtstreuungsanteile an der Wasseroberfläche, im Wasser und am Biofilm der Mikroorganismen auf der Felswand der Quelle. Die technischen Einzelheiten erklärt unser Artikel im aktuellen Heft von „Physik in unserer Zeit.“
Eines unserer Untersuchungsobjekte war der berühmte Morning Glory Pool, dessen Farben von orange im flachen, kühleren Wasser bis zu einem Blaugrün im 7 m tiefen Trichter verlaufen. Diesen Farbverlauf kann unsere Simulation sehr gut mit einigen einfachen Annahmen nachbilden. Die Simulationsergebnisse passen auch bestens zu den Reflexionsspektren, die wir in bestimmten Bereichen an der Quelle gemessen haben.
Heute ist der Morning Glory Pool prachtvoll bunt. Berichte aus früheren Zeiten vor mehr als fünfzig Jahren schildern ihn dagegen als weiß bis blau. Schließlich ist er auch nach einer blauweißen Blume benannt. Belegt ist zudem, dass die Quelle früher etwa 78 °C heiß war, im Gegensatz zu den knapp 70 °C heute. Bei der höheren Temperatur können keine Algen mehr existieren, somit gab es damals keinen Biofilm auf den Wänden. Unter dieser Annahme ergab unsere Simulation tatsächlich einen weiß-blauen Farbverlauf für den historischen Morning Glory Pool (Abbildung 1rechts). Einen solchen Farbverlauf zeigt zum Beispiel der Sapphire Pool, der mit über 90°C zu den derzeit heißesten Quellen des Yellowstone gehört.
Es stellt sich die Frage, wieso der Morning Glory Pool abkühlte. Die Antwort ist einfach: Die jetzige Farbenpracht ist – leider – durch Menschen verursacht. Touristen warfen immer wieder Münzen, wohl als Glücksbringer, in die Quelle. Ihr Zufluss verstopfte dadurch teilweise, sodass weniger heißes Wasser nachströmen kann.
Michael Vollmer, TH Brandenburg, Joseph Shaw und Paul Nugent, Montana State University, USA
Eine ausführliche physikalische Betrachtung der Farbgebung in heißen Quellen finden sie im aktuellen Heft von Physik in unserer Zeit