Heiße Steine speichern Windstrom
Pilotprojekt in Hamburg ebnet Weg für effizienten Zwischenspeicher.
Dass ein Sturmtief auch Positives bewirken kann, zeigte sich am 1. Dezember 2016. Die Unwetterfront „Theresa“ sorgte dafür, dass deutschlandweit zeitweise mehr als 31.000 Megawatt Windstrom ins Netz eingespeist wurden. Da an windarmen Tagen der Stromertrag ganz anders aussieht, entstehen Fluktuationen, die ausgeglichen werden müssen, um die Netzstabilität zu sichern. Hierfür werden Speichertechnologien immer wichtiger.
Abb.: Mit Windstrom wollen die Entwickler einen Berg Steine erhitzen, bis er glüht. Bei Bedarf geben diese ihre Wärme an einen Dampfkessel ab, um einen Generator anzutreiben. (Bild: Siemens)
Future Energy Solution, kurz FES genannt, heißt eine neue Energiespeicherlösung, die Siemens mit der Technischen Universität Hamburg-Harburg und dem Energieversorger Hamburg Energie im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projektes „Future Energy Systems“ entwickelt. Die in Hamburg installierte großtechnische Demonstrationsanlage eines Energiespeichers kann Windstrom über einen Zeitraum von mehreren Stunden bis zu einem Tag speichern. Mit einer solchen Anlage soll das Problem gelöst werden, wie sich von Windturbinen erzeugte Energie kostengünstig zwischenspeichern lässt, sofern sie im Stromnetz nicht gebraucht wird oder wegen Überlastung nicht transportiert werden kann.
In der Anlage wird überschüssige Windenergie in Wärme umgewandelt, die in eine mit einem Isoliermantel geschützte Steinschüttung geleitet wird. Dabei erhitzen sich die Steine auf Temperaturen von über 600 Grad Celsius. Besteht Bedarf an der gespeicherten Energie, wird ein Luftstrom über die Steine geleitet und erhitzt, um damit einen Dampfkreis zu betreiben. Somit entsteht erneut Strom. Der einfache Aufbau mit Natursteinen ist kostengünstig und macht den Wärmespeicher zu einer äußerst wirtschaftlichen Lösung. Er könnte sich zu einer idealen Ergänzung bereits bestehender Speichertechnologien für die Energiewende entwickeln.
Seit 2016 untersuchten Siemens-Ingenieure in einer Testanlage in Erlangen detailliert den Wärmetransport innerhalb der Steinschüttung. „Der thermische Speicher ist das Herzstück der Hamburger Anlage“, sagt Projektleiter Vladimir Danov. „Um ihre Gesamteffizienz zu erhöhen und die Anlage auch im Kraftwerksmaßstab bauen zu können, ist es besonders wichtig, die Wärmetransportphänomene im Speicher zu verstehen.“ Danov und sein Team interessieren sich für die Strömungs- und Wärmeverteilung, deren Schwankungen sowie die Verluste des Energiespeichers. Denn je genauer sie den Wärmetransport in der Schüttung nachvollziehen können, desto besser lässt sich der Wärmespeicher an die Erfordernisse der Gesamtanlage anpassen.
Die etwa fünf Meter lange Anlage ist in einem Container verbaut. Statt Steinen lagern zu Testzwecken Keramikkugeln in dem Speicher – rund 13.000 Stück. „Ihr Vorteil: Sie haben alle die gleiche Größe und Form, sodass der Wärmetransport und die Vorgänge in der Schüttung leichter zu berechnen sind“, erklärt Danov. „Keramikkugeln verwenden wir aber nur in der aktuellen Testphase“, erklärt der Projektleiter. „Im nächsten Schritt füllen wir den Speicher mit Natursteinen, um den Einfluss unregelmäßiger Formen und verschiedener Stoffdaten auf den Wärmetransport zu untersuchen.“ Für die großtechnische Umsetzung kommen Keramikkugeln somit nicht in Frage – sie sind schlichtweg zu teuer. Die Forscher suchen derzeit noch nach dem idealen Gestein, haben aber bereits einige Favoriten identifiziert. Klar ist: Je höher die thermische Stabilität der Steine, desto langlebiger und effizienter der Speicher.
Ob Kugeln oder Steine – die große Herausforderung ist die Beobachtung der Wärmetransportvorgänge in der Schüttung. Um möglichst detaillierte Erkenntnisse zu erhalten, haben die Forscher rund 50 Thermoelemente in den Speicher verbaut. Diese messen an verschiedenen Punkten in der Steinschüttung die Temperatur. Daneben überwachen die Experten den Luftvolumenstrom sowie den Druckverlust im Innern des Speichers. „Unsere Erkenntnisse helfen, das Anlagenkonzept künftig in einen größeren Maßstab zu überführen“, sagt Jochen Schäfer, Leiter der Forschungsgruppe Distributed Energy Systems and Heat Conversion.
Zuvor aber ist es das Ziel, einen Speicher als Gesamtanlage mit Rückverstromung zu bauen. Dieser Teil fehlt derzeit noch bei den Prototypen in Hamburg und in Erlangen, da der Fokus bislang auf dem Wärmefluss durch die Schüttung lag. Anfang 2018 soll auf dem Gelände der Aluminiumhütte Trimet in Hamburg-Altenwerder eine Komplettanlage, bestehend aus Speicher und Rückverstromung, entstehen. Ihr Wirkungsgrad wird 25 Prozent betragen. Der Wirkungsgrad einer großtechnischen Anlage mit einer Leistung von mehr als 100 Megawatt könnte dann bis auf 50 Prozent ansteigen. Damit wäre der Speicher ein wichtiger Baustein für die Energiewende.
Siemens / JOL