18.02.2004

Heißer Quantenfußball

Nanometergroße Fußbälle interferrieren an der Torwand – vorausgesetzt sie sind nicht zu heiß.



Schießt man nanometergroße Fußbälle auf eine Torwand, dann werden quantenmechanische Interferenzeffekte sichtbar – vorausgesetzt die Bälle sind nicht zu heiß, berichten Anton Zeilinger und seine Mitarbeiter.

Der Ball ist rund, wie schon Sepp Herberger wusste, und gehorcht normalerweise den Gesetzen der klassischen Physik. Lässt man einen Fußball jedoch auf die Größe eines Fullerenmoleküls schrumpfen, dann macht sich die Quantenmechanik bemerkbar. In einem grundlegenden Experiment hatte vor fünf Jahren die Gruppe von Anton Zeilinger an der Universität Wien die quantenmechanischen Welleneigenschaften von C 60-Molekülen nachgewiesen. Nachdem die Moleküle durch ein Beugungsgitter geflogen waren, ordneten sie sich in einem deutlich sichtbaren räumlichen Interferenzmuster an. Doch woran liegt es, dass man solch ein Muster nicht auch für normale Fußbälle sieht?

Da sind zum einen die störenden Umwelteinflüsse, die die quantenmechanischen Interferenzen zunichte machen können. Im letzten Jahr hatten die Wiener Forscher gezeigt, dass häufige Zusammenstöße der Fußballmoleküle mit Gasmolekülen dazu führen, dass das Interferenzmuster verschwindet. Da richtige Fußbälle eine wesentlich kleinere de Broglie-Wellenlänge haben als die Fullerene, ist ihr Interferenzmuster auch wesentlich feiner und fragiler. Es wird sofort zerstört, wenn der Fußball mit den Molekülen der Luft kollidiert.

Doch die Interferenzmuster können auch verschwinden, ohne dass störende äußere Einflüsse auf die Fußballmoleküle wirken. Das hat sich jetzt bei Experimenten der Wiener Forscher mit den etwas größeren C 70-Molekülen gezeigt. Wenn ein Molekül auf seinem Weg durch das Interferometer Photonen von hinreichend kurzer Wellenlänge abstrahlt, dann ließe sich anhand dieser Photonen im Prinzip der Weg des Moleküls durch das Interferometer verfolgen. Beim berühmten Doppelspaltexperiment entspräche dies dem Fall, dass das Teilchen mit Sicherheit durch den einen Spalt geflogen ist, weil man den anderen zugehalten hat. Hier – wie auch im Falle des strahlenden C 70-Moleküls – verschwindet daraufhin das Interferenzmuster.

Mit solchen C 70-Molekülen wurden die Experimente durchgeführt (Quelle: Zeilinger/Wien)

Um C 70-Moleküle zum Strahlen anzuregen, haben die Forscher sie erhitzt, indem sie sie mehrfach durch einen Laserstrahl fliegen ließen. Mit jedem absorbierten Laserphoton erhöhte sich die Temperatur eines Moleküls um 140 K. Durch Veränderung der Laserintensität ließ sich die Temperatur der Moleküle zwischen 1000 K und 3000 K regulieren. Je höher die Temperatur war, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass die Moleküle Elektronen abgaben. Anhand der Anzahl der auftretenden Ionen konnte man die Temperatur der Moleküle ermitteln. Bei der Ionisation wurden die Moleküle durch den Rückstoß der Elektronen so aus der Bahn geworfen, dass sie nicht mehr durch das Interferometer flogen. Es blieben aber noch genug heiße, intakte Moleküle für das nachfolgende Interferenzexperiment übrig.

Die heißen, nichtionisierten C 70-Moleküle durchquerten das Interferometer, das aus drei hintereinander angebrachten feinen Gittern bestand. Hinter dem dritten Gitter wurde die räumliche Verteilung der Moleküle gemessen. Waren die Moleküle weniger als 1000 K heiß, so konnten die Forscher ein deutliches Interferenzmuster beobachten. Wurde die Temperatur der Moleküle schrittweise auf bis zu 3000 K erhöht, so nahm die Sichtbarkeit des Interferenzmusters langsam ab und das Muster verschwand schließlich.

Je heißer die Moleküle waren, als sie durch das Interferometer flogen, umso mehr Photonen strahlten sie ab und umso kurzwelliger waren diese Photonen. Für eine Temperatur von mehr als 2000 K war die Wellenlänge der abgestrahlten Photonen so klein, dass man mit ihrer Hilfe den Weg der Moleküle durch das Interferometer hätte verfolgen können. Durch ihre Wärmestrahlung hatten sich die Moleküle gewissermaßen selbst lokalisiert und dadurch ihre Interferenz zerstört. Da dies jedoch erst bei recht hohen Temperaturen geschah, sind die Forscher zuversichtlich, dass man bei Zimmertemperatur auch für wesentlich größere Moleküle wie etwa Proteine noch quantenmechanische Interferenzen beobachten kann. Und Fußbälle? Durch die von ihnen abgegebene Wärmestrahlung „lokalisieren“ sie sich fortwährend selber, sogar schon bei normalen Temperaturen. Die quantenmechanischen Interferenzen bleiben dabei leider auf der Strecke.

Rainer Scharf

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