04.09.2018

Heller Blitz aus Quantenlicht

Defekte im Diamantgitter machen Super­radianz beobacht­bar.

Theoretisch vorhergesagt wurde das Phänomen der Super­radianz schon vor Jahr­zehnten – doch im Experi­ment ist es sehr schwer nach­zu­weisen. Wenn ein Atom Energie in Form von Licht abgibt und dabei eine große Zahl anderer Atome in unmittel­barer Nach­bar­schaft dazu bringt, eben­falls zur selben Zeit Energie abzu­strahlen, ent­steht ein kurzer, inten­siver Licht­blitz. Was bisher nur bei freien Atomen und unter Aus­nutzung spezi­eller Symme­trien möglich war, gelang an der TU Wien jetzt in einem Fest­körper­system. Ver­wendet wurden Stick­stoff­atome, ein­ge­baut in winzige Diamanten, die mit Mikro­wellen­strahlung gekoppelt werden können.

Abb.: Im regelmäßigen Diamantgitter gibt es spezi­elle Defekte, welche aus einem Stick­stoff­atom (weiß) und einem fehlen­den Kohlen­stoff­atom bestehen. Die Elek­tronen­wolken sind hell­blau dar­ge­stellt. (Bild: TU Wien)

Nach den Gesetzen der Quantenphysik können sich Atome in unter­schied­lichen Zuständen befinden. „Wenn das Atom Energie aufnimmt, befindet es sich in einem ange­regten Zustand. Kehrt es dann zu einem Zustand niedri­gerer Energie zurück, wird die Energie in Form eines Photons wieder abge­geben. Das geschieht normaler­weise rein zufällig, zu einem völlig unvor­her­seh­baren Zeit­punkt“, erklärt Johannes Majer von der TU Wien. Wenn sich mehrere Atome nah genug bei­ein­ander auf­halten, kann aller­dings ein interes­santer Quanten­effekt auf­treten: Eines der Atome sendet spontan und zufällig ein Photon aus und beein­flusst damit alle anderen ange­regten Atome in seiner Nach­bar­schaft. Viele von ihnen geben ihre über­schüs­sige Energie im selben Augen­blick ab, ein inten­siver Quanten-Licht­blitz ent­steht.

„Leider ist dieser Effekt bei gewöhnlichen Atomen nicht direkt beob­acht­bar“, sagt Andreas Angerer von der TU Wien. „Super­radianz ist nämlich nur dann möglich, wenn man die Atome in einem Bereich ver­sammelt, der deut­lich kleiner ist als die Wellen­länge der Photonen.“ Man müsste die Atome also auf deut­lich weniger als hundert Nano­meter kon­zen­trieren – und dann wiederum wären die Wechsel­wirkungen zwischen den Atomen so stark, dass der Effekt nicht mehr möglich wäre.

Einen Ausweg bietet ein Quantensystem, an dem Majer mit seinem Team seit Jahren forscht: Winzige Defekte, eingebaut in Diamanten. Während gewöhn­liche Diamanten aus einem regel­mäßigen Gitter aus Kohlen­stoff­atomen bestehen, wurden in die Diamanten in Majers Labor gezielt Gitter­fehler eingebaut. An bestimmten Stellen sitzt statt eines Kohlen­stoff­atoms ein Stick­stoff­atom, die daneben­liegende Stelle im Diamant­gitter ist unbe­setzt. Diese Diamanten mit gezielten Gitter­fehlern wurden in Japan her­ge­stellt, von Junichi Isoya und seinem Team an der Univer­sität von Tsukuba. Ihnen ist es gelungen, die welt­höchste Konzen­tra­tion dieser gewünschten Defekte zu produ­zieren, ohne andere Schäden zu erzeugen.

Genau wie gewöhnliche Atome kann man auch diese Diamant-Defekte in einen ange­regten Zustand ver­setzen – aller­dings gelingt das mit Photonen im Mikro­wellen­bereich. „Unser System hat den ent­schei­denden Vor­teil, dass wir dort mit elektro­magne­tischer Strah­lung arbeiten können, die eine Wellen­länge von mehreren Zenti­metern hat – daher ist es kein Problem, die ein­zelnen Defekt­stellen im Radius einer Wellen­länge zu konzen­trieren“, erklärt Angerer. Wenn man zahl­reiche Diamant­defekte in einen ange­regten Zustand ver­setzt, kann es normaler­weise Stunden dauern, bis sie alle in den Zustand niedri­gerer Energie zurück­ge­kehrt sind. Durch den Super­radianz-Effekt aller­dings geschieht das inner­halb von etwa hundert Nano­sekunden. Das erste Photon, das aus­ge­sendet wird, bringt spontan alle anderen Defekt­stellen dazu, eben­falls Photonen aus­zu­senden.

Superradianz beruht auf demselben Grundprinzip wie der Laser – in beiden Fällen kommt es zur stimu­lierten Emission von Photonen, aus­gelöst durch ein Photon, das auf ener­getisch ange­regte Atome trifft. Dennoch handelt es sich um zwei recht unter­schied­liche Phäno­mene: Beim Laser ist perma­nent ein Hinter­grund aus sehr vielen Photonen nötig, die ständig neue Atome anregen. Bei der Super­radianz löst ein ein­ziges Photon ganz alleine einen Licht­blitz aus. „In gewissem Sinn ist das quanten­physi­ka­lisch die viel interes­santere Variante. Man studiert heute viele neu­artige Quanten­effekte, in denen die Ver­schrän­kung vieler Teil­chen eine wichtige Rolle spielt. Super­radianz gehört dazu. Ich vermute, dass das in den nächsten Jahr­zehnten zu einer Quanten­techno­logie 2.0 führen wird“, hofft Majer.

TU Wien / RK

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