Heller Blitz aus Quantenlicht
Defekte im Diamantgitter machen Superradianz beobachtbar.
Theoretisch vorhergesagt wurde das Phänomen der Superradianz schon vor Jahrzehnten – doch im Experiment ist es sehr schwer nachzuweisen. Wenn ein Atom Energie in Form von Licht abgibt und dabei eine große Zahl anderer Atome in unmittelbarer Nachbarschaft dazu bringt, ebenfalls zur selben Zeit Energie abzustrahlen, entsteht ein kurzer, intensiver Lichtblitz. Was bisher nur bei freien Atomen und unter Ausnutzung spezieller Symmetrien möglich war, gelang an der TU Wien jetzt in einem Festkörpersystem. Verwendet wurden Stickstoffatome, eingebaut in winzige Diamanten, die mit Mikrowellenstrahlung gekoppelt werden können.
Abb.: Im regelmäßigen Diamantgitter gibt es spezielle Defekte, welche aus einem Stickstoffatom (weiß) und einem fehlenden Kohlenstoffatom bestehen. Die Elektronenwolken sind hellblau dargestellt. (Bild: TU Wien)
Nach den Gesetzen der Quantenphysik können sich Atome in unterschiedlichen Zuständen befinden. „Wenn das Atom Energie aufnimmt, befindet es sich in einem angeregten Zustand. Kehrt es dann zu einem Zustand niedrigerer Energie zurück, wird die Energie in Form eines Photons wieder abgegeben. Das geschieht normalerweise rein zufällig, zu einem völlig unvorhersehbaren Zeitpunkt“, erklärt Johannes Majer von der TU Wien. Wenn sich mehrere Atome nah genug beieinander aufhalten, kann allerdings ein interessanter Quanteneffekt auftreten: Eines der Atome sendet spontan und zufällig ein Photon aus und beeinflusst damit alle anderen angeregten Atome in seiner Nachbarschaft. Viele von ihnen geben ihre überschüssige Energie im selben Augenblick ab, ein intensiver Quanten-
„Leider ist dieser Effekt bei gewöhnlichen Atomen nicht direkt beobachtbar“, sagt Andreas Angerer von der TU Wien. „Superradianz ist nämlich nur dann möglich, wenn man die Atome in einem Bereich versammelt, der deutlich kleiner ist als die Wellenlänge der Photonen.“ Man müsste die Atome also auf deutlich weniger als hundert Nanometer konzentrieren – und dann wiederum wären die Wechselwirkungen zwischen den Atomen so stark, dass der Effekt nicht mehr möglich wäre.
Einen Ausweg bietet ein Quantensystem, an dem Majer mit seinem Team seit Jahren forscht: Winzige Defekte, eingebaut in Diamanten. Während gewöhnliche Diamanten aus einem regelmäßigen Gitter aus Kohlenstoffatomen bestehen, wurden in die Diamanten in Majers Labor gezielt Gitterfehler eingebaut. An bestimmten Stellen sitzt statt eines Kohlenstoffatoms ein Stickstoffatom, die danebenliegende Stelle im Diamantgitter ist unbesetzt. Diese Diamanten mit gezielten Gitterfehlern wurden in Japan hergestellt, von Junichi Isoya und seinem Team an der Universität von Tsukuba. Ihnen ist es gelungen, die welthöchste Konzentration dieser gewünschten Defekte zu produzieren, ohne andere Schäden zu erzeugen.
Genau wie gewöhnliche Atome kann man auch diese Diamant-Defekte in einen angeregten Zustand versetzen – allerdings gelingt das mit Photonen im Mikrowellenbereich. „Unser System hat den entscheidenden Vorteil, dass wir dort mit elektromagnetischer Strahlung arbeiten können, die eine Wellenlänge von mehreren Zentimetern hat – daher ist es kein Problem, die einzelnen Defektstellen im Radius einer Wellenlänge zu konzentrieren“, erklärt Angerer. Wenn man zahlreiche Diamantdefekte in einen angeregten Zustand versetzt, kann es normalerweise Stunden dauern, bis sie alle in den Zustand niedrigerer Energie zurückgekehrt sind. Durch den Superradianz-
Superradianz beruht auf demselben Grundprinzip wie der Laser – in beiden Fällen kommt es zur stimulierten Emission von Photonen, ausgelöst durch ein Photon, das auf energetisch angeregte Atome trifft. Dennoch handelt es sich um zwei recht unterschiedliche Phänomene: Beim Laser ist permanent ein Hintergrund aus sehr vielen Photonen nötig, die ständig neue Atome anregen. Bei der Superradianz löst ein einziges Photon ganz alleine einen Lichtblitz aus. „In gewissem Sinn ist das quantenphysikalisch die viel interessantere Variante. Man studiert heute viele neuartige Quanteneffekte, in denen die Verschränkung vieler Teilchen eine wichtige Rolle spielt. Superradianz gehört dazu. Ich vermute, dass das in den nächsten Jahrzehnten zu einer Quantentechnologie 2.0 führen wird“, hofft Majer.
TU Wien / RK