Herzklappen aus dem 3D-Drucker
Neues Verfahren erlaubt individuelle Anpassung an den Patienten.
Das Herz besteht aus mehreren Kammern und Vorhöfen, und jede davon ist mit einer Herzklappe ausgestattet. Diese wirken wie Ventile und sorgen dafür, dass Blut nur in eine Richtung fließt. Sind Herzklappen undicht, verengt oder erweitert oder gar eingerissen, läuft das Blut aber in die Kammern oder die Vorhöfe des Herzens zurück. Dies belastet dieses Organ stark. Im schlimmsten Fall kommt es zu Herzrhythmusstörungen oder Herzversagen. Abhilfe schaffen je nach Schwere des Klappenfehlers künstliche Herzklappen. In den kommenden Jahrzehnten dürfte der Bedarf auf rund 850.000 Patienten im Jahr 2050 steigen. Forscher der ETH Zürich und der südafrikanischen Firma SAT haben dazu eine künstliche, maßgeschneiderte Herzklappe aus 3D-gedrucktem Silikon entwickelt.
Das neue Modell hat gegenüber bestehenden mehrere Vorteile: Die Silikon-Herzklappe ist maßgeschneidert, weil die Forscher zuerst die individuelle Form und Größe der undichten Herzklappe mittels Computertomographie oder Magnetresonanztomografie bestimmen. Dadurch lässt sich eine Herzklappe drucken, die exakt auf einen Patienten passt. Aus den Bildern erstellen die Forscher ein digitales Gittermodell und eine Computersimulation, mit der sie die auf das Implantat wirkenden Kräfte und Verformungen im Voraus berechnen können. Auch ist das Material für den Körper verträglich und der Blutfluss durch die Silikonherzklappe ist genauso gut wie bei herkömmlichen Ersatzklappen.
Bisher setzten Herzchirurgen Modelle ein, die entweder überwiegend aus Metallteilen oder aus tierischem Gewebe von Kühen bestehen. Damit solche Implantate verträglich sind, müssen Patienten das Immunsystem unterdrückende oder blutverdünnende Medikamente einnehmen, was erhebliche unerwünschte Nebenwirkungen hat. Zudem ist die Geometrie bisheriger Modelle starr. Dies erschwert es Chirurgen, künstliche Herzklappen abgedichtet an den Blutkreislauf respektive ans Herz anzuschließen. „Heutige Ersatzklappen sind rund, die Aorta aber ist es nicht. Sie hat bei jedem Menschen eine andere Form“, sagt Manuel Schaffner, ehemaliger Doktorand von André Studart, der selbst an dreidimensionalen photonischen Kristalle geforscht hat. Nicht zuletzt sei die Herstellung von künstlichen Herzklappen teuer und zeitaufwändig. Mit der neuartigen Silikon-Herzklappe können die Forscher solche Probleme umgehen. Um eine derartige Klappe mit einem 3D-Drucker herzustellen, benötigen die Materialforscher nur rund eineinhalb Stunden. Die Produktion mit 3D-Druckern könnte zudem beschleunigt werden, das heißt: eine Batterie von Druckern könnte täglich Dutzende bis Hunderte von Klappen herstellen.
Zuerst erstellen die Wissenschaftler einen Negativ-Abdruck der Klappe. Auf diesen Abdruck von der Form einer dreizackigen Krone wird Silikon-Tinte gesprayt, was die dünnen Klappenflügel ergibt. Auf deren Oberfläche druckt in einem weiteren Schritt ein Extrusionsdrucker mit zäher Silikonpaste bestimmte Muster aus dünnen Fäden. Diese entsprechen Kollagenfasern, die natürliche Herzklappen durchziehen. Die Silikonfäden verstärken die Klappenflügel und verlängern die Lebensdauer der Ersatzklappe. Die mit der Herzklappe verbundene Blutgefäßwurzel wird mit dem gleichen Verfahren gedruckt und am Ende mit einem netzförmigen Stent überzogen, der für das Anschließen der Silikon-Ersatzklappe an die echte Blutbahn nötig ist.
Erste Tests ergaben vielversprechende Ergebnisse zur Funktion der Herzklappe. Das Ziel der Materialforscher ist, die Lebensdauer solcher Ersatzklappen auf zehn bis fünfzehn Jahre zu steigern. So lange halten heutige Modelle im Patienten, ehe sie ausgetauscht werden müssen. „Schön wäre es, wenn wir eines Tages Herzklappen herstellen, die ein Leben lang halten und allenfalls sogar mit dem Patienten mitwachsen, sodass sie auch schon bei jungen Leuten eingesetzt werden könnten“, sagt Schaffner. Bis ihre künstliche Herzklappe klinisch angewendet werden kann, dauert es jedoch mindestens zehn Jahre. Dazu müssen die Produkte zahlreiche klinische Phasen erfolgreich durchlaufen.
Fergal Coulter entwickelt die Silikonherzklappe derzeit weiter. „Solche Versuche sind nötig, damit die Technik überhaupt eine Chance hat für einen Einsatz beim Menschen“, betont er. Coulter experimentiert zudem mit neuen Materialien, um die Lebensdauer der Herzklappen zu verlängern. Um die Herzklappe zur Marktreife führen zu können, bedarf es allerdings eines Industriepartners oder allenfalls eines Spin-Offs. „Die gesamte Kette vom ersten Experiment bis zur ersten Anwendung im Körper eines Menschen können wir als Forschungsgruppe leider nicht anbieten“, sagt Schaffner.
ETHZ / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. B. Coulter et al.: Bioinspired Heart Valve Prosthesis Made by Silicone Additive Manufacturing, Matter 1, 266 (2019); DOI: 10.1016/j.matt.2019.05.013 - Komplexe Materialien, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich