Hitzewellen in den Meeren
Menschlicher Einfluss steigert Häufigkeit drastisch.
Wenn in einer bestimmten Meeresregion die Wassertemperatur über eine längere Zeitspanne ungewöhnlich hoch ist, spricht man von einer marinen Hitzewelle. Solche Hitzewellen verursachten in den letzten Jahren große Veränderungen in den Ökosystemen im offenen Meer und an der Küste. Die Liste der negativen Auswirkungen ist lang: Marine Hitzewellen können zu einer erhöhten Sterblichkeit bei Vögeln, Fischen und Meeressäugern führen, sie können schädliche Algenblüten auslösen und das Nahrungsangebot im Ozean stark verringern. Zudem verursachen Hitzewellen Korallenbleichen, lösen Verschiebungen von Fischgemeinschaften in kältere Gewässer aus und tragen möglicherweise zum starken Rückgang des Meereises bei.
Forscher um die Berner Meereswissenschaftlerin Charlotte Laufkötter sind nun der Frage nachgegangen, wie sich der menschgemachte Klimawandel auf große marine Hitzewellen der letzten Jahrzehnte auswirkte. Zusammen mit Jakob Zscheischler und Thomas Frölicher kommt sie zum Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit von solchen Ereignissen als Folge der globalen Erwärmung massiv zugenommen hat. Die Analyse hat ergeben, dass die marinen Hitzewellen in den vergangen vierzig Jahren in allen Weltmeeren massiv länger und ausgeprägter geworden sind. „Jüngste Hitzewellen hatten schwerwiegende Folgen für marine Ökosysteme, die danach eine lange Erholungszeit brauchen – wenn sie sich überhaupt je ganz erholen“, sagt Laufkötter.
Für seine Untersuchungen stützte sich das Berner Team auf Satellitenmessungen der Meeresoberflächentemperatur zwischen 1981 und 2017. Dabei zeigte sich, dass die 27 großen Hitzewellen, die sich im ersten untersuchten Jahrzehnt zutrugen, im Schnitt 32 Tage andauerten. Sie erreichten Höchsttemperaturen von 4,8 Grad Celsius über der langjährigen Durchschnittstemperatur. Im letzten analysierten Jahrzehnt hingegen kam es zu 172 großen Ereignissen, die durchschnittlich 48 Tage anhielten und Spitzen von 5,5 Grad über der langjährigen Durchschnittstemperatur erreichten. Die Temperaturen im Meer schwanken üblicherweise nur geringfügig. Wochenlange Abweichungen von 5,5 Grad über eine Fläche von 1,5 Millionen Quadratkilometern – einer Fläche 35 Mal so groß wie die Schweiz – sind eine außerordentliche Veränderung der Lebensbedingungen mariner Organismen.
Für die sieben marinen Hitzewellen mit den größten Auswirkungen führten die Forscher Attributionsstudien durch. Mit Hilfe von statistischen Analysen und Klimasimulationen wird dabei abgeschätzt, inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel für das Auftreten individueller Wetter- oder Klimaextreme verantwortlich ist. Attributionsstudien zeigen typischerweise, wie sich die Häufigkeit von Extremen durch den menschlichen Einfluss verändert hat. Gemäß den Ergebnissen der Attributionsstudien sind die großen marinen Hitzewellen aufgrund des menschlichen Einflusses über zwanzig Mal häufiger geworden. Kamen sie in vorindustrieller Zeit alle hundert oder tausend Jahre vor, werden sie künftig je nach Fortschreiten der globalen Erwärmung zum Normalfall. Gelingt es, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, treten die Hitzewellen einmal pro Jahrzehnt oder Jahrhundert auf. Steigen die Temperaturen jedoch um drei Grad, ist in den Weltmeeren jährlich oder alle zehn Jahre mit Extremsituationen zu rechnen. „Um das Risiko von nie dagewesenen marinen Hitzewellen zu reduzieren, sind unbedingt ehrgeizige Klimaziele nötig“, betont Laufkötter. „Nur so lässt sich verhindern, dass einige der wertvollsten marinen Ökosysteme unwiderruflich verloren gehen.“
U. Bern / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
C. Laufkötter et al.: High-impact marine heatwaves attributable to human-induced global warming, Science 369, 1621 (2020); DOI: 10.1126/science.aba0690 - Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR), Universität Bern