10.05.2007

Hochschulkompetenz komplett an die Länder?

Der Bund will in der Hochschulpolitik seine letzten Kompetenzen an die Länder abgeben.

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Berlin (dpa) - Der Bund will in der Hochschulpolitik seine letzten Kompetenzen an die Länder abgeben. Die Bundesregierung stimmte am Mittwoch der Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) zu. Damit werde ein klares Signal für die Freiheit und Autonomie der Hochschulen gesetzt, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) nach dem Beschluss des Kabinetts. Der Bundestag muss dem Gesetzentwurf nach der Sommerpause noch zustimmen. Außer Kraft treten würde das HRG dann zum 1. Oktober 2008.

Der Bund distanziert sich mit der Entscheidung von dem jahrzehntelangen Glauben, mit Hilfe staatlicher Regulierung und Planung das Bildungssystem im Detail bundesweit steuern zu können. Die Zuständigkeit der Länder in der Hochschulpolitik war durch die jüngste Föderalismusreform weiter gestärkt worden. Der Bund kann per Gesetz nur noch bei den Zulassungsbestimmungen zum Studium und bei den Abschlüssen mitreden. Diese Kompetenzen will Schavan nun ebenfalls in die Hände der Länder legen.

Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Jürgen Zöllner (SPD), kündigte an, dass die Länder sich noch in diesem Jahr mit der Frage beschäftigen werden. «Wir brauchen aus meiner Sicht eine bundesweit einheitliche Regelung für den Hochschulzugang und die Hochschulabschlüsse. Dies ist grundsätzlich auch ohne HRG lösbar», sagte der Berliner Bildungssenator. Die Länder müssten nach der Föderalismusreform I noch stärker als bisher ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung gerecht werden.

Nach Einschätzung der Vorsitzenden des Bildungsausschusses im Bundestag, Ulla Burchardt (SPD), wird der Gesetzentwurf das Parlament nicht ohne Änderungen passieren. Schavan dürfe sich vom bundesweit einheitlichen Hochschulraum nicht vorschnell und ohne jede Not verabschieden. Bundesweit einheitliche Regelungen bei Zulassung und Abschlüssen müssten gewahrt bleiben. «Noch mehr Kleinstaaterei im deutschen Hochschulwesen ist ein Irrweg, der zuallererst auf Kosten der Abiturienten und Studierenden geht», sagte Burchardt.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte den Bundestag auf, gegen die Abschaffung zu stimmen. «Es wäre ein Anachronismus, wenn Deutschland nicht einmal mehr über nationale Regelungen für Hochschulabschlüsse und deren gegenseitige Anerkennung verfügt», sagte GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller. Es sei politisch riskant und verfassungsrechtlich bedenklich, wenn der Bund auf seine letzten Gestaltungsmöglichkeiten verzichte. Der Grünen- Bildungspolitiker Kai Gehring sagte, der Bund gebe ohne Not einen bewährten Orientierungsrahmen auf: «Statt des versprochenen Bürokratie-Abbaus ist ein Flickenteppich aus hektisch ergänzten Landesgesetzen zu befürchten.»

Das Hochschulrahmengesetz sorgte jahrzehntelang für Zündstoff zwischen Bund und Ländern. 2002 kam es zum Eklat, als die rot-grüne Bundesregierung über das HRG den für die Hochschulpolitik zuständigen Ländern die Einführung von Juniorprofessuren aufzwingen und Studiengebühren generell verbieten wollte. In beiden Fällen unterlag der Bund vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe.

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