Hochspannungsmessung für eine sichere Stromversorgung
Weltweit erste transportable Prüfeinrichtungen für zukünftige „Stromautobahnen“ mit sehr hohen Gleichspannungen.
Wer einen Stecker in die Steckdose steckt, hat es meist mit einer Wechselspannung von 230 Volt zu tun. Achttausendmal höher ist die Spannung auf dem Freifeld der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Hier arbeitet ein Expertenteam mit Gleichspannungen bis zu zwei Millionen Volt. Die von den Forschern entwickelte Messeinrichtung für derart hohe Spannungen ist weltweit einmalig und soll helfen, das Stromnetz der Zukunft fit zu machen für eine sichere Stromversorgung und -abrechnung.
Im Zuge der Energiewende wird Strom zukünftig nicht mehr nur mit etablierter Wechselstromtechnik transportiert, sondern zunehmend auch mit der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung. Auf den „Stromautobahnen“, wie den geplanten Nord-Süd-Trassen, kann sie Strom verlustärmer und in größerer Menge vom windreichen Norden in den industriellen Süden und Westen bringen.
Doch moderne Energienetze sind äußerst komplexe Systeme mit einer wachsenden Anzahl dezentraler, regenerativer Stromproduzenten. Dieses stets schwankende Angebot der elektrischen Energie führt zu verringerter Spannungsqualität und sorgt für mehr Instabilität im Übertragungsnetz – ein Stresstest für viele Komponenten und damit ein Risiko für die Versorgungssicherheit. Bisher fehlen noch einheitliche Normen, nach denen Netzkomponenten auf ihre Tauglichkeit unter diesen speziellen neuen Bedingungen geprüft werden.
„Wir sind an gleich zwei europäischen Forschungsprojekten beteiligt, die sehr praktisch zu einer verlässlichen und sicheren Stromversorgung beitragen werden“, erklärt Johann Meisner, Leiter der PTB-Arbeitsgruppe Hochspannungsmesstechnik. „Einerseits wollen wir die messtechnische Grundlage dafür schaffen, dass Netzkomponenten standardisiert auf ihre Eignung bei neuartigen Bedingungen geprüft werden können.“ Dafür will die PTB zum Beispiel Kalibrierdienstleistungen für die Industrie bei überlagerten Hochspannungsformen, wie Blitz- und Schaltstoßspannungen, auf hohen Gleich- oder Wechselspannungen aufbauen.
Die genaue Messung solcher Hochspannungsformen hat einen erheblichen Einfluss auf die Lebensdauer von Komponenten im Stromnetz. Gleichzeitig sind die Erkenntnisse aus dem von Meisner koordinierten Forschungsprojekt die Basis für eine grundlegende Überarbeitung der internationalen Hochspannungsnormenreihe IEC 60060, die weltweit die Prüfung von Hochspannungsmesstechnik regelt.
In einem weiteren europäischen Forschungsprojekt steht die Messung des Energieverlusts im Mittelpunkt. Denn trotz Gleichstromtechnik geht bei langen Transportwegen quer durch Deutschland und Europa auch Energie verloren. Um diese Verluste beziffern zu können, ist insbesondere im Hochspannungsbereich für die Abrechnung von Kosten wichtig – denn wo viel Energie transportiert wird, geht es auch um viel Geld.
Im Rahmen dieser Projekte entwickelt die PTB unter anderem zwei Hochspannungsmesssysteme – eines für Messungen von einzigartiger Genauigkeit bis 1,2 Millionen Volt und ein zweites für Messungen sogar bis 2 Millionen Volt. Mit Letzterem haben die Forscher bereits äußerst erfolgreich Testmessungen durchgeführt. Mithilfe der Spannungsteiler soll in der PTB ein Standard aufgebaut werden, mit dem die rückgeführte Kalibrierung von Gleichspannungsmesseinrichtungen und die Prüfung von Systemkomponenten bis zwei Millionen Volt möglich wird, wie sie in zukünftigen Hochspannungsnetzen weltweit eingesetzt werden sollen. Die Genauigkeit dieser Messungen ist somit entscheidend für den verlässlichen Betrieb von HGÜ-Leitungen und damit für die Versorgungssicherheit des gesamten europäischen Stromnetzes.
PTB / RK
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