05.05.2023 • Statistische Physik

Im Kollektiv erfolgreich: Schwarmverhalten von Mini-Robotern untersucht

Studie zeigt Weg zur Realisierung von programmierbarer aktiver Materie auf.

Winzige Roboter könnten perspektivisch im medizinisch-pharma­zeutischen Bereich Arznei­stoffe an die Körper­stellen trans­portieren, wo sie direkt gebraucht werden. Die Grundlagen für derartige Techniken werden auch in der Physik gelegt. So haben Physiker der Uni Mainz sich mit einem neuen Ansatz befasst, bei dem ein Kollektiv von Mini-Robotern untersucht und ihr Verhalten analysiert wurde. Die theoretische Basis dafür liefern Erkennt­nisse über die Schwarm­bildung. Die Ergebnisse weisen einen weiteren Weg auf, wie program­mier­bare Materie realisiert werden könnte.

Abb.: Simulierte Mini-Roboter sortieren sich in der Nähe einer...
Abb.: Simulierte Mini-Roboter sortieren sich in der Nähe einer be­gren­zen­den Wand: Solche mit großem Be­we­gungs­radius bleiben an der Wand kleben und üben eine Kraft auf die Wand aus, wäh­rend sich Roboter mit kleinem Be­we­gungs­radius frei im Inne­ren be­wegen können. (Bild: F. Siebers, JGU Mainz)

Um Aufgaben auf Ebene der Mikro- und Nano­strukturen zu erfüllen, sucht die Wissenschaft nach neuen Wegen – zumal die weitere Miniatu­ri­sierung von Geräten oder Bauteilen an Grenzen stößt. Ein neues Prinzip wäre es, anstatt nur einen Roboter mit einer Aufgabe zu betrauen, ein ganzes Kollektiv darauf anzusetzen. „Ein einzelner Mini-Roboter hat wegen seiner Größe nur begrenzte Fähigkeiten, um eine Aufgabe zu bearbeiten“, erklärt Thomas Speck von der Uni Mainz. „Aber ein Kollektiv von Robotern, die zusammen­arbeiten, könnte diese Aufgabe vielleicht sehr gut bewältigen.“ An diesem Punkt kommt die statistische Physik ins Spiel, die mit Modellen das Verhalten von aktiven Teilchen beschreibt – vergleichbar mit dem Verhalten von Vogel­schwärmen.

Das Forschungsteam hat dazu das kollektive Verhalten von kleinen, kommerziell erhält­lichen Robotern untersucht. Diese Walker werden von Vibrationen angetrieben und bewegen sich dadurch auf zwei Reihen von Beinchen vorwärts. Weil Länge, Form und Steifig­keit der Beine von Roboter zu Roboter leicht unter­schied­lich sind, erfolgt die Bewegung auf kreis­förmigen Bahnen mit einem charak­teris­tischen Radius, der für jeden Walker spezifisch ist. Die Roboter, deren Aussehen und Bewegung an kleine Käfer erinnert, haben eine elliptische Form und richten sich bei Kontakt aneinander aus.

„Unser Ziel war es, das kollektive Verhalten zu unter­suchen und zu beschreiben und dadurch auch den möglichen Nutzen festzu­stellen“, sagt Frank Siebers von der Uni Mainz. „Aber als Physiker sind wir zunächst an den Phänomenen an sich interessiert.“ Dem Forschungs­team fielen zwei Effekte auf, die eintreten, wenn sich die Roboter in ihren Beinen leicht unter­scheiden, also die Gruppe eine größere Diversität zeigt. Erstens benötigen die Walker weniger Zeit, um den Raum zu erkunden, waren also schneller. Und zweitens sortieren sie sich, wenn sie durch eine Wand eingegrenzt werden: Je nach Bewegungs­radius kleben die Mini-Roboter an der Wand oder sammeln sich im Inneren.

„Dieses Verhalten könnte man ausnutzen, beispiels­weise wenn die Roboter eine Fracht trans­portieren sollen und dazu mit der Fracht wechselwirken. Dann würde das Tempo, mit dem sie den Raum erkunden, zunehmen und die Fracht könnte in der Folge schneller geliefert werden“, beschreibt Speck eine mögliche Anwendung. „Die statistische Physik kann uns hier also neue Einsichten vermitteln, welche Effekte ein Kollektiv von Robotern ausnutzen kann.“

Das Teilgebiet, das sich mit aktiver Materie befasst, betrifft viele Bereiche der belebten und unbelebten Welt, in denen kollektives Verhalten oder kollektive Bewegungen erfolgen, zum Beispiel auch das Verhalten von Vogel­schwärmen. „Das theoretische Verständnis, wie die Schwarm­bildung funktioniert, wenden wir hier auf robotische Systeme an“, beschreibt Siebers die Arbeiten.

JGU Mainz / RK

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