09.10.2018

Inhomogene Erwärmung verkürzt den Schmiedeprozess

Verfahren vereinfacht komplexe Vorform­opera­tionen – oder macht sie ganz über­flüssig.

Vorformoperationen dienen dazu, die Massenverteilung eines Rohteils dem gewünschten Schmiede­teil anzu­nähern, um den Grat­anteil sowie den Gesenk­ver­schleiß zu redu­zieren. Ein geringerer Grat­anteil bedeutet geringere Material- und auch Energie­kosten. Ein gerin­gerer Gesenk­ver­schleiß führt zu einer Redu­zierung der Produk­tions­kosten bei gleich­zeitiger Erhöhung der Prozess­stabi­lität. Mit einem neuen Ver­fahren, das am Institut für inte­grierte Produk­tion Hannover erforscht wird, sollen solche Vorform­opera­tionen ver­kürzt oder gänz­lich ein­ge­spart werden.

Abb.: Vorformoperationen bringen die Masse dort­hin, wo sie später ge­braucht wird. In Zukunft soll das auch durch in­homo­gene Er­wär­mung ermög­licht werden. (Bild: R. Büchler, IPH)

Bislang waren vergleichbare Ergebnisse auch durch das Vorformen im Gesenk oder durch Quer­keil­walzen zu erzielen. Das Gesenk­schmieden kann unter Umständen zwar günstiger sein, setzt aber beim Vor­formen im geschlos­senen Gesenk eine auf­wändige Aus­legung voraus oder verur­sacht beim Vor­formen im offenen Gesenk einen hohen Grat­anteil. Quer­keil­walzen hingegen ver­ur­sacht weniger Grat, ist jedoch sehr viel teurer und lohnt sich deshalb erst ab einer großen Stück­zahl, was es vor allem für kleine und mitt­lere Unter­nehmen unattraktiv macht.

Am IPH wird nun ein dritter Weg untersucht: Indem das Rohteil durch Induk­tion inhomogen erwärmt und anschlie­ßend gestaucht wird, soll die Massen­vertei­lung dem Bauteil ange­nähert werden. Die Wissen­schaftler wollen ermitteln, welchen Effekt die inhomo­gene Erwär­mung von Roh­teilen auf die nach­fol­genden Schritte der Schmiede­prozess­kette hat. „Die Vor­versuche zeigen in eine viel­ver­spre­chende Rich­tung“, sagt Arne Jagod­zinski vom IPH. „In ein paar Jahren wird daraus eine industrie­reife Ferti­gungs­methode.“ Wenn es so weit ist, soll die inhomo­gene Erwär­mung den Schmiede­prozess ver­kürzen und energie­effi­zienter aus­ges­talten.

Induktion wird bereits seit langem im Schmiedeprozess eingesetzt – doch bis­lang nur zur homo­genen oder auch zur parti­ellen Erwär­mung von Bau­teilen. Bei der parti­ellen Erwär­mung werden ein­zelne Bereiche eines Roh­teils auf eine gewünschte Tempe­ratur erwärmt, während andere Bereiche kalt bleiben. Die Besonder­heit an dem neuen Ver­fahren ist die Ver­wen­dung von inhomo­gener Erwär­mung. Das heißt, dass das Roh­teil insge­samt erwärmt wird – manche Bereiche aller­dings auf beispiels­weise 900, andere wiederum auf 1250 Grad Celsius. Beim Stauchen kann so in dem wärmeren Bereich mehr Masse kumu­liert werden als in den kälteren Bereichen. Beson­ders interes­sant ist dabei der Über­gangs­bereich zwischen den warmen und den weniger warmen Zonen. Wie groß und wie stabil ist dieser – und wie lässt er sich ein­stellen?

Dazu identifizieren die Wissenschaftler in Vorversuchen Kenn­zahlen, die den Über­gangs­bereich charak­teri­sieren. Sie ermitteln auf diese Weise Para­meter, die es ihnen später in der Praxis erlauben, den Über­gangs­bereich mög­lichst genau einzu­stellen. Idealer­weise ist dieser stabil, klein und weist einen großen Tempe­ratur­sprung auf. Ein Problem kann aber beispiels­weise sein, dass sich die unter­schied­lich warmen Bereiche zu schnell ein­ander annähern und keine klare Trennung zwischen den Zonen auf­recht­erhalten werden kann. Anhand eines Common-Rails – ein Bau­teil aus der Kraft­stoff­ein­spritzung eines Ver­bren­nungs­motors – wollen die Wissen­schaftler unter­suchen, wie sich ein inhomogen erwärmtes Gefüge beim Schmieden ver­hält. Später könnte die ent­wickelte Methode auch auf andere Bau­teile zum Beispiel aus der Auto­mobil­industrie ange­wendet werden, wie bei Pleuel oder sogar bei Kurbel­wellen.

Um den Nutzen der neuen Methode feststellen zu können, ver­gleichen die Wissen­schaftler die Ver­wen­dung von inhomo­gener Erwär­mung in ver­schie­denen Prozess­ketten mit dem Quer­keil­walzen. Jagod­zinski geht davon aus, dass die ver­schie­denen Prozesse Abwei­chungen bei den Tempe­ratur­feldern oder beim Schmiede­prozess auf­weisen werden. Es wird unter anderem auch betrachtet, ob das freie Stauchen als Zwischen­schritt aus­ge­lassen werden und das inhomogen erwärmte Roh­teil direkt fertig­geschmiedet werden kann. Sollte diese Variante gelingen, böte die neue Methode eine erheb­liche Erleich­terung für die Industrie, die ihre Bau­teile so sehr viel schneller, energie- und ressourcen­schonender produ­zieren könnte.

Schließlich soll ein Modell entwickelt werden, das Vorhersagen darüber zulässt, wie sich inhomo­gene Erwär­mung auf den Schmiede­prozess aus­wirkt und wie dieser Prozess aus­ge­legt werden kann. Dazu sollen die gewon­nenen Ergeb­nisse extra­poliert und die daraus ermit­telten Werte stich­proben­artig über­prüft werden. Nachdem die Simu­la­tion und die Werk­zeug­konstruk­tion abge­schlossen und das Para­meter­feld identi­fi­ziert ist, werden die Wissen­schaftler vom IPH zur Verifi­zie­rung ihrer Ergeb­nisse experi­men­telle Unter­suchungen vor­nehmen. Anschlie­ßend werden die Anlagen eines Industrie­partners umge­rüstet und das neue Ver­fahren unter realen Bedin­gungen erprobt.

IPH / RK

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