Intelligente Fenster und Glasfassaden
Hocheffizientes Energiemanagement mit neuartigen Schalttechnologien.
In der modernen Architektur ist die großflächige Verglasung nicht nur wegen ihrer Optik und Gestaltungsvielfalt ein anhaltender Trend. Große, nach Süden ausgerichtete Fenster tragen dazu bei, den Energiebedarf für die Heizung im Winter zu reduzieren. Großflächige Verglasungen können jedoch andererseits den Energiebedarf für Kühlung und Klimatisierung in heißen Sommern deutlich erhöhen. Smarte Gläser, wie beispielsweise elektrochrome und thermochrome Fenster, erlauben die Steuerung der Wärmestrahlung in das Gebäude per Knopfdruck und ermöglichen es so, den Heiz- und Klimatisierungsenergiebedarf großer Gebäude drastisch zu reduzieren.
Am 1. Oktober startete das EU-geförderte Projekt Switch2Save, in dessen Rahmen smarte Gläser und die dazugehörigen Fertigungsprozesse für eine bessere Kosteneffizienz und Verfügbarkeit weiterentwickelt werden sollen. Das Konsortium aus zehn führenden Partnern aus Forschung und Industrie wird darüber hinaus das Energiesparpotenzial von elektrochromen und thermochromen Fenstern und Glasfassaden in zwei konkreten öffentlichen Gebäuden demonstrieren.
In modernen Gebäuden tragen Fenster und Glasfassaden – je nach Größe der Glaselemente – bis zu sechzig Prozent zum Energieaustausch mit der Umwelt bei. Im Winter wird Wärme nach außen abgegeben, während im Sommer die Sonneneinstrahlung den Gebäudeinnenraum massiv erwärmt. Das erhöht den Energiebedarf für Klimatisierung und Kühlung. Große Fenster und Glasfassaden verstärken diesen Effekt. Heute werden mechanisch verstellbare Jalousien und Verschattungen zur Steuerung der Sonneneinstrahlung in Abhängigkeit von Tageszeit, Temperatur und Sonneneinstrahlung eingesetzt. Sie beeinflussen oder beeinträchtigen jedoch stark den Komfort und die Lichtverhältnisse im Inneren des Gebäudes. Darüber hinaus stören die außen angebrachten Verschattungen insbesondere bei großen, repräsentativen Gebäuden die Gesamtansicht.
Smarte Gläser haben das Potenzial, Fensterjalousien künftig vollständig zu ersetzen. Sie sind bisher jedoch noch nicht auf Energieeinsparung optimiert. Weiterhin sind sie sehr teuer und nur begrenzt verfügbar. Switch2save hat das Ziel, diese Einschränkungen zu überwinden und elektrochrome und thermochrome Systeme für große Fenster und Glasfassaden verfügbar zu machen. Elektrochromie basiert auf Materialien, die ihre Lichtdurchlässigkeit durch Anlegen einer elektrischen Spannung ändern. Thermochrome Zellen basieren auf Materialien, die ihre Infrarot-Reflexionseigenschaften mit steigender Temperatur ändern.
Das Switch2Save-Konsortium setzt sich aus führenden Universitäten, Forschungseinrichtungen und Industriepartnern aus sechs verschiedenen EU-Ländern zusammen. Innerhalb der nächsten vier Jahre werden die Partner gemeinsam eine optimierte Kombination aus EC- und TC-Zellen für ein maximales Energieeinsparpotenzial basierend auf einem schaltbaren Gesamtenergiedurchlassgrad entwickeln. Sie werden die Fertigungstechnologien sowohl für die EC/TC-Materialien als auch für die Integration in Isoliergläser für eine höhere Verfügbarkeit und Kosteneffizienz weiterentwickeln. Das Einsparpotenzial von Heiz- und Kühlenergie sowie der Lichtkomfort werden anhand von zwei repräsentativen Gebäuden in Griechenland und Schweden umfassend bewertet und demonstriert.
Projektkoordinator John Fahlteich vom Fraunhofer-Institut für organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik erklärt das Potenzial der Technologie: „Experten schätzen, dass sich der Energiebedarf für die Klimatisierung und Kühlung von Gebäuden bis 2050 mehr als verdoppeln wird. Darüber hinaus benötigen große Glasfassadengebäude bis zu 35 Prozent mehr Energie zum Heizen und bis zu fünfmal mehr Energie zum Kühlen als moderne Gebäude mit kleinen Fenstern. Mit der Switch2Save-Lösung kann der gesamte jährliche Heiz- und Kühlenergiebedarf solcher großen Glasgebäude um bis zu 44 Prozent reduziert werden. Das wird durch intelligente Schaltprotokolle erreicht, die auf lokalen Echtzeit-Wetter- und Temperaturdaten und den Beleuchtungsbedingungen im Gebäude basieren.“
Die im Rahmen von Switch2Save entwickelten EC- und TC-Module basieren auf nanoskaligen Dünnfilmschichten, die mittels großflächiger Vakuum- und Atmosphärendruckabscheidung auf Kunststofffolien oder ultradünnen Glasbahnen aufgebracht werden. Die Module haben ein spezifisches Gewicht von weniger als einem Kilogramm pro Quadratmeter – viel weniger als eine einzige Glasscheibe in einem Fenster. Sie lassen sich in einem Laminationsschritt leicht in IGUs integrieren, um eine Fenster- und Glasfassadenfertigung mit etablierten Verfahren zu ermöglichen – eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der neuen Technologie bei den Bauunternehmen. Drahtloses Schalten und Standardschnittstellen zu Gebäudeautomatisierungssystemen werden den Bedürfnissen der Gebäudeeigentümer gerecht und sichern maximale Energieeinsparungen im Betrieb.
Fh.-FEP / RK
Weitere Infos
- Switch2Save, Europäische Kommission
- Geschäftsfeld Flache und flexible Produkte, Fraunhofer-Institut für organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik, Dresden