07.05.2009

Intelligentes Polymer

Unter Stress werden manche spiropyranhaltigen Kunststoffe rot



Unter Stress werden manche spiropyranhaltigen Kunststoffe rot.

In polymere Materialien lassen sich neuartige Funktionalitäten integrieren, bei deren Entwicklung der Phantasie fast keine Grenzen gesetzt sind. So können mechanische, elektrische, optische oder chemische Anregungen unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Die Forschergruppe von Nancy Sottos in Urbana-Champaign hatte vor zwei Jahren an Polymerlösungen gezeigt, dass mit mechanischen Kräften in Form von Ultraschall der Ablauf chemischer Reaktionen gesteuert werden kann. Jetzt hat das Sottos-Team verschiedene Polymere hergestellt, die unter mechanischer Belastung ihre Farbe wechseln, und dadurch vor Überbeanspruchung warnen.



Abb.: Das spiropyranhaltige Polymer verfärbt sich wenn es gedehnt wird. (Bild:
Univ. Illinois/Beckman Inst.)


Die intelligenten Polymere enthielten einen speziellen Spiropyran-Farbstoff. Solche Farbstoffe ändern ihre Farbe, wenn sie Licht oder Wärme ausgesetzt werden. Dabei wird eine schwache kovalente Bindung im Farbstoffmolekül gebrochen, das daraufhin in eine andere Form mit neuen Farbeigenschaften übergeht. Spiropyrane kommen u. a. in selbsttönenden Sonnenbrillengläsern zum Einsatz. Sottos und ihre Kollegen überlegten sich, ob man die schwache Bindung in einem Spiropyran-Farbstoff nicht auch auf mechanischem Wege brechen könnte.

Um das zu untersuchen, verbanden sie das Farbstoffmolekül mit zwei Polymerketten. Die Ketten waren so am Farbstoffmolekül befestigt, dass sie es dehnten, wenn an den Kettenenden in entgegengesetzte Richtungen gezogen wurde. Molekulardynamische Rechnungen zeigten, dass bei einer bestimmten Dehnung des Spiropyranmoleküls in ihm eine charakteristische C-O-Bindung brach. Daraufhin wandelte sich das farblose Spiropyran in den roten Farbstoff Merocyanin um. Tatsächlich sahen die Forscher diese Farbänderung bei ihren Experimenten mit dem spiropyranhaltigen elastischen Polymer. Dehnten sie das zunächst gelbliche Elastomer, so verfärbte es sich an den Stellen rötlich, wo die stärkste mechanische Beanspruchung auftrat, die das Material schließlich zerreißen ließ.

Dass die Verfärbung durch mechanische Beanspruchung ausgelöst worden war und nicht z. B. durch Wärme, wiesen die Forscher in Kontrollexperimenten mit spiropyranhaltigen Polymeren nach, die einen geringfügig veränderten Molekülaufbau hatten. Hier waren die beiden Polymerketten so am Spiropyranmolekül befestigt, dass sie entweder auf derselben Seite der C-O-Bindung angriffen und sie es deshalb nicht aufbrechen konnten. Oder die Ketten waren so befestigt, dass der mechanische Zug statt der C-O-Bindung eine C-C-Bindung aufbrechen ließ, wie die Berechnungen zeigten. Tatsächlich tat in diesen Fällen im Experiment keine Farbänderung auf. Daher sind sich die Forscher sicher, dass die experimentell beobachtete Verfärbung nur durch mechanischen Zug verursacht worden war. Die Verfärbung ließ sich wieder rückgängig machen, indem die Polymere 6 Stunden lang mit Fluoreszenzlicht bestrahlt wurden.

Es war somit gelungen, mechanischen Zug gezielt auf eine bestimmte chemische Bindung wirken zu lassen, sodass sie aufbrach. Damit eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. So könnte man auf ähnliche Weise chemische Reaktionen gezielt in Gang setzen, die das Polymer an den Stellen zusätzlich vernetzen und widerstandsfähiger machen, an denen die mechanische Belastung besonders hoch ist. Das Material würde sich also unter Stress selbst härten. Auch selbstheilende Polymere, die auftretende Risse durch entsprechende chemische „Reaktionen“ selbsttätig wieder schließen, werden möglich. Eine unmittelbare Anwendung sind Sensoren für mechanischen Stress, die die Stellen anzeigen, an denen die Beanspruchung das intelligente Polymer zu zerreißen droht.

RAINER SCHARF


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Weitere Literatur:


AL

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