IR-Hintergrund von Unfallopfern?
Überschüssige kosmische Wärmestrahlung könnte von Sternen stammen, die Galaxienkollisionen in den Halo schleuderten.
Nicht nur von der kosmischen Mikrowellenstrahlung, auch vom infraroten Hintergrund sind räumliche Fluktuationen bekannt. Während die Drei-Kelvin-Strahlung aber auf die Zeit kurz nach dem Urknall zurückgeht, als Protonen und Elektronen zu Wasserstoff rekombinierten, stammt die Wärmestrahlung dagegen von Sternen und Galaxien. Sie erreicht die Erde homogen und isotrop aus allen Richtungen. Bislang konnten Forscher schon etliche ihrer Quellen auflösen. Der Infrarothintergrund zeigt aber auch großräumige Schwankungen von bis zu zehn Prozent um seinen Mittelwert. Insbesondere haben Weltraumteleskope in den letzten Jahren mehr Wärmestrahlung im nahen Infrarotbereich von wenigen Mikrometern Wellenlänge gemessen, als die bekannten Galaxien produzieren können.
Abb.: Anlässlich des Internationalen Jahrs der Astronomie 2009 lichtete das Weltraumteleskop Hubble die Galaxiengruppe NGC 5679, auch bekannt als Arp 274 ab. Sie gilt als ein besonders schönes Paradebeispiel wechselwirkender Sternsysteme. (Bild: NASA / ESA, M. Livio, STScI)
Nach den gängigen Theorien sollte dieses überschüssige Infrarotlicht von Ansammlungen entfernter Galaxien herrühren. Infrage kämen hierzu entweder sehr weit entfernte Infrarotgalaxien bei Rotverschiebungen von sechs oder größer. Dies sind extrem alte Galaxien während der Reionisierungsepoche, als die ersten Sterne den neutralen Wasserstoff im Weltall wieder zu ionisieren begannen.
Andererseits wären auch Zwerggalaxien bei mittleren Distanzen und entsprechend geringeren Rotverschiebungen heiße Kandidaten für die schwankenden Beiträge der Wärmestrahlung. Amerikanische Forscher haben nun die Winkelabhängigkeit und Clustergröße der weitläufigen Fluktuationen untersucht und festgestellt, dass diese beiden Hypothesen nicht zu den Beobachtungen passen.
Die Wissenschaftler analysierten hierzu Aufnahmen des Weltraumraumteleskops Spitzer im Deep Wide-Field Survey (SDWFS) bei Wellenlängen von 3,6 und 4,5 Mikrometern aus den Jahren 2004 bis 2008. Die Bilder aus vier verschiedenen Messperioden wurden bei verschiedenen Rollwinkeln des Weltraumteleskops aufgenommen, um Bildartefakte ausschließen zu können. Die Messstrategie beinhaltete auch Optimierungen zur Selbstkalibration durch Ausnutzung von Korrelationen zwischen Pixeln.
Um den Infrarothintergrund bestimmen zu können, mussten die Forscher aus diesen Aufnahmen dann das Licht aller bekannten Quellen eliminieren. Hierzu gehört sowohl die Beiträge der bekannten Sterne und Galaxien, als auch das sogenannte Zodiakallicht, das durch gestreutes Sonnenlicht in der dünnen Staubscheibe in unserem Sonnensystem erzeugt wird. Um dieses zuverlässig subtrahieren zu können, griffen die Forscher auf vorhergehende Messungen mit dem Spitzer- und dem Akari-Weltraumteleskop zurück.
Abb.: Aufnahme des Sternbilds Bärenhüter im nahen Infrarot bei 3,6 Mikrometern vom Weltraumteleskop Spitzer, vor (links) und nach dem Subtrahieren bekannter Quellen. (Bild: A. Cooray et al. / NPG)
Nach Entfernung dieser Quellen zeigten die erhaltenen Bilder aber immer noch erstaunlich weitläufige Schwankungen bis hin zu einem Bogengrad, die nicht durch Rauschen oder zufällige Fluktuationen erklärt werden können. Bekannte Galaxien kommen nicht als deren Ursache in Frage. Die Forscher präsentieren deshalb als Erklärung für ihre Beobachtungen, dass das überschüssige Infrarotlicht von Sternen in allen Galaxien stammt, die bei Galaxienkollisionen aus ihren Galaxien herausgeschleudert wurden und nun ihr Dasein im galaktischen Halo fristen, der jede Galaxie umhüllt.
In diesen Halo befinden sich vergleichsweise wenige Sterne, die außerhalb der Rotationsebene liegen und das Zentrum ihrer Galaxie auf exzentrischen Umlaufbahnen umkreisen. Im Halo vermutet man aber auch größere Mengen an dunkler Materie, deren Gravitation die Galaxien zusammenhält. Da Halos deutlich über die galaktische Scheibe hinausreichen können, war das diffuse Licht aus ihnen nicht von der Elimination bekannter Lichtquellen in den Aufnahmen betroffen.
Die Interpretation der Ergebnisse ist jedoch abhängig vom bislang unzureichenden Verständnis der Häufigkeit und spektralen Verteilung der Sterne in galaktischen Halos. Sollten ihre Erkenntnisse zutreffen, so die Forscher, dann wären auch im optischen Licht räumliche Variationen zu erwarten. Unter der Annahme, dass die Fluktuationen auf entfernte Galaxien zurückgehen, sollten sie in diesem Wellenlängenbereich nicht auftreten. Künftige Messungen sollen hierüber Aufschluss geben.
Wenn der Anteil der verschiedenen Beiträge zum Infrarothintergrund besser verstanden ist, kommt man aber auch einem anderen wichtigen Ziel näher. Dann können die Forscher nämlich das Licht der Sterne aus den galaktischen Halos vom Gesamtsignal subtrahieren, was das schwache Leuchten der ältesten Galaxien zur Zeit der Reionisierung sichtbar machen könnte.
Dirk Eidemüller
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