Isolatoren mit leitenden Rändern
Randzustände sind durch Quantenkorrelationen charakterisiert.
Isolatoren, die an ihren Rändern leitfähig sind, versprechen interessante technische Anwendungen. Doch bisher sind ihre Eigenschaften noch wenig verstanden. Bernhard Irsigler, Jun-Hui Zheng und Walter Hofstetter der Goethe-Universität haben diese topologischen Isolatoren nun mithilfe ultrakalter Quantengase modelliert: Sie zeigen, wie man die Randzustände experimentell sichtbar machen könnte.
Man stelle sich eine Scheibe aus einem Isolator vor, an deren Rand ein Strom immer in dieselbe Richtung fließt. „Dadurch ist es unmöglich, dass ein Quantenteilchen aufgehalten wird, da es den Zustand, in die andere Richtung zu laufen, schlicht nicht gibt“, erklärt Irsigler. Anders ausgedrückt: In den Randzuständen fließt der Strom ohne Widerstand. Man könnte sie beispielsweise dazu verwenden, die Zuverlässigkeit und Energie-Effizienz von Mobilgeräten zu steigern. Aktuell wird auch erforscht, wie man damit effizientere Laser bauen könnte.
Um das Verhalten topologischer Isolatoren besser verstehen zu können, hat man sie in den vergangenen Jahren auch in ultrakalten Quantengasen erzeugt. Diese Gase entstehen, wenn man ein gewöhnliches Gas auf Temperaturen zwischen einem Millionstel und einem Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abkühlt. Erzeugt man ein ultrakaltes Quantengas zusätzlich in einem optischen Gitter aus Laserlicht, ordnen sich die Gas-Atome so regelmäßig an wie im Kristallgitter eines Festkörpers. Anders als in einem realen Festkörper kann man viele Parameter variieren und so auch künstliche Quantenzustände studieren. „Wir sprechen gern von einem Quantensimulator, weil ein solches System uns viele Dinge verrät, die in einem Festkörper passieren. So können wir mit ultrakalten Quantengasen in optischen Gittern die Grundlagenphysik von topologischen Isolatoren verstehen“, erläutert Zheng.
Ein bedeutender Unterschied zwischen einem Festkörper und einem Quantengas ist jedoch, dass die wolkenförmigen Gase keine definierten Ränder haben. Wie entscheidet also ein topologischer Isolator im ultrakalten Quantengas, wo seine Ränder sind? Um diese Frage zu beantworten, haben die Forscher eine künstliche Grenze zwischen einem topologischen Isolator und einem normalen Isolator betrachtet. Diese stellt den Rand des topologischen Isolators dar, an dem sich der leitfähige Randzustand ausbildet.
„Wir zeigen, dass der Randzustand durch Quantenkorrelationen charakterisiert ist, die man im Experiment mit Hilfe eines Quantengas-Mikroskops messen könnte. Derartige Messungen werden beispielsweise an der Harvard University, am MIT und am MPI für Quantenoptik durchgeführt“, so Hofstetter. Ein Quantengas-Mikroskop ist ein Gerät, mit dem man im Experiment einzelne Atome sehen kann. „Entscheidend für unsere Arbeit ist, dass wir die Wechselwirkung zwischen den Teilchen des Quantengases explizit berücksichtigten. Das macht die Untersuchung realistischer, aber sehr viel komplizierter. Ohne Supercomputer kann man die aufwändigen Berechnungen nicht durchführen. Besonders wichtig ist für uns auch die enge Zusammenarbeit mit führenden europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Rahmen der DFG-Forschergruppe ‘Artificial Gauge Fields and Interacting Topological Phases in Ultracold Atoms‘.“
GUF / RK