ITER: Magnetspulen im Vakuum
Mineralisolierte Stromleiter und Herstellungsprozess für Produktion zugelassen.
Für Magnetspulen, die innerhalb der ITER-Vakuumbehälters betrieben werden, sind herkömmliche Isolationen keine Option. Die im Plasmareaktor eingesetzten Spulen müssen großen transienten elektromagnetischen Feldern, hohem Strahlungsfluss und hohen Temperaturen standhalten können. Nach einem Jahrzehnt der Entwicklung und intensiver Zusammenarbeit mit Industrie und Forschungseinrichtungen wurde kürzlich die erste Phase der Fertigung – die Qualifizierung der Produktion – erfolgreich abgeschlossen.
Abb.: Der für den ITER entwickelte mineralisolierte Leiter verwendet eine Schicht aus komprimiertem Magnesiumoxidpulver (MgO), die eine elektrische Isolierung zwischen Mantel und Leiter sowie Wärmeleitung und Festigung für den Kupferleiter gewährleistet. (Bild: ITER)
Die Spulen im Inneren des ITER-Vakuumbehälters sind Teil des gesamten Plasmasteuerungssystems, das einen stabilen Plasmabetrieb gewährleisten muss. Zwei vertikale Spulen sorgen dabei für eine schnelle vertikale Stabilisierung des Plasmas, während eine Anordnung von 27 sogenannten Edge Localized Mode (ELM)-Spulen resonante magnetische Störungen erzeugt, um das Plasmaäußere magnetisch zu steuern und potenziell schädliche Leistungsübertragungen auf plasmazugewandete Komponenten zu unterdrücken. Die Spulen werden an der Wand des Vakuumbehälters hinter den Abschirmmodulen montiert.
Das Grundgerüst beider Arten von Behälterspulen ist ein nicht supraleitender, mineralisolierter Leiter, der aus einem Edelstahlmantel mit 59 mm Außendurchmesser, einer Mineralisolierschicht aus Magnesiumoxid, einem Kupferhohlleiter und einem mittleren Wasserkühlkanal besteht. Die Mineralschicht aus komprimiertem Magnesiumoxid (MgO)-Pulver sorgt für eine elektrische Isolierung zwischen Mantel und Leiter sowie für Wärmeleitung und bauliche Unterstützung des Kupferleiters. Jede Spule im Behälter wird aus etwa 50 Metern Leitung gewickelt. Insgesamt benötigen die Spulen im Behälter mehr als 4 km mineralisolierte Leitungen.
„Die ITER-Organisation hat in den letzten 10 Jahren umfangreiche Design- und Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchgeführt, um das Konzept des mineralisolierten Leiters fertigzustellen und geeignete Herstellungsverfahren und -techniken zu entwickeln, um die Produktionstauglichkeit zu gewährleisten“, sagt Anna Encheva, die ITER-Ingenieurin, die für den Behälter-Spulenleiter verantwortlich ist. „Mit dieser Arbeit hinter uns sind wir bereit, in die Serienproduktion einzusteigen. Da die meisten Komponenten von Spulen im Behälter jedoch nicht auf bestehenden Industrielösungen basieren können, haben wir eine zweistufige Prozess aufgestellt: Erst die Qualifikation zur Herstellung von Leitern, dann die Fertigung.“
Abb.: Gezeigt, das es geht: Das ASIPP-Team in China freute sich im August über die erfolgreiche Herstellung des ersten 100 Meter langen, kontinuierlichen Kupferrohres. (Bild: ITER)
Diese Qualifizierungs-Meilensteine beenden ein 10-jähriges F&E-Programm unter der Leitung der ITER-Organisation, indem das Konzept des mineralisolierten Leiters erarbeitet und Techniken zur Sicherstellung seiner Herstellbarkeit entwickelt wurden.
Anfang 2017 wurden mit zwei Lieferanten – dem italienischen Konsortium für angewandte Supraleitung (ICAS) und dem Institute for Plasma Physics, Chinese Academy of Science (ASIPP) – Fertigungsverträge für diese Qualifizierungsphase unterzeichnet.
Eine der anspruchsvollsten Fertigungsaktivitäten war die Herstellung langer, einteiliger Kupferrohre, die für das ITER-Konzept erforderlich sind, um Verbindungen in den Spulen zu vermeiden. Die Hersteller mussten geeignete Techniken und Geräte sowie konforme mechanische Eigenschaften des Endprodukts vorweisen.
Auch wenn die MgO-Isolierung in der Industrie für kleine Anwendungen (z.B. brandschutztechnische Industrie- oder Diagnosekabel) weit verbreitet ist, sind die für den ITER-Innenbehälterspulenleiter erforderlichen Mengen ohne Beispiel. Die Lieferanten mussten eine strenge Qualitätskontrolle entwickeln, um den Verunreinigungsgehalt in der Isolierung auf einem sehr niedrigen Niveau zu halten (wichtig für die Aufrechterhaltung einer hervorragenden Beständigkeit) und die Aufnahme von Feuchtigkeit zu begrenzen (als sehr hygroskopisches Material nimmt MgO leicht Feuchtigkeit aus der Luft auf).
„Weitere Herausforderungen im Herstellungsprozess ergeben sich aus der Steifigkeit des Leiters, die die Montagetätigkeiten erschwert, und aus den von ITER geforderten engen Maßtoleranzen“, erklärt Encheva. „Diese Toleranzen werden sowohl durch die Festigkeitsanforderungen der Endspule als auch durch die engen Platzverhältnisse in der Umgebung im Behälter bestimmt.“
Abb.: Auch das italienische ICAS-Konsortium hat im März 2018 die Herstellung von Langleitern erfolgreich demonstriert. (Bild: ITER)
Die Qualifizierungsphase wurde von beiden Lieferanten erfolgreich abgeschlossen. Das ergaben die jüngsten Überprüfungen der Produktionsreife in den jeweiligen Werken, bei denen das Überprüfungsgremium die Ergebnisse der Qualifizierungsphase sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen und Geräten für die Serienproduktion beurteilte.
Ein Lieferant wird nun ausgewählt, um in Serienfertigung einen Leiter mit einer Gesamtlänge von ca. 5 km herzustellen. Die ITER-Organisation geht davon aus, dass der Auftrag noch in diesem Jahr erteilt wird.
ITER / LK