Joseph Fourier: Revolutionäre Reihen
Zum 250. Geburtstag des Begründers der Theorie der Fourier-Reihen und der mathematischen Physik
Die Lebensgeschichte von Jean Baptiste Joseph Fourier, der vor 250 Jahren am 21. März geboren wurde, klingt wie ein Abenteuer-Roman. Mit zehn Jahren ist er Waise, erhält aber aufgrund seiner Begabung eine gute Schulbildung in seiner Heimatstadt Auxerre in der Champagne. Da er die Offizierslaufbahn wegen seiner nicht-adeligen Herkunft nicht einschlagen kann, geht er ins Kloster. Zwei Tage bevor sein Schicksal als Mönch durch die Abgabe der Ewigen Gelübde besiegelt ist, bricht die Französische Revolution aus und der 21jährige entgeht ihren Wirren nur knapp und macht wider Willen Karriere unter Napoleon. Seine wissenschaftliche Laufbahn gipfelt in der Aufnahme in die Académie des Sciences in Paris.
Als Jean Baptiste Joseph Fourier, das zwölfte von fünfzehn Kindern, zum Waisen wurde, nahm ihn der Domorganist von Auxerre in sein Pensionat auf, dann kam er mit zwölf Jahren auf Fürsprache des Bischofs an die Ecole Royale Militaire. Die mathematische Begabung des Jungen zeigte sich in dem die Artillerie wichtigen Mathematik-Unterricht. Er vertiefte seine Kenntnisse im Selbststudium und gewann mit 15 Jahren einen Preis für seine Arbeit über die „Mécanique en Général“ des seinerzeit berühmten Mathematikers Charles Bossut.
Nach seinem Schulabschluss trat er als Novize in die Abtei St Benoit-sur-Loire ein, beschäftigte sich aber weiter mit Mathematik und korrespondierte mit dem Mathematik-Professor C. L. Bonard in seiner Heimatstadt. Er schrieb: „Gestern war mein 21. Geburtstag. In diesem Alter hatten Newton und Pascal schon viele Ansprüche auf Unsterblichkeit erworben.“
Als die Revolution ausbrach, sah er dies als Gelegenheit, sich vom drückenden Joch des Adels und des Klerus zu befreien. Er schloss sich dem revolutionären Komitee von Auxerre an. Im Juli 1794, während der Schreckensherrschaft, wurde er ins Gefängnis geworfen, weil er eine der Fraktionen der Revolution öffentlich verteidigt hatte. Seine Hinrichtung wurde nur verhindert, weil der Kopf Robbespierres zuerst fiel.
Trotz der Schrecken wirkte die Revolution sich positiv auf Fouriers Karriere aus. Er gehörte zu den ersten Schülern der neu gegründeten Ecole Normale Supérieure des Jahres III in Paris. Diese Hochschule bestand zwar nur vier Monate, aber sie brachte Fourier mit den mathematischen Größen seiner Zeit zusammen, darunter Pierre-Simon de Laplace und Joseph-Louis Lagrange. Das reichte als Sprungbrett für einen Lehrauftrag an der berühmten Ecole Polytechnique. Während dieser Zeit holte ihn seine revolutionäre Vergangenheit noch einmal ein. Er musste erneut ins Gefängnis, kam aber dank der Fürsprache seiner Kollegen und Schüler wieder auf freien Fuß. 1797 wurde er mit 29 Jahren der Nachfolger von Lagrange auf der Professur für Analysis und Mechanik.
Bald genoss er einen Ruf als herausragender Lehrer. Doch schon im folgenden Jahr musste er seinen Lehrstuhl verlassen und Napoleon Bonaparte als wissenschaftlicher Berater auf seinem Ägypten-Feldzug begleiten. Nachdem die englische Flotte unter Lord Nelson Napoleons Schiffe in der Schlacht am Nil vernichtet hatte, blieben die Besatzer noch einige Jahre im Land und bauten u.a. ein Verwaltungssystem nach französischem Vorbild auf. Fourier gehörte zu den Mitbegründern des Institut d`Egypte, dessen Sekretär er war, und organisierte archäologische Expeditionen.
1801 kehrte Fourier mit den letzten Teilnehmern des Ägypten-Feldzugs nach Frankreich zurück. Napoleon, der die organisatorischen Fähigkeiten des Mathematikers zu schätzen gelernt hatte, ernannte ihn zum Präfekten des Département Isère mit Sitz in Grenoble. Fourier verließ sein akademisches Umfeld in Paris nur widerstrebend, aber die Zeit in Grenoble sollte sich für ihn auch in wissenschaftlicher Hinsicht als fruchtbar erweisen. Hier begann er seine Experimente zur Wärmeausbreitung in Festkörpern (Fouriersches Gesetz). Seine Abhandlung darüber wurde 1807 von der Pariser Akademie der Wissenschaften preisgekrönt. Allerdings stieß sein Ansatz, die Gleichungen über eine Reihenentwicklung zu lösen, bei den mathematischen Größen seiner Zeit – Laplace und Poisson – auf Skepsis. Fouriers Verdienst, erstmals Methoden der Analysis auf die Physik angewendet zu haben, wurde erst von der Nachwelt durch Bernhard Riemann, Henri Poincaré und Norbert Wiener gewürdigt.
In Grenoble dokumentierte Fourrier außerdem den wissenschaftlichen Ertrag seiner Zeit in Ägypten in dem Werk „Description d´Egypte“. 1810 gründete er die Universität in Grenoble und wurde ihr erster Rektor. Den jüngeren Bruder seines ersten Sekretärs, Jean-Francois Champollion, ermutigte er, die Hieroglyphen des Rosetta-Steins zu entziffern. Er hatte eine Kopie davon aus Ägypten mitgebracht.
Als Präfekt von Grenoble erwarb sich Fourier Verdienste unter anderem um die Trockenlegung der Sümpfe, von denen eine latente Malaria-Gefahr ausging. Während der ersten Restauration behielt Fourier seinen Posten als Präfekt. Er vermied es deshalb, Napoleon bei seiner Rückkehr persönlich zu begrüßen und versuchte, die Bevölkerung zu überreden, auf Seiten der Bourbonen zu bleiben. Als Napoleon dann mit seiner Armee auf dem Weg nach Paris durch das eine Stadttor von Grenoble einmarschierte, soll Fourier durch das andere Stadttor geflohen sein. Napoleon verübelte es ihm nicht und ernannte ihn während seiner 100 Tage währenden Regierung zum Präfekten von Lyon. Fourier wurde jedoch schon vor der Niederlage bei Waterloo (1.7.1815) wegen Bedenken zu seiner politischen Zuverlässigkeit zum Rücktritt aufgefordert und kehrte heim nach Paris.
Mit den nun beginnenden ruhigeren Zeiten konnte sich Fourier erneut der Forschung widmen und einen Kreis begabter Schüler um sich versammeln. 1817, mit 49 Jahren, wurde er in die Académie des Sciences aufgenommen. Sein Hauptwerk, „La theorie analytique de la chaleur“, das auf den Arbeiten in Grenoble beruhte, erschien 1822. Arnold Sommerfeld bezeichnete es „als die bibel des mathematischen Physikers des 19. Jahrhunderts“. Fourier entwickelte darin die nach ihm benannten Fourier-Reihen und das Fourier-Integral für die Entwicklung von Funktionen in periodische Reihen. Die Fourier-Transformation ist zum unverzichtbaren mathematischen Werkzeug in der Physik geworden, nicht zuletzt bei der Lösung von Differentialgleichungen oder in der Quantenmechanik, um den Übergang zwischen Impuls- und Ortsraum zu beschreiben.
Fourier stellte übrigens in einer Publikation aus dem Jahr 1824 auch Überlegungen zu Mechanismen des Treibhauseffekts an, ohne allerdings diesen Begriff zu verwenden. Er starb im Mai 1830 in Paris im Alter von 62 Jahren.
Anne Hardy
Weitere Infos