03.03.2008

Jungfernflug am 8. März

Der Jungfernflug der neuen Raumfähre «Jules Verne» gibt nach Einschätzung der Raumfahrtindustrie einen technologischen Schub für Europa.

Jungfernflug am 8. März 

Bremen (dpa) - Der Jungfernflug der neuen Raumfähre «Jules Verne» gibt nach Einschätzung der Raumfahrtindustrie einen technologischen Schub für Europa. «Wir stoßen ein neues Fenster in den Weltraum auf», sagte Helmut Luttmann von der EADS-Raumfahrttochter Astrium in Bremen. Mit dem Start des automatischen Raumtransporters ATV fliege Europa erstmals aus eigenem Antrieb zur Internationalen Raumstation (ISS). «Von der Technologie her können wir autonom und automatisch zur Station fliegen. Der Sprung von diesem unbemannten System zu einer bemannten europäischen Raumfähre ist von der technischen Seite her nicht mehr sehr weit.» Es gebe schon vielversprechende Studien für künftige ATV-Versionen, die wieder zur Erde zurückkehren.

Der Start des ersten ATV ist für den 8. März, 5.23 Uhr MEZ geplant. Später dockt «Jules Verne» automatisch an der ISS an und bringt knapp sechs Tonnen Wasser, Nahrung und Kleidung für die Astronauten sowie Treibstoff und Ersatzteile für die Station. Nach mehreren Monaten als «Speisekammer und Abstellraum» für die ISS fliegt das ATV mit dem Stationsmüll zurück in Richtung Erde und verglüht in der Atmosphäre.

«Mit dem erfolgreichen Bau des Raumfahrtlabors "Columbus" hat Europa die Eintrittskarte für den ständigen Zutritt zur ISS gelöst», sagt Luttmann. «Wir haben jetzt ein Hoheitsrecht auf "Columbus" und mit dem ATV auch ein eigenes Logistik-Vehikel zur Versorgung.» Künftige ATV-Versionen könnten zunächst mit einem unbemannten Fahrzeug wieder auf der Erde landen. Für den letzten Schritt - die Landung einer bemannten Raumfähre - habe Europa noch kleine Lücken bei der Technologie zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. «Dazu gibt es aber schon einige Studien, die man nutzen könnte.»

Die Entwicklung des ATV verlief nach Angaben von Luttmann nicht reibungslos. Teile der Software hätten sich komplexer als zunächst gedacht erwiesen. Die Entwicklung dauerte länger als geplant - «ganz normal bei der komplizierten Materie». Vier Triebwerke und 28 kleine Steuerdüsen sorgen für kleinste Kurskorrekturen - alle arbeiten autonom und sind aufeinander abgestimmt. Wie das Labor «Columbus» wurde auch «Jules Verne» maßgeblich in Bremen entwickelt und gebaut.

Mehr als eine Milliarde Euro haben die Mitglieder der europäischen Weltraumagentur ESA für die Entwicklung von «Jules Verne» bezahlt. Vier Nachfolger sind bestellt, die bis 2014 jeweils neun Tonnen Nachschub zur ISS bringen sollen. ATV-Manager Luttmann hält aber auch Nachbestellungen für möglich - etwa bei den Amerikanern, die bis dahin ihre großen US-Weltraumfähren vom Typ «Shuttle» ausrangieren wollen. «Zur Raumstation können nach den "US-Shuttles" von 2011 an nur noch die kleineren russischen Versorgungskapseln vom Typ "Progress" fliegen. Unser ATV hat jedoch die dreifache Kapazität.»

Gespräch: Hans-Christian Wöste, dpa

Hintergrund - ATV:
Die Raumfähre ATV (Automated Transport Vehicle) ist der erste unbemannte und vollautomatische Weltraumtransporter. Er dient zur Versorgung der Astronauten in der Internationalen Raumstation ISS, die seit zehn Jahren im Aufbau ist und die Erde in etwa 400 Kilometern Höhe umkreist. Neben den großen US-«Shuttle»-Transportern und den kleinen «Sojus»-Kapseln mit Besatzung können derzeit nur die unbemannten «Progress»-Frachter zur ISS fliegen. Das in Europa gebaute ATV hat mit neun Tonnen dreimal mehr Nutzlast. Obwohl es ohne Piloten fliegt, muss es höchste Sicherheitsstandards wie ein bemanntes System erfüllen.

Das erste ATV «Jules Verne» startet am 8. März mit der bisher leistungsstärksten Ariane-5-Trägerrakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou (Französisch-Guayana). Nach dem Ausfahren der Sonnensegel sorgen satelliten- und radargestützte Sensoren für die Orientierung. Beim Jungfernflug muss das ATV zu Testzwecken verschiedene Flugmanöver absolvieren, bevor es sich der ISS nähern darf. Im Endanflug messen Laserstrahlen den Abstand zur Raumstation.

Die 1,3 Milliarden Euro teure Raumfähre wurde maßgeblich bei EADS Astrium in Bremen entwickelt und gebaut. Sie ist zehn Meter lang und hat einen Durchmesser von fünfeinhalb Metern. An Bord sind rund sechs Tonnen Wasser, Nahrung, Treibstoff und Experimentieranlagen. Zu den Aufgaben der Raumfähre zählt auch das Anheben der ISS, die täglich um 200 Meter absinkt. Mit dem Müll der Station fliegt das ATV nach sechs Monaten Richtung Erde und verglüht. Der Transporter dient also als Speisekammer, Abstellraum, Sprungbrett und Müllschlucker.

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