22.09.2006

Käfige aus dem Kolben

Mit einer neuen Methode lässt sich Germanium recht einfach in eine metastabile, käfigförmige Struktur bringen.



Mit einer neuen Methode lässt sich Germanium recht einfach in eine metastabile, käfigförmige Struktur bringen.

Elektronische Bauteile verdanken ihre Rechenkraft und ihre Speicherkapazität Halbleitern wie Silizium. Künftig könnte auch eine spezielle Form des Germaniums, in der seine Struktur aus einem Netz geräumiger Käfige aufgebaut ist, als Ausgangsmaterial für elektronische Bauelemente dienen - das zumindest sagen theoretische Untersuchungen voraus. Jetzt haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemische Physik fester Stoffe einen Weg gefunden, diese neue, metastabile Modifikation des Elements Germanium auf relativ einfache Weise und in größeren Mengen herzustellen.

Abb.1: Käfigstruktur von Clathrat-II Germanium: In der elektronenmikroskopischen Abbildung erscheinen Atome dunkel, die Zwischenräume hell. Eine Computersimulation bestätigt das experimentelle Ergebnis (oben links eingefügt). (Bild: Dr. Reiner Ramlau, MPI für Chemische Physik fester Stoffe)

Ihre besondere Struktur gibt Clathraten besondere Eigenschaften: In den Käfigen, aus denen sie sich aufbauen, können sie etwa Atome anderer Elemente beherbergen, die die thermische Leitfähigkeit der Verbindungen beeinflussen. Daher eignen sie sich möglicherweise, um Thermoelektrika herzustellen, die Temperaturunterschiede in Strom verwandeln oder als Peltierelemente wie kleine Kühlaggregate wirken. Leere Clathrate eigenen sich dagegen anders als die bekannten Formen von Silizium und Germanium als Ausgangsstoff für optoelektronische Bauelemente wie Photodioden. Zumindest theoretisch.

Praktisch ließen sich die viel versprechenden Formen der Halbleiter bislang - wenn überhaupt - nur mit großem Aufwand herstellen. Jetzt haben die Max-Planck-Wissenschaftler aber einen überraschend einfachen Weg gefunden, Germanium in die käfigförmige Struktur zu bringen: Sie haben reaktive Verbindungen des Elements mit Natrium oder Kalium zu einer neuen Form des Elements reagieren lassen. Nach ihrem Rezept können die Dresdener Chemiker sowohl Clathrate mit leeren Käfigen synthetisieren als auch solche, in deren Hohlräumen Atome anderer Elemente sitzen.

Abb. 2: Clathrat-II Germanium ist eine neue Modifikation des Elements Germanium und setzt sich aus Polyedern mit 20 bzw. 28 Germaniumatomen (rot) zusammen. Die kleineren Polyeder (gelb) bilden so genannte Supertetraeder mit großen Hohlräumen. (Bild: Michael Baitinger, MPI für Chemische Physik fester Stoffe)

Den Wissenschaftlern kam dabei der Zufall zu Hilfe, der ihnen eine effektivere und preiswerte Methode bescherte, um Clathrate zu synthetisieren. „Wir suchten eigentlich nach Lösungsmitteln für Zintl-Phasen dieser Elemente“, sagt Michael Baitinger, der in der Abteilung von Prof.Yuri Grin an den Untersuchungen an Clathraten beteiligt war. Diese Silizium- beziehungsweise Germanium-Verbindungen, in denen die Halbmetalle ein ziemlich gespanntes negativ geladenes Atomgerüst bilden, reagieren auf Luft und Wasser sehr empfindlich - manche zersetzen sich sogar explosionsartig. Daher lösten die Wissenschaftler die Verbindungen in flüssigen organischen Salzen wie Dodecyltrimethylammoniumchlorid (DTAC).

„Dabei stellten wir fest, dass das DTAC die Zintl-Phasen bei relativ milden 300 Grad in Clathrate verwandeln. In nur zwei Tagen und mit Methoden, die in der organischen Chemie weit verbreitet sind.“ Diese Methoden machen die Synthese nicht nur preiswert, sondern eignen sich auch, um Clathrate in großem Maßstab zu produzieren oder in dünnen Schichten auf einem Trägermaterial abzuscheiden. Viel wichtiger ist für die Chemiker aber zunächst, dass sie einen prinzipiellen Weg gefunden haben, um aus leicht herstellbaren reaktiven Ausgangsverbindungen käfigförmige Strukturen aus Silizium oder Germanium zu erzeugen.

Normalerweise erhalten Chemiker Silizium- oder Germaniumclathrate nur bei sehr viel höheren Temperaturen, und auch die Reaktionszeiten sind deutlich länger. Da viele Clathrate jedoch metastabil sind, können sie bei höheren Temperaturen erst gar nicht entstehen. So wandelt sich auch Clathrat-II Germanium bei Temperaturen über 500 Grad in die bekannte Form α-Germanium um. Daher ist es über herkömmliche Hochtemperatursynthesen nicht zugänglich.

Um die überraschende Existenz von Clathrat-II Germanium zu belegen, haben die Wissenschaftler das Produkt anschließend mit einer ganzen Palette von Instrumenten untersucht: Elektronenbeugung (SAED) und hochauflösender Transmissionselektronenmikroskopie (HRTEM), um die Struktur aufzuklären, energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDXS) und Elektronen-Energieverlust Spektroskopie (EELS), um die Zusammensetzung herauszufinden.

Quelle: MPG/[PH]

Weitere Infos:

  • Originalveröffentlichung:
    Arnold M. Guloy, Reiner Ramlau, Zhongjia Tang, Walter Schnelle, Michael Baitinger und Yuri Grin, A guest-free germanium clathrate, Nature 443, 320 (2006).
    http://dx.doi.org/10.1038/nature05145
  • Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.:
    http://www..mpg.de
  • Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, Dresden:
    http://www.cpfs.mpg.de

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