04.01.2016

Kalte Fermionen gehen auf Abstand

Pauli-Blockade zwischen fermionischen Lithium-Atomen in einem optischen Gitter direkt beobachtet.

Einem Forscherteam am MPI für Quantenoptik gelang es erstmals, die aus dem Ausschließungs­prinzip folgende Pauli-Blockade direkt beobachten. Dazu kühlten die Physiker ein Gas aus fermionischen Lithium-6-Atomen auf extrem tiefe Temperaturen ab und luden die kalten Teilchen in ein optisches Gitter. Da gleich­artige Fermionen nicht die gleichen Gitter­plätze einnehmen dürfen, sollte sich jedes Atom seinen eigenen Platz aussuchen. Genau das konnten die Wissen­schaftler mit einem Quanten­gas­mikroskop beobachten, das einzelne Atome mit entsprechender räumlicher Auflösung abbilden kann. „Unser Erfolg beruht darauf, dass wir unsere an Bosonen erprobte Kühl- und Abbildungs­methode für Fermionen anpassen konnten“, erklärt Projekt­leiter Christian Groß. „Unsere Arbeit gibt einen neuen Zugang, Quanten­korrelationen in fermionischer Quanten­materie zu beobachten, oder Phänomene wie Quanten­magnetismus und Supra­leitung besser zu verstehen.“

Abb.: Fluoreszenzabbildung eines Bandisolators von fermionischem Lithium mit Einzel-Atom-Auflösung. (Bild: MPQ)

Die Quantenstatistik unterscheidet zwischen zwei grundlegend unter­schiedlichen Sorten von Teilchen: den Bosonen, die am absoluten Temperatur-Nullpunkt in einen einzigen Quanten­zustand kondensieren, und den Fermionen, für die die mehrfache Besetzung eines einzelnen Zustands verboten ist. Teilchen mit halb­zahligem Spin zählen zu den Fermionen, Bosonen dagegen haben ganz­zahligen Spin. Welcher Statistik Atome gehorchen, ergibt sich also aus der Zahl ihrer Protonen, Neutronen und Elektronen. Dem Ziel, das Verhalten von Elektronen in einem Fest­körper­kristall mit Atomen in optischen Gittern zu simulieren, kommt man mit Fermionen erheblich näher. Allerdings wurden in den meisten Experimenten bisher Bosonen bevorzugt, da sich Fermionen nur schwer auf die erforderlichen tiefen Temperaturen kühlen lassen.

Hier ist dem Team um Groß in einem Experiment mit fermionischen Lithium-6-Atomen ein entscheidender Durchbruch gelungen, indem es effiziente Kühl­methoden und präzise Detektion zu kombinieren vermochte. Zunächst kühlen die Wissen­schaftler die Atome mit verschiedenen Methoden ab und fangen sie in einer Dipol­falle ein. Die bereits extrem kalte Wolke aus Lithium-Atomen wird dann mit Licht- und Magnet­feldern so präpariert, dass schließlich nur noch eine Ebene aus etwa sieben­hundert bis acht­hundert Atomen übrig bleibt. Diesen wird ein optisches Gitter überlagert, das durch die Inter­ferenz von Laser­strahlen erzeugt wird. Das Licht­gitter definiert die Kristall­geometrie und legt fest, wo sich die Atome aufhalten dürfen.

Der wirklich entscheidende und neue Schritt ist aber die Modifizierung des in der Gruppe entwickelten Quanten­gas­mikroskops. Die Wissen­schaftler wandten eine spezielle Kühl­methode, die ursprünglich für die Abkühlung von Ionen entwickelt wurde, auf Fermionen in einem Gitter an. Bei dieser besonderen Form der Laser­kühlung werden die quanten­mechanischen Schwingungs­zustände des Atoms in einem Gitter­töpfchen so manipuliert, dass das Atom in den niedrigsten Zustand getrieben und somit gekühlt wird. Bei dem Kühl­prozess werden gleich­zeitig Photonen an den Atomen gestreut, so dass diese einzeln beobachtet werden können. Ein hochauf­lösendes Mikroskop­objektiv kann dabei alle Atome gleich­zeitig abbilden, und es kann so ein foto­grafischer Schnapp­schuss des atomaren Gases aufgenommen werden. Die Aufnahmen zeigen, dass die Teilchen im mittleren Bereich der Falle sehr gleichmäßig verteilt sind, bei einem Atom pro Gitter­platz. „Wichtig ist, dass diese Verteilung allein aufgrund des Pauli-Prinzips zustande kommt“, betont Ahmed Omran, Doktorand am Experiment. „Identische Fermionen haben eine abstoßende Wirkung aufeinander, es gibt keine weitere Wechsel­wirkung zwischen den Atomen.“

In einem Festkörpergitterkristall bilden sich aufgrund der periodischen Anordnung der Atome Bänder aus, in denen die Energie­niveaus, die die Elektronen besetzen können, dicht benachbart liegen. Wenn im obersten Valenz­band alle Zustände besetzt sind, können sich Elektronen nicht bewegen – es handelt sich bei diesen Stoffen somit um Isolatoren. Der in dem Experiment erzeugte Quanten­zustand des fermionischen Lithium-Systems verhält sich ganz analog: Das Pauli-Prinzip führt zur vollen Besetzung des Valenz­bandes und damit zur Unter­drückung der Leit­fähigkeit. Unter dem Mikroskop äußert sich dies in einer starken Unter­drückung von Teilchen­fluktuationen in der isolierenden Region.

Die neue Technik beinhaltet viele Möglichkeiten für weitere Experimente mit Quanten-Vielteilchen­systemen aus fermionischen Atomen. Sie kann weiter­entwickelt werden um einzelne Fermionen in einem Vielteilchen­system zu manipulieren, was eine Möglichkeit zum Erreichen noch tieferer Temperaturen darstellt. Bei diesen sollte sich erwartungs­gemäß eine anti­ferro­magnetische Ordnung ausbilden, die man mit dem Quanten­gas­mikroskop direkt beobachten und charakterisieren kann. Gerade dieser Anti­ferro­magnetismus wird als heißer Kandidat für die Erklärung grund­legender Supra­leitungs­phänomene gehandelt.

MPQ / RK

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