26.10.2022

Kandidat für einen Quarkstern

Ungewöhnliches Objekt im Zentrum des Supernovaüberrests HESS J1731-347.

Der leichteste bisher bekannte Neutronenstern steht im Zentrum des Supernova­überrests HESS J1731-347. Victor Doroshenko, Valery Suleimanov, Gerd Pühlhofer und Andrea Santangelo von der Abteilung Hochenergie­astrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen entdeckten das ungewöhnliche Objekt mithilfe von Röntgen­teleskopen im All. Nach Berechnungen des Forschungs­teams besitzt er nur etwa die Hälfte der Masse eines typischen Neutronensterns. Als Berechnungs­grundlage nutzte es neue Entfernungs­messungen zu einem Begleitstern, den das gleiche Team bereits früher entdeckt hatte. So konnten die Astrophysiker Masse und Radius des Neutronen­sterns mit bisher unerreichter Genauigkeit angeben.

Abb.: Falschfarbenbild des Supernova­überrests HESS J1731-347. Im Zentrum...
Abb.: Falschfarbenbild des Supernova­überrests HESS J1731-347. Im Zentrum steht der Neutronen­stern, der Röntgen­strahlen emittiert und so vom Röntgen­teleskop XMM-Newton beobachtet werden konnte. (Bild: V. Doroshenko)

Neutronen­sterne werden geboren, wenn normale Sterne mit großer Masse in der Explosion einer Supernova sterben, berichtet Victor Doroshenko. Sie seien extreme Objekte, die als Himmelslabore für Studien der physikalischen Grundlagen­forschung genutzt werden können. „Neutronensterne weisen noch unbekannte Eigenschaften von Materie auf, sie haben eine viel höhere Dichte als Atomkerne“, sagt der Forscher. Solche Bedingungen könnten in irdischen Laboren nicht nachgebildet werden. „Beobachtungen von Neutronen­sternen im All mit Röntgen- oder anderen Teleskopen werden uns erlauben, die Rätsel der superdichten Materie zu lösen – zumindest, wenn wir Herausforderungen wie die bei der Beobachtung entstehende Unschärfe bei den Entfernungs­messungen in den Griff bekommen. Genau das ist uns nun gelungen.“

Der Neutronenstern im Zentrum des Supernova­überrests HESS J1731-347 war einer von einer Handvoll von Objekten, die bei Messungen der Gamma­strahlung mit den H.E.S.S.-Teleskopen in Namibia entdeckt und anschließend durch Röntgenteleskope aus dem All untersucht wurden, berichtet Doroshenko. „Erst dadurch wurde der sich abkühlende Neutronen­stern sichtbar“, setzt Gerd Pühlhofer hinzu. Die Besonderheit dieses Objekts ist, wie das gleiche Forschungs­team bereits früher festgestellt hatte, dass es mit einem weiteren Stern physikalisch verbunden ist. Er beleuchtet die Staubhülle um den Neutronen­stern und taucht sie in infrarotes Licht.

Der Begleitstern wurde kürzlich durch das Gaia-Weltraum­teleskop der Euro­päischen Raumfahrt­agentur beobachtet, was dem Forschungsteam eine akkurate Entfernungs­messung zu beiden Objekten lieferte. Bei der Gaia-Mission wird der Himmel hochgenau drei­dimensional optisch durchmustert. „Dadurch konnten wir vorherige Ungenauig­keiten beheben und unsere Modelle verbessern. Masse und Radius des Neutronensterns ließen sich viel genauer bestimmen, als es bisher möglich war“, sagt Valery Suleimanov.

Noch sei nicht klar, wie sich das unge­wöhnliche Objekt gebildet hat. Auch gebe es Zweifel, ob es sich tatsächlich um einen Neutronen­stern handelt oder ob das Objekt Kandidat für ein noch viel exotischeres Objekt ist, das aus seltsamer Quark-Materie besteht, sagt Andrea Santangelo und ergänzt: „Das ist aktuell der vielver­sprechendste Quarkstern-Kandidat, den wir bisher kennen, auch wenn seine Eigen­schaften mit denen eines normalen Neutronen­sterns übereinstimmen.“ Doch selbst in dem Fall, dass es sich bei dem Objekt im Zentrum von HESS J1731-347 um einen Neutronenstern handele, bleibe es ein besonders interessantes Objekt. „Es erlaubt uns, den noch unerforschten Teil des Parameter­raums in der Masse-Radius-Ebene von Neutronen­sternen zu untersuchen. So erhalten wir wertvolle Hinweise auf die Zustandsg­leichung der dichten Materie, mit der sich ihre Eigenschaften beschreiben lassen“, sagt Santangelo.

U. Tübingen / JOL

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